1889 Das Staatsrecht des Großfürstenthums Finland

Das Staatsrecht des Großfürstenthums Finland.

Von
Dr. L. Mechelin,
Senator in Helsingfors.

Erster Abschnitt1Dem Herrn Dr. R. Hermanson, Professor des Staatsrechts in Helsingfors, zollt der Verfasser Dank für seine Mitwirkung in einigen Theilen dieser Arbeit.. Einleitung.

I. Kapitel. Geschichtliches.

§ 1. Finland als Theil des schwedischen Staates. Das heutige Großfürstenthum Finland besteht hauptsächlich aus den Gebieten, welche durch die von Schweden aus in den Jahren 1157, 1249 und 1293 unternommenen Eroberungs- und Kreuzzüge, sowie durch den Friedensvertrag zu Nöteborg im Jahre 1323, in schwedischen Besitz geriethen.

Schwedische Kolonisten, in Küstengegenden angesiedelt, hatten schwedisches Recht mitgeführt. Der größte Theil des Landes war aber von verschiedenen finnischen Stämmen bewohnt. Ueber die Beschaffenheit des bei ihnen waltenden Rechtszustandes fehlt nähere Kenntniß. Es ist anzunehmen, daß ihr Gemeinwesen sich in einfachen Formen bewegte, und daß der Verbreitung des schwedischen Rechtes daher wenig Widerstand entgegentrat. Wenigstens sind keine Klagen über gewaltsames Aufdrängen fremder Gesetze an die Nachzeit überliefert worden, wie dies in so manchen anderen Ländern der Fall gewesen. – Finland ward ein Bisthum und erhielt einen Oberrichter (lagman, legifer). Daß das schwedische Rechtswesen schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts im Lande unstreitig geltend geworden, erweist sich daraus, daß Finland im Jahre 1362 das Recht zuerkannt wurde, in ähnlicher Weise wie die Landschaften Schwedens an der Königswahl sich zu betheiligen. Als das allgemeine Landgesetz im Jahre 1442 angenommen wurde, war die Zahl der Oberrichter in Finland auf drei herangewachsen, und es ergiebt sich aus manchen Bestimmungen dieses Gesetzes, daß Finland ein den schwedischen Landschaften ebenbürtiges Glied des Reiches geworden.

Andererseits hatte doch die von Schweden abgesonderte geographische Lage Finlands, nebst dem bedeutsamen Umstande, daß der überwiegende Theil der Einwohner des Landes an Sprache und Abstammung nicht Schweden waren, zur Folge, daß Finland dem eigentlichen Schweden gegenüber als eine besondere Individualität erschien. Es wurde im Jahre 1587 der Titel ”Großfürstenthum” dem Lande verbrieft, und mag auch dieser Umstand dazu beigetragen haben, daß Finland in der allgemeinen Vorstellung etwas Anderes war, als bloß ein schwedisches Verwaltungsgebiet. Doch ist hierbei festzuhalten, daß in rechtlicher Hinsicht keine Differenz vorhanden war. Während in den von Schweden später erworbenen transmarinen Besitzungen, den Ostseeprovinzen und den deutschen|246| Gebietstheilen, schwedisches Recht entweder gar nicht oder nur zum Theil eingeführt und den Einwohnern derselben die vollen politischen Rechte des schwedischen Staatsbürgers nicht zuerkannt wurden, war Finland sowohl was die Vertretung auf den Reichstagen betrifft, als auch in übrigen rechtlichen und politischen Beziehungen mit dem eigentlichen Schweden vollkommen gleichgestellt.

Dieses eigenthümliche Verhältniß des Vorhandenseins einer besonderen Individualität neben vollständiger Gleichstellung oder Gemeinschaftlichkeit – welches für die späteren Schicksale Finlands nicht ohne Bedeutung gewesen – tritt uns auch aus manchen Gesetzen entgegen. So z. B. heißt es in der Ritterhaus-Ordnung von 1626, daß jeglicher Edelmann, der von schwedischen oder finnischen Eltern geboren oder dessen Vater Schwede oder Finländer ist, des schwedischen Edelmannes Rechte und Privilegien genießen soll; daß zu den allgemeinen Reichstagen alle Ritterschaft in Schweden und Finland sich einzufinden hat, u. s. w. In den Privilegien des Adels von 1723 wird versichert, daß das Adelsfahnenregiment nicht außerhalb der Grenzen Schwedens und Finlands verwendet werden soll. Die Privilegien des Bauernstandes von 1789 sind ausgefertigt unter dem Titel: Versicherung und Bestätigung der Freiheiten und Rechte des schwedischen und finnischen Bauernstandes, u. s. w.

Das schwedische Recht war also für Finland nicht ein fremdes Recht, es war ein gänzlich einheimisches geworden, unter Mitwirkung von Vertretern des Landes entwickelt und auch bei der großen rein finnischen Mehrzahl der Bevölkerung eingewurzelt.

§ 2. Die Vereinigung Finlands mit Rußland. Durch die Friedensschlüsse von 1721 und 1743 wurden die südöstlichen Gebietstheile Finlands (ungefähr der heutigen Provinz Wiburg entsprechend) an Rußland abgetreten. Der Haupttheil Finlands verblieb in der oben angegebenen Stellung als Glied des schwedischen Staates, bis der in den Jahren 1808 und 1809 geführte Krieg zwischen Rußland und Schweden, nebst damit in Zusammenhang stehenden Ereignissen, diesem Verhältniß ein Ende machte.

Im Februar 1808 rückten russische Truppen in Finland ein; sie waren bald tief ins Land gedrungen. Im Verlaufe des Sommers gelang es wohl den Vertheidigern, eine Reihe von Siegen zu erfechten und das russische Heer nicht unbedeutend zurückzudrängen; bei Anbruch des Herbstes änderte sich aber wieder das Waffenglück. Der Widerstand ward gebrochen, die schwedischen und finnischen Truppen mußten sich nordwärts ziehen und laut einer im November geschlossenen Konvention das Land vollständig räumen.

Die Absicht des Kaisers Alexander I., Finland zu erobern, war schon zu Anfang des Krieges durch verschiedene Proklamationen, welche die Bevölkerung zur Unterwerfung aufforderten, kundgegeben. In einem Rundschreiben an die europäischen Mächte vom 16. (28.) März ward ihnen die Vereinigung Finlands mit Rußland angezeigt, und ein Manifest an das russische Volk vom 20. März (1. April) verkündete die Besitznahme des Landes. Daß anfänglich der Plan gehegt worden, das zu erobernde Land als russische Provinz zu inkorporiren, ergiebt sich aus Aktenstücken jener Zeit. Aber schon in einem am 5. Juni 1808 an die Einwohner Finlands erlassenen Manifeste spricht sich der Kaiser in einigermaßen anderem Sinne aus. Nebst der Erklärung, daß Finland auf immer mit Rußland vereinigt sei, verheißt nämlich der Kaiser, daß die alten Gesetze des Landes heilig gehalten werden sollen. Da der Ausgang des Krieges zur Zeit der Ausfertigung dieses Manifestes bei weitem noch nicht entschieden war, ist dasselbe allerdings nicht als grundlegende Rechtsurkunde zu betrachten. Es enthält aber den Keim der Politik, welche der Sieger schließlich Finland gegenüber befolgte.

Der Kaiser wollte seine Absichten in Bezug auf Finland durchführen, ohne den|247| Friedensschluß mit Schweden abzuwarten. Er ließ der Bevölkerung den Unterthaneneid abfordern, und in manchen Landestheilen fügte man sich darein. Später erließ er den Befehl, Deputirte der Stände zu wählen, die nach St. Petersburg kommen sollten, um ihn über den Zustand und die Bedürfnisse des Landes in Kenntniß zu setzen. Es bedurfte allerdings wiederholter Aufforderungen, ehe die Wahlen zu Stande kamen. Je nach dem aber die Ueberzeugung sich verbreitete, daß die Trennung Finlands von Schweden nicht mehr ein bloß vorübergehender Zustand sei, ward in den meisten Orten zu den Wahlen geschritten, und gegen Ende des Jahres 1808 trafen die Deputirten in der russischen Hauptstadt ein.

In der ersten Audienz beim Kaiser überreichte die finnische Deputation ihm eine Denkschrift, worin die Bestimmungen der Grundgesetze bezüglich der Landesvertretung in Kürze dargelegt waren und urkundlich deren zugleich erklärt wurde, daß diese Deputation, welche nicht in gesetzlicher Ordnung gewählt noch zusammengesetzt sei, auch aller Befugniß ermangele, das Land zu vertreten oder über Fragen zu verhandeln, die die Mitwirkung der Landstände erheischten. Nur durch Berufung der Stände, so schloß die Denkschrift, werde Se. Majestät die Stimme der Nation vernehmen können.

Auf diesen Antrag der Deputation Rücksicht zu nehmen, war dem Sinne des Manifestes vom 5. Juni nicht zuwiderlaufend. Der Kaiser erließ am 1. Februar (20. Januar) 18092In Finland wird der neue Styl der Zeitrechnung befolgt. Bei den dort zu promulgirenden Urkunden jedoch, die vom Kaiser selbst unterschrieben werden, pflegt man das Datum nach sowohl dem alten wie dem neuen Style anzugeben. den Befehl, daß laut der Verfassung des Landes ein allgemeiner Landtag in der Stadt Borgo, den 22. (10.) März, abgehalten werden solle, und daß die Stände sich dort, in Uebereinstimmung mit den Vorschriften der Reichstagsordnungen, zu versammeln haben. – Um den Landtag in eigener Person zu eröffnen, begab sich der Kaiser nach Borgo, wo er am Tage seiner Ankunft, den 27. (15.) März 1809 folgende ”Versicherung an die sämmtlichen Einwohner Finlands” unterschrieb:

”Wir Alexander I., von Gottes Gnaden Kaiser und Selbstherrscher über ganz Rußland 2c. 2c. 2c.; Großfürst von Finland 2c. 2c. Geben kund: Nachdem Wir, mit Willen der Vorsehung, das Großfürstenthum Finland in Besitz genommen, so haben Wir die Religion und Grundgesetze des Landes sammt den Privilegien und Rechten, welche ein jeder Stand im erwähnten Großfürstenthum für sich, und alle dessen Einwohner überhaupt, gemäß der Konstitution genossen, hiermit bestätigen und befestigen wollen: Gelobend alle diese Vortheile und Verfassungen fest und unverrückt in ihrer vollen Kraft zu bewahren. Dieses nachdrücklich zu bekräftigen, haben Wir diese Versicherungs-Akte mit Unserer eigenhändigen Unterschrift versehen: Gegeben in Borgo den 15. (27.) März 1809.

Alexander.”

Ein Zeremoniell, mit den Gebräuchen bei den schwedischen Reichstagen übereinstimmend, ward ausgefertigt, und am 28. März fand die Eröffnung im sogenannten Reichssaale statt. Ein jeder der Präsidenten der vier Stände hielt eine Ansprache an den Kaiser, wobei namentlich die Rede des Landmarschalls (Präsidenten des Adels) hervorhob, daß der Kaiser jetzt zum ersten Mal den Thron in diesem Großfürstenthum eingenommen.

Nachdem der Landtag somit eröffnet worden und die Stände sich gesetzlich konstituirt hatten, fand am folgenden Tage die feierliche Huldigung des Kaisers und Großfürsten und die Ueberlieferung der oben angeführten Versicherungs-Akte in der Domkirche statt. Der von den Ständen dem Kaiser bei dieser Gelegenheit geleistete Eid erfolgte|248| laut festgestelltem Formular, welches im Wesentlichem dem im alten Landgesetze von 1 442 vorgeschriebenen entsprach, aber außerdem die Verpflichtung enthielt, die Konstitution des Landes aufrecht zu erhalten. Die bereits erwähnte Versicherungs-Akte des Kaisers ”die Konstitution Finlands in Kraft zu bewahren” – wie es im Zeremoniell heißt – ward verlesen und den Ständen in der Person des Landmarschalls übergeben. Wie bei der Königshuldigung in Schweden gebräuchlich gewesen, trat dann ein adeliger Herold vor den Thron mit dem Ausrufe: ”Es lebe Alexander I, Kaiser aller Russen und Großfürst von Finland”!3Es möge hier daran erinnert werden, daß der König von Schweden, Gustav IV. Adolf, kurz vor Eröffnung des Landtages in Borgo entthront worden war.

Einige Tage später, am 4. April (23. März) 1809, erließ der Kaiser eine ”Kundmachung an sämmtliche Einwohner Finlands”, des Inhalts: daß der Kaiser, indem er die Stände Finlands zu einem allgemeinen Landtage versammelt und ihren Eid der Treue empfangen, bei dieser Gelegenheit durch eine feierliche, im Heiligthum des Höchsten verkündete Akte die Religion und Grundgesetze des Landes bestätigt habe, und daß er den Eid der Stände als alle Einwohner Finlands verpflichtend ansehe.

Die Stände empfingen vom Kaiser und Großfürsten vier Vorlagen, nämlich betreffend:

1. Die Organisation der Regierung des Landes oder Einrichtung eines Regierungs-Conseils;

2. die Steuern und Finanzen;

3. die Militär-Organisation;

4. das Münzwesen.

Die Stände ihrerseits brachten durch Petitionen eine Menge Gegenstände unter die Prüfung der Regierung. – Die Arbeiten und Beschlüsse des Landtages trugen sehr wesentlich dazu bei, die Schwierigkeiten beim Uebergang zu den neuen Verhältnissen zu ebenen.

Der Landtag wurde am 18. (6.) Juli 1809 geschlossen. Der Kaiser hatte sich aus diesem Anlaß wieder in Borgo eingefunden und richtete dabei an die Stände, in französischer Sprache, eine Rede, in welcher der Souverain, nach einem Rückblick auf den bedeutsamen Zweck des Landtages und die ungestörte und unbeeinflußte Selbständigkeit der Verhandlungen desselben, seine Wünsche für das zukünftige Wohl des Landes aussprach und dabei das finnische Volk als ”placé désormais au rang des nations” bezeichnete.

Aus dem oben Angeführten wird ersichtlich sein, daß hauptsächlich folgende Momente für den rechtlichen Charakter der Vereinigung Finlands mit Rußland maßgebend sind.

Erstens: Des Kaisers von den Landständen empfangene Bestätigung der bisher in Finland geltenden Grundgesetze, welche laut ausdrücklichen Bestimmungen derselben nicht einseitig, d. h. nicht ohne die Zustimmung der Stände, verändert oder aufgehoben werden können. Die in diesen, für den ganzen schwedischen Staat erlassenen Grundgesetzen enthaltene Verfassung war aber die Konstitution eines Staates, nicht eine Provinzialordnung; nur in einem Staatswesen konnte diese Verfassung verwirklicht werden. So hat es auch Alexander I. sofort aufgefaßt: er hat in Finland einen großfürstlichen Thron errichtet, das finnische Volk als Nation bezeichnet, das von ihm eroberte Land als Staat anerkannt. Die Entschiedenheit dieser Auffassung tritt auch aus späteren, als den zum Landtage in Borgo gehörenden, Aktenstücken hervor. So z. B. sagt der Kaiser im Eingang des am 6./18. August 1809 erlassenen Statuts des Regierungs-Conseils: ”Parmi les moyens d’assurer la prospérité de la Finlande, l’établissement d’une admini|249|stration générale Nous a paru d’une nécessité urgente. II importait an dien-Stre de Etat, que les administrations provincielles cussent un point central, un tribunal supérieur, qui put les diriger, maintenir l’unité des principes” etc.4Das erwähnte Statut ist in französischem Texte sanktionirt worden.. In einem Manifest vom 15/27 März 1810 heißt es: ”Du moment que la Providence Nous a remis le sort de la Finlande, Nous résolümes de gouverner ce pays comme une nation libre et jouissant des droits que sa constitution laut garantit. – – – Tous les actes émanés jusqu’ici pour l’administration intérieure de ce pays ne sont qu’une suite et une application de ce principe: le maintien de la religion et des lois, la réunion de la Diete, la formation du Conseil de Régence au sein de la nation, la conservation intacte de l’ordre judiciaire et administratif, en sont des preuves, qui dolvent assurer à la nation finnoise les droits de son eristence politique”.5Auch dieser Auszug ist dem sanktionirten Texte entnommen.

Zweitens: Indem die Stände dem Kaiser Alexander als Großfürsten von Finland huldigten, war dieser Akt in der vorhandenen Sachlage eine das finnische Volk. für alle Zukunft verpflichtende Anerkennung dessen, daß es fortan ein dem Kaiser Rußlands zukommendes Recht sei, als Großfürst von Finland die Herrschergewalt in diesem Lande auf Grundlage der bestätigten Konstitution auszuüben.

Die Vereinigung ward also nicht eine Inkorporation in Rußland, sie gestaltete sich als eine Union des Großfürstenthums Finland mit dem russischen Kaiserthum.

Erst am 17. September 1809 kam der Friedensschluß zwischen Rußland und Schweden, durch welchen das Aufhören aller Rechte und Ansprüche des Königs von Schweden auf das vom Kaiser Alexander eroberte Gebiet bestätigt wurde, zu Stande, also nachdem die rechtliche Stellung Finlands in oben angeführter Weise von dem Kaiser, unter Beiziehung der von ihm ausdrücklich als die gesetzlichen Vertreter des Landes bezeichneten Stände, geordnet worden. Diese vollzogene Thatsache ward im Friedensvertrage nur andeutend erwähnt. Die Gründung des finnischen Staates, welche mit der unwiderruflichen Vereinigung Finlands mit Rußland zusammenhing, hatte selbstverständlich nicht die Entstehung eines besonderen völkerrechtlichen Subjekts bezweckt und wurde deßhalb nicht als Gegenstand der Vereinbarung mit einer fremden Macht oder als eine der internationalen Anerkennung zu unterwerfende Angelegenheit behandelt.

II. Kapitel. Rechtsquellen.

§ 3. Gesetze. Die legislativen Quellen des finnischen Staatsrechts lassen sich in folgende Kategorien scheiden:

I. Zunächst die Grundgesetze. Die allgemeinen Grundgesetze sind:

a) Die Regierungsform (Regerings-Formen) vom 21. August 1772, die Haupturkunde für die Konstitution des Landes. Durch dieses Gesetz wurden alle vom Jahre 1680 an erschienenen Grundgesetze für aufgehoben erklärt, woraus gefolgert wurde, daß ältere staatsrechtliche Normen, insofern der Gegenstand derselben nicht durch die Regierungsform selbst geregelt worden, wieder beachtet werden sollten. Ausdrücklich wird in der Regierungsform auf das ”Königsbuch” (Konunga-Balken) des allgemeinen Landgesetzes von 1442 hingewiesen. In der That sind etliche Bestimmungen dieses Gesetzes fortwährend die Rechtsquelle für gewisse Fragen.

b) Die Vereinigungs- und Sicherheitsakte (Förenings- och Säkerhets|250|akten) vom 21. Februar und 3. April 1789, welche verschiedene Theile der Regierungsform veränderten, namentlich in der Richtung, die Machtbefugnisse des Königs zu erweitern.

Bei Benützung dieser Rechtsquellen sind solche Veränderungen zu beachten, welche in Folge der Vereinigung Finlands mit Rußland ipso facto sich geltend gemacht haben.

c) Die Landtagsordnung (Landtdagsordningen) vom 15. (3.) April 1869, ein Gesetz, welches nicht nur, seiner Hauptaufgabe gemäß, die unzulänglichen älteren Gesetze über die Volksvertretung ersetzt und entwickelt hat, sondern auch andere Theile des Verfassungssystems betreffende Bestimmungen enthält.

Grundgesetze speziellen Inhaltes sind:

d) Das Gesetz vom 21. Februar 1789, nebst dem dadurch von neuem zur Gültigkeit erhobenen Gesetze vom 19. September 1723 und das Gesetz vom 2. April 1864, welche das Recht am ländlichen Grundbesitz normiren, und

e) verschiedene Paragraphen des Wehrpflichtgesetzes vom 27. Dezember 1878, denen, indem sie die Hauptbestimmungen über diesen Gegenstand enthalten, durch besondere legislative Verfügung grundgesetzliche Kraft und Bedeutung beigemessen worden ist.

Ferner gehören selbstverständlich zu diesem Gebiete:

f) Gesetze, durch welche partielle Veränderungen in den bestehenden Grundgesetzen eingeführt worden. Von den Gesetzen dieser Art sind besonders zu erwähnen: das Statut des Regierungs-Conseils vom 18. August 1809, welches zwar auch reglementarische Vorschriften enthält, dessen Hauptbestimmungen aber an die Stelle der Bestimmungen der Regierungsform von 1772, die centralen Behörden betreffend, getreten sind, und das Gesetz vom 16. Juli 1886, welches bestimmt, daß auch den Ständen das Recht der Initiative in der Gesetzgebung zukommen soll.

II. Die Standesprivilegien. In älterer Zeit wurden Privilegien vom Könige auf Grundlage einer Verabredung mit dem betreffenden Stande, also nicht im Wege der normalen Gesetzgebung, ausgefertigt. Die Regierungsform von 1772 statuirt aber, nebst Gültigkeitserklärung der älteren Privilegien, daß fortan keinem Stande neue Privilegien verliehen werden konnten ohne die Zustimmung sämmtlicher vier Stände6Schon die Regierungsform von 1720 enthielt eine ähnliche Bestimmung.. Die neuere Gesetzgebung hat den sozialen Standesvorrechten größtentheils ein Ende gemacht, zum Theil dadurch, daß Bestimmungen, welche früher zu den Privilegien gehörten, gemeinrechtliche Geltung erhalten. Die betreffenden Gesetze sind: die Privilegien des Adels und des geistlichen Standes, beide von 1723, die der Bürgerschaft und den Städten gegebene Versicherung von 1789, und die Bestätigung der Freiheiten und Rechte des schwedischen und finnischen Bauernstandes vom nämlichen Jahre.

III. Reichstagsbeschlüsse aus der Zeit 1772–1808 sind auch unter den staatsrechtlichen Quellen zu erwähnen. Es wurden nämlich etliche Fragen, mit Zustimmung des Königs, durch Ständebeschlüsse geregelt, und denselben, ohne Promulgation in Gesetzesform, die Kraft des Gesetzes zuerkannt.

IV. Die allgemeinen Gesetze. Zu dieser Kategorie gehören Civilgesetz, Strafgesetz und überhaupt alle unter Mitwirkung der Volksvertretung zu Stande gekommenen Gesetze, die nicht unter die oben angeführten Kategorien fallen. Die wichtigste dieser Quellen ist der große Codex, das allgemeine Gesetz von 1734, nebst seinem Appendix von zahlreichen in späterer Zeit erschienenen Abänderungsgesetzen. Obgleich eigentlich das Civil-, Straf- und Prozeßrecht, nebst Theilen des materiellen Verwaltungsrechts, umfassend, enthält doch das Gesetz von 1734 auch Bestimmungen von Bedeutung in staatsrechtlicher Hinsicht.

V. Verordnungen. Für gewisse Seiten des öffentlichen Rechts ist der Inhalt zu schöpfen aus den zahlreichen Verordnungen, welche vom Monarchen auf Grund der ihm namentlich für Zwecke der Verwaltung zukommenden legislativen Befugniß ohne Mitwirkung der Stände erlassen und im materiellen Sinne Gesetze sind71) In Schweden war früher die Anwendung des Namens Gesetz (lag, lex) auf ganze Codices – so wie das Landgesetz, das Stadtgesetz, das allgemeine Gesetz von 1734, das Seegesetz, das Kirchengesetz – beschränkt. Solche Gesetze aber, welche nur einen begrenzten Gegenstand betrafen oder theilweise Aenderung eines allgemeinen Gesetzes bezweckten, hießen gewöhnlich nur Verordnung (förordning). Letztere Bezeichnung wurde, neben einer Menge anderer (z. B. kungörelse, plakat, stadga, reglemente), auch für die von der Regierung allein erlassenen Gesetzesvorschriften angewandt. Diese Praxis wird auch in Finland befolgt, doch hat sich in letzterer Zeit die Tendenz geltend gemacht, den Namen Gesetz (lag, finnisch laki) für alle unter Mitwirkung der Stände geschaffenen Gesetze, welche sich nicht abändernd oder ergänzend andern Gesetzen anschließen, sondern einen selbständigen, in sich abgegrenzten Gegenstand behandeln, in Anspruch zu nehmen. Wir haben es für zweckmäßig erachtet, in der vorliegenden Darstellung des finnischen Staatsrechts, mit Anschluß an die Terminologie und die begriffliche Unterscheidung, die in Deutschland sowohl in der Literatur als in Verfassungsurkunden vorkommt, immer als Gesetz zu bezeichnen, was auf Beschluß der Volksvertretung gegründet ist, und als Verordnung jeglichen legislativen Erlaß der Regierung allein..

VI. Schließlich stellt sich hier noch die Frage, ob es nicht auch russische Gesetze giebt, die zu den Quellen des finnischen Staatsrechts zu zählen seien. Da die Rechtsgültigkeit der Gesetze des russischen Kaiserthums sich nicht auf das Großfürstenthum Finland erstreckt und finnische Rechtsfragen also nicht durch russisches Gesetz geregelt werden können8Gewisse Gegenstände sind, zufolge der durch die Vereinigung Finlands mit Rußland entstandenen gegenseitigen Beziehungen, in beiden Ländern in übereinstimmender Weise geregelt worden. Nach Vereinbarung zwischen den beiderseitigen Regierungsbehörden sind Verordnungen gleichen Inhaltes in beiden Ländern erlassen worden; also nicht ein einheitlicher oder gemeinschaftlicher Gesetzgebungsakt, sondern besondere, wenngleich identische Gesetze für die beiden Rechtsgebiete., ist die angeführte Frage negativ zu beantworten, soweit sie sich auf die inneren Verhältnisse Finlands bezieht. Was aber die Stellung Finlands zu Rußland betrifft, sind die darauf bezüglichen Momente des russischen Gesetzes jedenfalls bei der Interpretation zu berücksichtigen und werden dieselben weiterhin angeführt.

§ 4. Gewohnheitsrecht. In einem Staate wie Finland, dessen Konstitution in verschiedenen, zum Theil sehr alten Urkunden verwahrt ist, kann es für jede Frage, die einer staatsrechtlichen Normirung bedarf, ein geschriebenes Wort nicht geben. Deßhalb sind Rechtsnormen, die durch die Praxis geltend geworden, hier von größerer Bedeutung als in Ländern mit einer modernen, systematisch und ausführlich abgefaßten Verfassungsurkunde.

Die Wurzeln des heutigen Rechts erstrecken sich tief in die Vergangenheit zurück. Es sind in dem schwedischen Staatsleben keine so durchgreifende Umstürzungen oder Neuerungen vorgekommen, daß mit dem traditionellen Rechte je gänzlich gebrochen worden wäre. Die ältere Rechtsauffassung hat daher auf jeder Entwickelungsstufe eine große Bedeutung gehabt. Sowohl für die Interpretation des geschriebenen Rechtes als für die Erkenntniß, ob einer auf Gewohnheit beruhenden Regel Gültigkeit zuzumessen sei, kann nur das Licht der Geschichte Leitung bieten. Diese Leitung der Geschichte – wobei hier selbstverständlich nicht an kasuistische Präzedenzfälle, sondern an die erforschte und bewährte Rechtsauffassung der verschiedenen Zeitalter gedacht wird – hat für das Verständniß des Staatsrechtes ein größeres praktisches Gewicht in Finland, als in Schweden, weil in Schweden in den Jahren 1809 und 1810 neue, sehr vollständig abgefaßte Verfassungsurkunden an Stelle der älteren Grundgesetze geltend wurden, wogegen diese in Finland, nach der Lostrennung von Schweden, fortwährend in Kraft geblieben sind und die Hauptquelle des finnischen Staatsrechtes ausmachen.

Zweiter Abschnitt. Die Elemente des Staates: Land und Volk.

I. Kapitel. Das Staatsgebiet.

§ 5. Umfang, Eintheilung und Einheit des Staatsgebietes. Das Gebiet, auf welches der König von Schweden durch den Friedensvertrag von 1809 verzichtete und welches vom Kaiser Alexander I. schon vor dem Friedensschlusse als konstitutionelles Großfürstenthum Finland mit Rußland vereinigt worden, bestand aus den nach 1743 in schwedischem Besitz verbliebenen finländischen Landschaften nebst dem Theile der schwedischen Landschaft Westerbotten, welcher östlich von den Grenzflüssen Torneo und Muonio gelegen ist. Durch ein Manifest vom 23. (11.) Dezember 1811 verordnete der Kaiser, daß diejenigen Theile von Finland, welche in den Jahren 1721 und 1743 an Rußland gekommen waren und seither das ”finländische Gouvernement” des russischen Staates ausgemacht, dem Großfürstenthum Finland einverleibt und als die Provinz Wiburg dieses Landes bezeichnet werden sollten. In dem genannten Manifeste und namentlich in der Verordnung vom 31. Dezember 1811 wurden nähere Bestimmungen betreffend die Durchführung jener Einverleibung erlassen, durch welche die fragliche Provinz ein integrirender Theil des finnischen Staates geworden ist.

Finland ist im Süden durch den finnischen, im Westen durch den bottnischen Meerbusen begrenzt. Im Nordwesten und theilweise im Norden sind Schweden und Norwegen die Grenzländer; hier ist die Grenzlinie Finlands, weil Finland in völkerrechtlicher Hinsicht ein Glied des russischen Reiches ausmacht, zugleich die Reichsgrenze. Auf den übrigen Seiten ist Finland von russischem Gebiete umgeben. Der Flächeninhalt beträgt 373 604 Quadratkilometer.

In Bezug auf die allgemeine Verwaltung ist das Staatsgebiet in 8 Provinzen (län) eingetheilt.

Das Staatsgebiet soll als ein einheitliches Ganzes erhalten werden, so daß weder Stücke desselben abgetreten, noch aus Theilen des Landes Lehnsherrschaften gebildet werden dürfen9A.-L.-G. von 1442, Kap. 2 u. 4 des Königsbuches, R.-F. §§ 33 u. 34..

II. Kapitel. Das Volk.

§ 6. Die Staatsangehörigen. In der Regel sind Alle, die sich auf dem Gebiete Finlands aushalten, der finnischen Staatsgewalt unterworfen. Dieses Verhältniß ist, was Ausländer betrifft, nur vorübergehender Art, es erlischt selbstverständlich mit dem Verlassen des Gebietes. Diejenigen aber, welche der finnischen Staatsgewalt dauernd unterworfen sind, sind finnische Unterthanen, gleichviel ob sie sich im Lande oder außerhalb desselben aufhalten. Der Inbegriff der Unterthauen ist das Volk10Zu Ende des Jahres 1886 betrug die Einwohnerzahl Finlands 2 232 378. In der Einleitung wurde erwähnt, daß in Finland seit alter Zeit neben den Finnen auch Schweden gewohnt. Die Abkömlinge der Schweden haben allgemein ihre Sprache beibehalten. Irgendwelche Ungleichheit in rechtlicher Hinsicht begründet die sprachliche und ethnographische Verschiedenheit nicht.

Die allgemeinen Pflichten der Unterthanen sind in Finland die auch in anderen Staaten gewöhnlichen: Treue und Gehorsam. In der Natur der Sache liegend, ist dies auch in dem Gesetze ausdrücklich ausgesprochen. So heißt es am Schlusse der R.-F. von 1772 (beinahe wörtlich wie im A.-L.-G. von 1442):

”Wir (die Stände und mit ihnen das ganze Volk) sollen auch laut unserer Eidespflicht und dieser Regierungsform Sr. Königl. Majestät den rechten Gehorsam halten, Seine Befehle vollziehen so weit es vor Gott und Menschen Ihm geziehmend ist zu befehlen und uns zu thun, auf alles Recht haltend, das Seinige wie das Unfrige, also wie es getreuen Männern und Unterthanen zukommt.”

Daß der Gehorsam, der den Unterthanen obliegt, ein verfassungsmäßiger Gehorsam ist, erhellt schon aus den angeführten Worten. Und die Pflicht der Treue gegen den Monarchen begreift in sich die Verpflichtung, auch die Interessen des Landes und Volkes zu wahren. Ein Jeder, der in Finland den Unterthaneneid leistet, verspricht dabei Sr. Majestät huld und getreu zu sein, ”so daß ich den Nutzen und das Wohl Sr. Kaiserl. Majestät und des Landes in jeder Hinsicht suchen und fördern soll”11Diesem entsprechen die strafgesetzlichen Bestimmungen wegen Verrath. Nicht nur gegen den Monarchen, sondern auch gegen das Land gerichtete verbrecherische Handlungen werden als Verrath, d. h. Verletzung der Pflicht zur Treue, bestraft. Eine Folge der Vereinigung Finlands mit Rußland ist, daß auch solche Handlungen, welche eine Schädigung der Machtstellung Rußlands, fremden Mächten gegenüber, bezwecken, in Finland als verrätherisch betrachtet werden müssen. Auch sind, in dem von den Ständen Finlands in diesem Jahre (1888) angenommenen Entwurfe eines neuen Strafgesetzes Verbrechen, welche gegen ”das Recht oder die Sicherheit Finlands oder Rußlands” gerichtet sind, gleicher Strafe unterworfen..

Eine Folge der Pflicht zur Treue ist, daß ein finnischer Unterthan nicht in den Dienst einer fremden Macht treten darf, wenn er nicht dazu die Erlaubniß des Souverains erhalten hat. Dies ist auch in den Gesetzen angedeutet.

Es besteht, aus den Zeiten her als der König gewählt wurde, noch die Sitte, jedem neuen Souverain bei der Thronbesteigung den Unterthaneneid zu leisten, obgleich selbstverständlich ist, daß die Unterthanen auch ohne den Eid zur Treue verpflichtet wären, ebenso wie die Pflicht des Souverains, nach den Gesetzen zu regieren, nicht in der von ihm bei dem Regierungsantritt ausgefertigten Regentenversicherung ihren Grund hat.

§ 7. Das Staatsbürgerrecht in Finland. I. Wer in Finland Unterthan ist, besitzt auch das Staatsbürgerrecht, d. h. er kann kraft eigenen Rechtes beanspruchen, Rechte laut den Gesetzen des Landes zu genießen.

Damit ist der Unterschied zwischen der Stellung des Staatsbürgers und derjenigen des Ausländers bezeichnet. Es war dies bereits die Rechtsauffassung der älteren Zeiten. Aus manchen Stellen des A.-L.-G. von 1442 geht hervor, daß das Gesetz, indem es Rechte zugestand und Interessen schützte, sich nur auf die Angehörigen des eigenen Volkes bezog. Den Ausländern sind allmählich verschiedene Vortheile in Finland eingeräumt worden, aber der Grundsatz, daß nur die Staatsbürger auf Vortheile laut finnischem Gesetze ein Recht besitzen, ist nicht aufgehoben.

II. Der Grundsatz, daß das Staatsbürgerthum mit der Unterthanenschaft zusammenfällt, schließt in sich Folgendes ein:

a) Jeder finnische Unterthan ist persönlich frei; es kann keine rechtlosen finnischen Unterthanen geben.

In alter Zeit gab es in Schweden außer den Freien, d. h. den Staatsbürgern, Unfreie oder Knechte. Aber schon zu Beginn der Zeit, als schwedische Rechtsordnung in Finland geltend geworden, im Jahre 1335, ward die Knechtschaft vollständig abgeschafft. Auch die andere Form der Unfreiheit, die Leibeigenschaft, ist Finland fremd geblieben. Als noch im Jahre 1789 die V. u. S. A. erklärte, daß alle Unterthanen gleich frei sind, war dies nicht eine für praktische|254| Zwecke gegebene neue Rechtsregel, sondern eine Art, die erwähnte Urkunde mit einer Erinnerung an jene alte Errungenschaft zu schmücken. Zu praktischer Anwendung ist der fragliche Grundsatz indessen jedoch in späterer Zeit noch gekommen. Während die Provinz Wiburg von dem übrigen Finland getrennt war und ein zum russischen Kaiserthum gehörendes Gouvernement ausmachte, hatten russische Gutsbesitzer nach ihren Gütern in dieser Landschaft aus dem eigentlichen Rußland Leibeigene übergeführt, deren Eigenschaft, Leibeigene zu sein, durch die Ueberführung nicht verändert ward. Als aber die Provinz Wiburg durch das Manifest von 1811 mit dem übrigen Finland wiedervereinigt und der Verfassung Finlands theilhaftig geworden war, konnten jene zu den Einwohnern der Provinz gezählten Leute nicht mehr Leibeigene verbleiben: das Recht zur persönlichen Freiheit mußte sich auch auf sie erstrecken.

b) Jeder finnische Unterthan ist berechtigt, sich im Lande aufzuhalten. Er kann also nicht einmal in dem Falle, daß er auf dem Gebiete eines andern Staates ein Verbrechen begangen, an die Behörden dieses Staates ausgeliefert werden.

c) Jeder finnische Staatsbürger kann auf Schutz für seine Person und seine Rechte Anspruch machen. – Dieser Satz ist in den Grundgesetzen mehrfach ausgesprochen.

Hieraus folgt, daß Gerichte und andere Behörden sich nicht weigern dürfen, Meldungen, Gesuche und Beschwerden von Einzelnen zu empfangen. Inwiefern eine sachliche Prüfung des Anliegens stattzufinden hat, hängt selbstverständlich von der gesetzlichen Befugniß der betreffenden Behörde ab.

Hiemit hängt zusammen:

d) Der berechtigte Anspruch jedes finnischen Unterthanen auf Entgegennahme seiner Gesuche oder Bittschriften, auch wenn sie die Erlangung solcher Vortheile bezwecken, welche er nicht als ein ihm zukommendes Recht beanspruchen kann, die ihm aber vergönnt werden können.

Bei der Ausübung dieses Petitionsrechts des einzelnen Staatsbürgers ist die durch verschiedene Gesetze und Verordnungen dafür festgestellte Ordnung zu beobachten.

III. Außer den erwähnten Rechten, welche zu dem Wesen des Staatsbürgerthums gehören, giebt es nach den finnischen Gesetzen noch andere Rechte, die nach der gewöhnlichen Kategorisierung als Freiheits- oder Grundrechte zu bezeichnen sind12Ueber die Natur dieser Rechte siehe z. B. Gaupp in diesem Handbuche, III. Band, 1. Halbb., 2. Abth. S. 24..

Die Grundgesetze13Es möge bemerkt werden, daß die Form, in welcher die Grundgesetze Finlands die fraglichen Rechte sicherstellen, nicht die nämliche ist, wie in den modernen Verfassungsurkunden. Diese Rechte sind in der Regierungsform nicht systematisch aufgezählt, sondern hauptsächlich in den die Pflichten des Souverains betreffenden Bestimmungen enthalten. garantieren:

a) die äußere Freiheit der Bürger gegen jede im Gesetze nicht vorhergesehene Verhaftung14R.-F. §§ 2 u. 15..

b) daß Niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Es heißt in der R.-F. § 16:

”Alle richterlichen Kommissionen und Deputationen oder außerordentlichen Gerichte, sei es vom Könige oder von den Ständen eingesetzt, sind für die Zukunft abgeschafft weil Autokratie und Tyrannei fördernd; sondern es soll jeder Mann das Recht genießen, von dem Gerichte, unter welches er nach dem Gesetze gehört, gerichtet zu werden15Bezüglich der Abfassung dieses Paragraphen der Regierungsform ist daran zu erinnern, daß der schwedische Reichstag während der sogenannten Freiheitszeit, 1719–1772, durch seine Deputationen oder Ausschüsse nicht selten in die Sphäre der Gerichte eingegriffen hatte.”.

c) daß erworbene Rechte nicht verletzt werden dürfen. § 39 der R.-F. erklärt daß ein Jeder ”seine gesetzlichen Rechte und wohlerworbenen Privilegien genießen soll”.

Diese Rechte umfassen zunächst die gewöhnlichen Vermögensrechte, deren auch gedacht ist in § 2 der R.-F. und § 2 der V. u. S. A., welche den Souverain verpflichten das Eigenthum eines Jeden zu achten und zu schützen.

Weiter gehören hierher die Realprivilegien. Es war ursprünglich ein Vorrecht des Adels, daß die Residenzgüter desselben (säterier) von allen Abgaben an den Staat und die adeligen Nebengüter (frälsehemman) von einem Theil dieser Abgaben befreit waren. Nunmehr können aber diese Güter von einem Jeden erworben werden, und da die gänzliche oder theilweise Steuerfreiheit derselben dennoch fortbesteht, ist sie ein reines Realprivilegium geworden. Es ist grundgesetzlich garantiert, daß das einmal festgestellte Grundsteuermaß der steuerpflichtigen Grundstücke nicht wegen der durch Urbarmachung gewonnenen neuen Kulturen erhöht wird.

Zu den grundgesetzlich garantierten erworbenen Rechten gehören auch gewisse, den Staatsbeamten zukommende Rechte, wovon weiterhin das Nähere.

Die Unverletzlichkeit der erworbenen Rechte unterliegt einer Einschränkung durch die gesetzliche Expropriation. Laut dem Gesetz vom 12. Dezember 1864 sind Besitzer von Grundstücken verpflichtet, ihr Eigenthum für öffentliche Zwecke gegen vollen Ersatz abzutreten16Bestimmungen betreffend die Expropriation enthalten auch die Gesetze vom 23. März 1868 über das Wasserrecht, vom 15. Januar 1883 über Wege und Brücken, und vom 12. November 1883 über die Beförderung von Reisenden und der Post. Die Prüfung, inwiefern die für Expropriation nöthigen Voraussetzungen vorhanden sind, kommt den Organen der Regierung zu. Kann man sich über den Betrag des Ersatzes nicht vereinbaren, entscheidet darüber das Gericht.

d) das gleiche Recht eines jeden finnischen Staatsbürgers, privaten ländlichen Grundbesitz jeglicher Art zu erwerben.

Die Schranken, welche in dieser Hinsicht zu Folge der Vorrechte des Adels früher bestanden, sind zum Theil durch die V. u. S. A. § 3 und schließlich durch ein Gesetz vom 2. April 1864 vollständig beseitigt worden.

e) die Gleichstellung Aller vor dem Gesetze. Es wird in der V. u. S. A. § 2 erklärt, daß Alle, unter dem Schutze der Gesetze gleiches Recht genießen sollen. Diese Erklärung bezog sich jedoch nicht auf die politischen Rechte, noch sollten durch dieselbe alle Sonderrechte der verschiedenen Stände aufgehoben werden. Der Sinn des angeführten Paragraphen ist, daß das Recht eines Jeden, sei er vornehm oder gering, reich oder arm, vor dem Gericht nach gleichem Maße gemessen werden soll. – Das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetze, in weiterem Sinne aufgefaßt, hat sich aber in der neuern Gesetzgebung immer mehr verwirklicht: so ist z. B. aus den neuern Steuergesetzen jegliche Berücksichtigung von Standesvorrechten verbannt.

IV. Schließlich sind, wegen ihrer Bedeutung für das öffentliche Recht, noch folgende Rechte hier zu erwähnen, obgleich sie nicht durch die Grundgesetze besonders oder unmittelbar garantiert sind.

a) Das Recht des Hausfriedens. Das A.-G. von 1734 gestattet die Hausdurchsuchung nur wegen verdächtigen Diebstahls und unter den im Gesetz bezeichneten Umständen17Analog damit ist die später ertheilte Ermächtigung, auf gegründeten Verdacht nach geschmuggelter Waare und gesetzwidrigem Branntweinvorrath zu suchen.; und es enthält besonders strenge Strafbestimmungen für den Fall, daß Jemand in das Haus oder Schiff eines Anderen dringt um ihm oder einem Dritten, der dorthin seine Zuflucht genommen, Schaden zuzufügen.

b) Die Gewissensfreiheit bezw. Glaubensfreiheit hat nur allmählich vom Gesetze Anerkennung gefunden. Wie es sich mit derselben gegenwärtig verhält, wird weiterhin bei der Besprechung der kirchlichen Angelegenheiten erörtert.

c) Gewerbefreiheit. Nach dem Gesetze vom 31. März 1879 ist jeder finnische Staatsbürger, Mann oder Weib, welcher guten Rufes und dispositionsfähig ist, sowie auch jede im Lande gesetzlich konstituirte Gesellschaft, berechtigt, Handels-, Fabrik- oder Handwerksbetrieb oder ein anderes mit guter Sitte verträgliches Gewerbe18Von den freien Gewerben sind ausgenommen: Das Bank- und das Maklergeschäft, die Apotheken, der Buchhandel, die Buchdruckereien, Fabrikation und Verkauf von Branntwein sowie auch von Giften und explosiven Gegenständen. Zur Ausübung dieser Gewerbe ist eine besondere Ermächtigung erforderlich. zu unternehmen, ohne daß ihm vorläufig Anderes zu|256| beobachten obliegt, als eine einfache Meldung bei der betreffenden Behörde. Wer nur zum Lebensunterhalt, ohne andere Gehülfen als seine Frau und unmündige Kinder und ohne Eröffnung eines Geschäftslokals, ein Gewerbe betreiben will, ist der erwähnten Meldung überthoben. Nur mit besonderer Erlaubniß darf der Uebelbeleumdete einen offenen Geschäftsbetrieb unternehmen.

d) Das Vereinsrecht. Das Recht, für geschäftliche Zwecke Associationen zu gründen, steht einem Jeden offen, unter Beobachtung der bezüglichen Gesetze. Nur Aktiengesellschaften bedürfen einer auf Prüfung der Statuten gegründeten Sanktion der Regierung (Ges. v. 24. November 1864). Was aber das Recht, Vereine für andere Zwecke zu bilden, betrifft, so fehlt es in Finland an einer Regelung dieses Rechtes im Wege der allgemeinen Gesetzgebung. Durch eine Verordnung vom 4. Juni 1849 ist vorgeschrieben, daß private Gesellschaften oder Vereine, sei es für wissenschaftliche, literarische, Wohlthätigkeits- oder andere Zwecke, nicht ohne Erlaubniß der Regierung gebildet werden dürfen.

e) Das Versammlungsrecht. Es giebt kein gesetzliches Verbot gegen Abhaltung von Zusammenkünften zum Zwecke gemeinschaftlicher Verhandlungen. Diese Freiheit schließt selbstverständlich nicht die Befugniß der Regierung aus, polizeiliche Maßregeln gegen etwaige Störung der Ordnung durch Volksversammlungen vorzuschreiben19Die Preßfreiheit ist in Finland nicht gesetzlich garantiert. Die zur Zeit geltende Verordnung vom 31. März 1867 fordert in der Regel, daß Drucksachen, ehe sie verbreitet werden, einem Beamten der Verwaltung der Preßangelegenheiten vorgelegt werden..

§ 8. Der Erwerb des finnischen Staatsbürgerrechts. I. Das finnische Bürgerrecht entsteht:

a) durch die Geburt. Kinder finnischer Eltern oder deren Vater Finländer ist, sei es daß sie in Finland oder außerhalb des Landes geboren wurden, sind finnische Unterthanen; ebenso uneheliche Kinder, wenn die Mutter Finländerin ist.

b) durch Legitimation eines unehelichen Kindes, dessen Mutter nicht Finländerin ist. Wenn der Vater finnischer Unterthan ist und die Mutter ehelicht, wird das Kind finnischer Unterthan; so auch, wenn der Vater der Mutter die Ehe versprochen hat, aber einer von beiden vor der Trauung stirbt.

c) durch Verheirathung einer Ausländerin mit einem Finländer.

d) durch den Akt der Naturalisation. Seit alten Zeiten gilt es als Regel, daß der Souverain berechtigt ist, Ausländern das Staatsbürgerrecht zu verleihen. Die Gesetze enthalten hierüber keine allgemeine Bestimmung, wohl aber giebt es ältere und neuere Gesetzesvorschriften, welche ein solches Recht als existirend voraussetzen20Z. B. die Ritterhaus-Ordnung von 1626 §§ 9 u. 10, die R.-F. § 10, die RitterhausOrdnung von 1869 § 2. .

Wer um Naturalisation ansucht, hat nachzuweisen:

daß er christlicher Religion, unbescholtenen Rufes und mündig ist;

daß er wenigstens drei Jahre sich im Lande aufgehalten21Von Demjenigen, welcher früher finnischer Unterthan gewesen und aus fremder Staatsangehörigkeit wieder in den finnischen Staatsverband aufgenommen zu werden wünscht, ist der 3jährige Aufenthalt nicht zu fordern.;

und daß er sich ernähren kann.

Der Nachweis, daß sein früheres Unterthanenverhältniß der Naturalisation nicht hinderlich sei, kann unter gewissen Umständen auch nöthig besunden werden.

Als naturalisirter finnischer Unterthan gilt der Ausländer nach finnischem Rechte erst von dem Augenblick an, wo er den Unterthaneneid geleistet hat. In den Resolutionen auf Gesuche um finnisches Staatsbürgerrecht ist die übliche Formel: daß Se. Majestät geruht haben, den Antrag des N. N. zum Unterthan Sr. Majestät in Finland angenommen zu werden, zu bewilligen und ihm zu erlauben, den Unterthaneneid zu leisten.

Der Naturalisirte genießt im Uebrigen dieselben Rechte, wie der eingeborene finnische Staatsbürger, nur kann er erst nach dreijähriger Einschreibung in dem Steuerregister das Wahlrecht zum Landtag ausüben oder selbst zum Abgeordneten gewählt werden; und in der Regel kann er nicht in den Staatsdienst aufgenommen werden.

II. Von den oben angeführten allgemeinen Regeln bestehen etliche Ausnahmen hinsichtlich der russischen Unterthanen und in Rußland angesiedelten Ausländer, welche das finnische Staatsbürgerrecht erwerben wollen. Russen, die zu der Kaufmannsoder Bürgerklasse oder zum Bauernstande gehören, sowie auch in Rußland wohnhafte Ausländer, können finnisches Bürgerrecht erhalten, ohne sich vordem in Finland aufgehalten zu haben, insofern sie sich schriftlich verpflichten, sich wirklich im Lande niederzulassen und dabei, wenn sie hier ein Gewerbe betreiben wollen, eine festgestellte Abgabe von 4 000 Mark an die finnische Staatskasse bezahlen22Diese Bestimmung hat ihren Grund darin, daß eine Menge russische und in Rußland etablirte ausländische Geschäftsleute laut den früher geltenden Bestimmungen finnische Staatsbürger geworden waren, ohne nach Finland überzusiedeln.. Von dieser Abgabe und Verpflichtung sind diejenigen befreit, welche bereits sechs Jahre im Lande gewohnt haben. Von russischen Edelleuten und ihnen gleichgestellten Personen, welche um das finnische Staatsbürgerrecht ansuchen, werden keine andern Nachweise gefordert, als über unbescholtenen Ruf und mündiges Alter. Es giebt noch eine Kategorie, nämlich verabschiedete russische Soldaten und deren Wittwen und Kinder. Für diese gelten, mit Ausnahme der obligatorischen Abgabe, von welcher sie befreit werden können, dieselben Bedingungen, wie für Kaufleute und Bürger; es ist aber dazu ausdrücklich vorgeschrieben, daß das Gutachten der Kommune, in welcher sie sich niederlassen wollen, vernommen werden soll. – Bevor der Antrag eines russischen Unterthanen wegen Naturalisation in Finland Sr. Majestät unterbreitet wird, muß in amtlichem Wege von russischen Behörden Auskunft eingeholt sein, daß der Uebersiedelung nach Finland kein Hinderniß im Wege steht. – Schließlich ist zu bemerken, daß die russischen Unterthanen, welchen das finnische Staatsbürgerrecht verliehen wird, des sonst für die Naturalisation erforderlichen Unterthaneneides enthoben sind.

§ 9. Verlust des finnischen Staatsbürgerrechtes. I. Das finnische Staatsbürgerrecht hört ipso jure auf aus familienrechtlichen Gründen analoger Art, wie die, durch welche dieses Recht erworben werden kann.

Die Auswanderung in ein anderes Land, um dort Staatsangehöriger zu werden, hebt das Staatsbürgerrecht in Finland auf. Als Regel gilt, daß Niemand ohne Entlassung sich seiner Unterthanenpflicht entledigen kann. Durch die Entlassungsurkunde allein ist jedoch die Staatsangehörigkeit noch nicht aufgehoben, es gehört dazu die thatsächliche Auswanderung. Hiermit hängt indessen die Frage zusammen, ob das finnische Staatsbürgerrecht aufhört, bevor der Ausgewanderte in einem anderen Staate die Staatsangehörigkeit erworben hat. Eine ausdrückliche Antwort auf diese Frage giebt das finnische Gesetz nicht. Doch ist der Sinn desselben, daß derjenige, welcher nach seiner Entlassung aus der Unterthanenpflicht sich aus dem Lande begeben, nicht mehr auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte in Finland Anspruch machen kann. Dieses schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus, daß Finland aus völkerrechtlichen Gründen sich genöthigt sehen könnte, als Unterthan eine Person anzuerkennen, welche angeführter Maßen das Land verlassen, aber doch nicht anderswo die Staatsangehörigkeit erworben hat.

Hat Jemand, ohne aus dem finnischen Unterthanenverbande entlassen zu sein, das Staatsbürgerrecht in einem anderen Staate erworben, so hat er dadurch sein finnisches Staatsbürgerrecht verloren.

Durch die Auswanderung eines Mannes verliert auch seine Ehefrau die finnische Staatsangehörigkeit, nicht aber die Kinder, falls sie im Lande verbleiben. Nehmen die Eltern ihre Kinder mit, so steht es diesen frei, binnen einem Jahre nachdem sie|258| mündig geworden, heimzukehren und des finnischen Staatsbürgerrechtes theilhaftig zu werden23Die Hauptquelle der angeführten Sätze ist das A.-G. von 1734, Ae. B. 15 : 7..

II. Es verhält sich einigermaßen anders mit Finländern, welche nach Rußland übersiedeln. Sei es, daß sie in russischen Staatsdienst treten24Es sind s. Z. besondere Aufforderungen dazu veröffentlicht worden. oder daß sie wegen anderer Ursachen sich in Rußland niederlassen, so werden sie in der Praxis als finnische Staatsangehörige so lange betrachtet, bis sie in Folge besonderen Gesuches als russische Unterthanen in den Registern einer russischen Provinz (Gouvernement) eingeschrieben worden sind. – Dieses Verhältniß hat seine natürliche Erklärung darin, daß eine Niederlassung in Rußland nicht mit einer Uebersiedelung unter fremde Herrschaft gleichzustellen ist.

§ 10. Sociale Klassen mit Sonderrechten. In der Geschichte des schwedischfinnischen öffentlichen Rechts haben die für gewisse Klassen ausgefertigten Privilegien oder Versicherungen während langer Zeiten einen bedeutenden Platz eingenommen. Aus dem Rahmen der allgemeinen Gesetzgebung heraustretend, wurden die Standesprivilegien bis ins 18te Jahrhundert auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Könige und dem betreffenden Stande, ohne Mitwirkung der übrigen Stände, ausgefertigt. Der Inhalt der fraglichen Urkunden entsprach jedoch großentheils nicht dem Begriffe von Privilegien. In gewissen Fällen waren die verliehenen Sonderrechte allerdings wirkliche Bevorzugungen auf Kosten anderer Klassen, oder gestalteten sich zu solchen durch Aufhören der anfänglich geforderten Gegenleistungen. Im Uebrigen aber wurden durch die Privilegienbriefe theils solche Rechte und Vortheile eingeräumt, welche eine nothwendige Vergeltung für Leistung öffentlicher Dienste oder ein Substrat für gemeinnützige Einrichtungen waren, theils auch Bestimmungen gemeinrechtlichen Inhalts dadurch nur besonders verbrieft.

Zur Zeit der Lostrennung Finlands von Schweden waren für den Adel und den geistlichen Stand die Privilegien von 1723, für den Bürgerstand und den Bauernstand die Privilegien oder Versicherungen von 1789 geltend. In legislativer Hinsicht standen diese Urkunden nicht mehr auf dem alten Grunde einer bloßen Verleihung des Königs. Sie waren durch das Grundgesetz bestätigt, und laut einer Bestimmung der R.-F. konnten, wie bereits oben § 3, II angeführt, fortan für keinen Stand neue Privilegien ohne die Einwilligung sämmtlicher Stände erlassen werden25R.-F. § 52..

I. Der Adel. Die Privilegien des Adels bestanden hauptsächlich in:

a) der Steuerfreiheit für die adeligen Residenzgüter und Steuerermäßigung für die Nebengüter des Adels. Ursprünglich sollten diese Vortheile auf der Prästation des sog. adeligen Roßdienstes beruhen. Mit der Zeit hörte diese Prästation auf, die adeligen Güter blieben aber in ihrer bevorzugten Stellung. Dies war nun ein wirkliches Privilegium; es war exklusiv, denn nur Adelige durften adelige Residenzgüter besitzen, und den adeligen Stand zu erwerben hing nicht vom freien Willen ab; es war zugleich zum Nachtheil für die übrigen Staatsbürger, denn die erwähnte Steuerfreiheit hatte erhöhte Ansprüche an andere Steuerobjekte zur Folge.

Nunmehr steht es aber jedem finnischen Bürger frei, auch adelige Residenzgüter zu erwerben26Gesetz vom 2. April 1864.. Die Immunitäten derselben hinsichtlich der Besteuerung haben also aufgehört ein Standesvorrecht zu sein; sie sind ein Realprivilegium geworden, dem Grundstück als solchem inhärent und im Werthe desselben einbegriffen.

b) dem Forum privilegiatum d. h. dem Rechte der Adeligen wegen schwererer|259| Verbrechen und in gewissen civilen Sachen nicht vor das gewöhnliche Gericht, sondern nur vor das Hofgericht geladen zu werden. Auch dieses Privilegium ist aufgehoben27Gesetz vom 4. November 1864..

c) verschiedenen Vortheilen und Sonderrechten theils ökonomischen theils andern Inhalts, von welchen die meisten durch die spätere Gesetzgebung entweder aufgehoben sind oder jedenfalls ihre Bedeutung als Vorrechte verloren haben. Von den noch bestehenden mögen folgende erwähnt werden: die Adeligen sind für die städtischen Grundstücke, die sie besitzen und selbst bewohnen, einiger Lasten enthoben; sie haben in den Städten ein freieres Verfügungsrecht durch Testament als die übrigen Stadteinwohner.

II. Der geistliche Stand. Der katholischen Kirche und ihren Gütern waren im Verlaufe des Mittelalters sehr bedeutende ökonomische und anderweitige Vortheile von den Königen eingeräumt worden. Die kirchliche Reformation hatte wohl eine Schmälerung dieser Vortheile zur Folge, aber die lutherischen Geistlichen wurden doch nicht ohne Privilegien gelassen. Diese Privilegien, welche beinahe ohne Einschränkung bis zum heutigen Tage fortbestehen, sind indessen eigentlich nicht als Ausnahmen vom gemeinen Rechte zu betrachten, denn die Geistlichen sind nicht eine sociale Klasse, sondern eine Korporation öffentlicher Beamten. Die Steuerfreiheit oder Steuerermäßigung, welche den zu kirchlichen Amtssitzen angewiesenen Grundstücken zugesichert ist bildet einen Bestandtheil der den Geistlichen zukommenden Gehalte. Auch sonstige Bestimmungen dieser Privilegienurkunde bezwecken der lutherischen Kirche und ihren Dienern, sowie den Universitätslehrern und dem Schullehrerstande eine gesicherte Stellung zu bereiten. – Obwohl der fraglichen Privilegien hier zu erwähnen war, da dieselben in der Gesetzgebung als Standesprivilegien dastehen, gehört also der nähere Inhalt derselben zu andern Abtheilungen dieser Darstellung, namentlich in das Kapitel über die Rechte der lutherischen Kirche.

III. Der Bürgerstand. Die Sonderrechte der bürgerlichen Gewerbetreibenden in den Städten hatten ihren Grund in dem System, welches den Handel und die Industrie durch die Bildung abgeschlossener Korporationen oder Innungen zu fördern suchte.

Mit der Einführung der Gewerbefreiheit28Gesetz vom 31. März 1879, allmählich vorbereitet durch frühere Gesetze und Verordnungen. sind alle solche Schranken und Sonderrechte gefallen und die bevorrechtete Stellung der gewerbetreibenden Bürger in der Städteverwaltung hat mit der Einführung der gegenwärtigen Kommunalordnung für die Städte aufgehört. Es giebt nunmehr keinen privilegierten Bürgerstand.

IV. Der Bauernstand. Die besonderen Rechte, welche den Bauern zugesichert wurden, hatten hauptsächlich zum Zweck, die Besitzer nichtadeliger Grundstücke von der Bevormundung, welche in Bezug auf die Verwaltung und Bewirthschaftung dieser Güter Seitens der Regierung namentlich seit dem 16ten Jahrhundert ausgeübt worden, zu befreien. Bestimmungen dieser Art und so auch die Zusicherung, daß ein gesetzlich festgestelltes Grundsteuermaß unveränderlich sein soll und nicht wegen neuer Kulturen erhöht werden darf, sind nunmehr als Bestandtheile der allgemeinen Gesetzgebung über die mit dem ländlichen Grundbesitz verbundenen Rechte und Verpflichtungen zu betrachten. – Die Bauern waren berechtigt, die ländlichen Erzeugnisse überall im Lande zum Verkauf auszubieten. Dieses Recht war von Bedeutung als Ausnahme von den Schranken, welchen der Handel sonst unterworfen war; seit Einführung der Gewerbefreiheit ist es aber nicht mehr ein Privilegium. – In der bürgerlichen Gemeindeverwaltung auf dem Lande bilden die Grundbesitzer nicht mehr eine bevorzugte Klasse29Gesetz vom 6. Februar 1865..

V. Der Umstand, daß die vier erwähnten Klassen als Stände die Volksvertretung ausmachten, hat in vergangenen Zeiten zur Entwickelung der Privilegien beigetragen. Daß aber die Abschaffung so vieler ökonomischen und socialen Vorrechte oder Sonderrechte in neuester Zeit durchgeführt worden, mag zum Theil daraus erklärt werden können, daß das Wichtigste aller Standesrechte, die Vertretung im Landtage, auch bei der Reform der Landtagsordnung beibehalten worden ist. Die Darstellung dieses Rechtes folgt im III. Abschnitt. Vorläufig mag hier nur bemerkt werden, daß der Bürgerstand auf dem Landtage nicht mehr dem beibehaltenen alten Namen entspricht, sondern durch sämmtliche Elemente der heutigen Stadtkommune erweitert worden und daß auch das Vertretungsrecht im Bauernstande etliche Modifikationen erlitten hat, wodurch dieser Stand nicht mehr, wie früher, nur denjenigen, welche dem alten socialen Begriffe des Bauers entsprechen, offen steht.

§ 11. Die rechtliche Stellung der Ausländer. I. Wie oben (§ 6) schon angedeutet worden, sind auch Diejenigen, welche, ohne finnische Unterthanen zu sein, sich in Finland aufhalten, der finnischen Staatsgewalt unterworfen, d. h. sie haben sich nach den Gesetzen des Landes und den Vorschriften der finnischen Behörden zu richten. Eine Ausnahme hiervon bilden selbstverständlich die Personen, für welche der völkerrechtliche Grundsatz der Exterritorialität gültig ist. Thatsächlich fordert das Gesetz jedoch nicht von den Ausländern dasselbe, wie von den finnischen Unterthanen. Pflichten, für welche das Staatsbürgerrecht die Voraussetzung ist, – wie z. B. die Wehrpflicht – erstrecken sich nicht auf die Ausländer.

Was die Rechte der Ausländer betrifft, so ist eine Gleichstellung mit den finnischen Unterthanen insofern nicht vorhanden, als nur das Staatsbürgerthum einen berechtigten Anspruch auf den Genuß von Rechten nach finnischem Gesetz begründen kann. Dieser prinzipielle Unterschied, welcher sich z. B. darin zeigt, daß die Regierung berechtigt ist, einen Ausländer aus dem Staatsgebiete auszuweisen, hat jedoch nicht gehindert, daß die Ausländer überhaupt, wie es auch das Völkerrecht fordert, gleiche Rechte wie die Finländer genießen, soweit nicht von einer Betheiligung am Staatsleben die Frage ist. – Folgende Bestimmungen, die Ausländer betreffend, sind hier besonders anzuführen:

Dem Ausländer, welcher nicht mit vorgeschriebenem Paß versehen ist, kann es verweigert werden, sich im Lande aufzuhalten. Für längeren Aufenthalt ist von der betreffenden Polizeibehörde ein Erlaubnißschein zu erwirken30Verordnung vom 27. Juni 1888..

Der Ausländer genießt hinsichtlich seiner Person und seines Eigenthums denselben Schutz des Gesetzes wie der Inländer; er kann deßhalb in ähnlicher Weise wie der Inländer, und ohne besondere Kautionen, seine Rechte bei den Gerichten geltend machen.

Grundstücke kann ein Ausländer in Finland nicht besitzen ohne besondere Einwilligung des Kaisers und Großfürsten. Bewohnt er nicht selbst den Ort, wo sein Grundstück liegt, so ist er verpflichtet, daselbst einen Rechtsvertreter für sich zu bestellen31Verordnung vom 11. März 1879..

Das Erbrecht kommt einem Ausländer nur in dem Falle zu, wenn in dem Staate, dem er angehört, das gleiche Recht den Finländern eingeräumt ist; sonst erbt er in Finland nur als Descendent in gerader Linie vom Erblasser und gegen die durch Kaution gesicherte Verpflichtung, binnen einem Jahre seinen Wohnsitz in Finland zu nehmen32A. G. von 1734, Ae. B. 15: 1.. Das Erbrecht der Ausländer kann übrigens durch internationale Verträge geregelt sein33Gesetz vom 19. Dezember 1757..

Will ein Ausländer, der sich in Finland aufhält, daselbst einen stehenden Geschäftsbetrieb gründen, so muß er sich die Erlaubniß dazu vom Gouverneur der betreffenden Provinz auswirken. Die Hauptbedingung für Ertheilung solcher Erlaubniß ist, daß der Ausländer durch Kaution oder Deposition die Steuerzahlung an den Staat und die Kommune für drei Jahre sicherstellt34Gesetz vom 31. März 1879 § 12..

II. Obgleich die russischen Unterthanen in Finland nicht als Ausländer im politischen Sinne dieses Wortes zu betrachten sind, ist doch ihre rechtliche Stellung den finnischen Gesetzen und Behörden gegenüber mit derjenigen der Ausländer übereinstimmend, wo nicht durch besondere Gesetze oder Verordnungen Anderes verfügt worden ist. In dieser Hinsicht ist Folgendes zu bemerken:

Russen, welche nachweisen, daß sie in Rußland zum Adelsstande gehören, sind berechtigt, ohne die besondere Ermächtigung des Kaisers und Großfürsten Grundstücke in Finland zu erwerben und zu besitzen; jedoch gilt auch für sie die oben erwähnte Pflicht, einen Rechtsvertreter zu ernennen35Verordnungen vom 25. Februar 1851 und 11. März 1879..

Hinsichtlich des Erbrechtes ist statuirt: daß mit der Erbschaft nach russischem Gesetze verfahren werden soll, wenn ein in Finland sich aushaltender Russe dort bewegliches Eigenthum hinterläßt, und nach finnischem Gesetze bezüglich solchen beweglichen Eigenthums, welches von einem Finländer in Rußland hinterlassen wird; die Behörden in beiden Ländern sind verpflichtet, für die Aufzeichnung und Bewahrung des Nachlasses Sorge zu tragen, bis die Erbschaftstheilung stattfinden kann36Verordnung vom 6. November 1843. . – Was Grundstücke betrifft, gilt dagegen das Forum rei sitae.

Die rechtliche Stellung der russischen Truppen, welche zum Zwecke der Reichsvertheidigung nach Finland verlegt sind, richtet sich nach dem Prinzip der Exterritorialität. Das russische Militär ist allerdings verpflichtet die Gesetze Finlands zu beobachten, ist aber doch russischem Befehl und russischem Gesetze unterworfen37In bürgerlichen Rechtssachen sind russische Militärpersonen in der Regel verpflichtet vor finnischen Gerichten sich zu verantworten. Verordnung vom 18. Februar 1816. Beurlaubte russische Unteroffiziere und Soldaten, welche in Finland sich niedergelassen, haben den Gerichten und civilen Behörden des Landes zu gehorchen. Verordnung vom 18. März 1872..

Dritter Abschnitt. Die Organisation des Staates.

I. Kapitel. Der Kaiser und Großfürst.

§ 12. Recht zum Throne und Regierungsantritt. Das Recht zum großfürstlichen Throne Finlands ist mit dem Rechte zum russischen Kaiserthrone unauflöslich ver|262|bunden38Ueber die Entstehung dieses Rechts s. oben § 2. – In dem 4. Artikel des Codex der russischen Grundgesetze ist das betreffende Verhältniß folgendermaßen ausgedrückt: ”Mit dem russischen Kaiserthrone sind unauflöslich verbunden: die Throne des Zarthums Polen und des Großfürstenthums Finland”.. Es besteht deshalb kein besonderes Throngesetz für Finland39Als nach dem Tode des Kaisers Alexander I. nicht der nächste Thronerbe Constantin, sondern sein jüngerer Bruder Nikolaus, zufolge der Entsagung Constantins, den Thron Rußlands nebst den Thronen Polens und Finlands bestieg, ward doch das hierüber am 12./24. Dezember 1825 erlassene Manifest auch besonders in Finland promulgirt.: wer in Kraft der russischen Thronfolgeordnung den russischen Thron besteigt, wird zugleich Großfürst von Finland.

Bei dem Regierungsantritte erläßt der Kaiser und Großfürst eine an sämmtliche Einwohner Finlands gerichtete Versicherung, die Grundgesetze Finlands sowie die den Einwohnern laut der Verfassung des Landes zukommenden Privilegien und Rechte aufrecht zu erhalten.

Diese Versicherung ist nicht so zu verstehen, als ob vom Ausfertigen derselben der Bestand der Grundgesetze abhinge, denn diese Gesetze können nur durch zuständige Gesetzgebungsakte abgeändert (bezw. aufgehoben oder durch neue ersetzt) werden. Die sog. Regentenversicherung trat seiner Zeit an die Stelle des Königseides der älteren Zeiten40A. L. G. von 1442 4. Kap. des Königs-Buches., und dem Ausfertigen derselben liegen gesetzliche Bestimmungen zu Grunde41Reichstagsbeschluß vom 26. Januar 1779, § 3, V. u. S. A. § 8.. Die traditionelle Bedeutung der Versicherungsakte besteht eigentlich darin, dem Bewußtsein, daß die Regierung in Uebereinstimmung mit der Verfassung geführt werden soll, einen solennen Ausdruck zu geben. Eine ihr entsprechende Gegenleistung ist der Eid der Unterthanen (vgl. oben § 6).

Hinsichtlich der Frage, wem die Regentschaft zukomme in dem Fall, daß der Thronfolger bei seinem Regierungsantritt unmündig wäre, ist zu bemerken, daß der Kaiser Nikolaus bei seiner Thronbesteigung durch ein Manifest, welches auch besonders in Finland erlassen wurde, für solchen Fall verordnete, daß sein Bruder Michael, der nächste männliche Agnat, als Reichsverweser sowohl das Kaiserthum Rußland als das das Zarthum Polen und das Großfürstenthum Finland regieren solle”, und in ähnlicher Weise haben die folgenden Kaiser verfügt.

§ 13. Die Rechte des Kaisers und Großfürsten als Staatsoberhaupt. Der Kaiser und Großfürst vereinigt in sich sämmtliche Machtbefugnisse, welche zur Führung der Regierung erforderlich sind. Ihm und keinem Andern, so heißt es in der Verfassung, kommt es zu sein Land zu regieren42R. F. § 2.. Diese Macht ist aber nicht eine unbeschränkte. Die in den Grundgesetzen enthaltene allgemeine und oberste Norm für die Ausübung der Herrschaftsrechte ist, daß das Land in Uebereinstimmung mit den Gesetzen regiert werden soll43R. F. §§ 2 und 5. V. u. S. A. § 2.. Nicht nur die Grundgesetze, alle bestehenden Gesetze sind auch für den Souverain verbindlich. Und an der Ausübung der grundlegenden Funktionen des Staates, der Gesetzgebung und der Normirung des Staatshaushaltes, sind die Stände als koordinirtes Organ betheiligt44R. F. §§ 39–45, V. u. S. A. § 5., wenngleich ihre Mitwirkung nicht für alle Zweige dieser Funktionen geboten ist.

Der nähere Inhalt der Befugnisse des Monarchen wird aus der nachfolgenden Behandlung der verschiedenen Seiten unseres Gegenstandes hervorgehen. Hier möge jedoch eine vorläufige Uebersicht der Rechte und Aufgaben des Souverains ihren Platz finden.

Es kommt dem Kaiser und Großfürsten zu:

a) Die allgemeine Rechtsordnung im Lande zu erhalten und den gesetzlichen Rechten der Unterthanen Schutz und Achtung zu sichern45Schon im A. L.-G. von 1442 ist dieser Aufgabe des Staatsoberhauptes ein besonderes Gewicht beigelegt. Die Bestimmungen jenes Gesetzes sind beinahe wörtlich wiederholt im 2. Paragraphen der R. F. von 1772, den wir als charakteristisch hier anführen wollen:
”Dem König (= Kaiser und Großfürsten) gehört es zu, sein Reich zu regieren, wie das Gesetz Schwedens (= Finlands) sagt, Ihm und keinem Andern; Er soll Recht und Wahrheit befestigen, lieben und bewahren, aber Böswilligkeit und Unrecht verbieten, abschaffen und unterdrücken; Niemanden verderben an Leben und Ehre, Leib und Wohl, der nicht gesetzlich überführt und verurtheilt ist, und Niemandem seine bewegliche oder unbewegliche Habe enteignen oder enteignen lassen ohne gesetzliche Untersuchung und Urtheil, und das Land regieren nach dem Königsbuche des Landgesetzes und dieser Regierungsform.”; zu diesem Zwecke die Amtsführung der Gerichte zu überwachen und sich darüber Berichte erstatten zu lassen46R. F. § 15..

b) Die Staatsverwaltung zu leiten; nöthige Behörden und Amtsstellen einzurichten, die Etats derselben festzustellen, die Kompetenzbedingungen für den Staatsdienst zu bestimmen und die Staatsdiener zu ernennen (jedoch ist nur die Besetzung der höheren Aemter dem Monarchen selbst vorbehalten); den Gang der Verwaltung zu überwachen und sich darüber unterrichten zu lassen, wie auch die Staatsdiener wegen Veruntreuung oder sonstiger Gesetzwidrigkeit zur Rechenschaft ziehen zu lassen47V. u. S. A. § 1, R. F. §§ 10, 14, 24, 32 u. A..

c) Die Stände binnen des gesetzlichen Zeitraumes zum Landtage zu berufen, die Präsidenten derselben zu ernennen, den Landtag selbst oder durch Stellvertreter zu eröffnen, die Zeit der Schließung des Landtages zu bestimmen48L. O. §§ 2, 5, 23, 26.. Der Kaiser und Großfürst allein hat das Recht der Initiative in Fragen grundgesetzlicher Natur49L. O. § 71, Gesetz vom 25. Juni 1886.. Er allein kann durch die Sanktion den von den Ständen angenommenen Gesetzen verpflichtende Kraft geben.

d) Das jährliche Budget festzustellen, unter Beobachtung der Beschlüsse, mit welchen die Stände an der Regulirung der Finanzen theilgenommen50R. F. § 24, V. u. S. A. § 5 u. A..

e) Als oberster Kriegsherr für die Vertheidigung des Landes zu sorgen, und die Organisation und Ausrüstung der Truppen zu bestimmen51R. F. §§ 5 und 19, V. u. S. A. § 1, W. G. §§ 121 und 122..

f) Die Interessen Finlands fremden Staaten gegenüber zu vertreten und durch internationale Verträge das Land, soweit es mit den Gesetzen desselben vereinbar ist, zu verpflichten52V. u. S. A. § 1. Auch das Recht, allein zu entscheiden, ob der Krieg erklärt werden soll, ist dem Monarchen durch die V. u. S. A. zuerkannt. Es wäre aber ungeeignet, dieses Recht als eine besondere Befugniß des Großfürsten von Finland anzuführen, da es nur bei der Leitung der Politik des ganzen russischen Reiches, nicht aber besonders für Finland, zur Anwendung kommen kann..

Dem Kaiser und Großfürsten gehört ferner:

das Recht der Begnadigung und Strafmilderung53R. F. § 9, V. u. S. A. § 1.;

das Recht, Personen, welche dem Monarchen und dem Lande vorzügliche Dienste geleistet, in den Adelsstand zu erheben, sowie auch verdienten Edelleuten die Grafen- oder Freiherrenwürde zu verleihen54R. F. § 11. Ritterhaus-Ordnung § 2. Selbstverständlich hat der Souverain auch das Recht, geleistete öffentliche Dienste durch Auszeichnungen anderer Art zu belohnen, obgleich die Grundgesetze dessen nicht besonders erwähnen.;

das Recht, durch Naturalisation Staatsangehörigen anderer Länder das Staatsbürgerrecht in Finland zu verleihen.

Die Ausübung der Befugnisse des Monarchen geschieht zum Theil durch die ihm zum Beistand eingerichteten Regierungsorgane. Dies hebt aber nicht den Grundsatz der Verfassung auf, daß die gesammte Regierungsgewalt beim Kaiser und Großfürsten ruht. Auch sind die erwähnten Organe nur ihm für ihre Geschäftsführung verantwortlich55R. F. §§ 4 und 32.; denn ”Se. Majestät allein, als Haupt des ganzen Staates, ist vor Gott und dem Vaterlande für die Regierung verantwortlich”56R. F. § 8..

Das Prinzip der persönlichen Unverletzlichkeit des Monarchen hat seinen Ausdruck in den Bestimmungen des Strafgesetzes, welche jeden Frevel gegen ihn mit besonderer Strenge rügen, gefunden.

II. Kapitel. Die Staatsbehörden, die Beamten.

A. Die Organe der Regierung.

§ 14. Vorbemerkungen. I. Laut der Regierungsform von 1772 bestand in Schweden als oberste Staatsbehörde der Reichsrath, eine Institution, die seit dem frühen Mittelalter fortgelebt, und als Vertreter der verschiedenen Verwaltungszweige eine Anzahl Kollegien. Die Verfassungsänderung, welche durch die V. u. S. A. von 1789 vollzogen wurde, bezweckte namentlich den Reichsrath, der die Macht des Königs in Sachen der auswärtigen Politik beschränkte und auch sonst ein persönliches Regiment nach dem Sinne Gustavs III. erschwerte, zu beseitigen. Statt der Abtheilung des Rathes, welche die richterliche Gewalt in höchster Instanz ausgeübt (Justitiae Revisionen), ward durch die V. u. S. A. ein besonderes höchstes Tribunal eingerichtet. Die Regierungsgeschäfte wurden theils im Kabinet von Staatssekretären, theils in Conseils zufälliger Zusammensetzung vorgetragen. Zur Zeit der Trennung Finlands von Schweden hatte also der Reichsrath aufgehört zu existiren; die verwaltenden Kollegien waren aber nicht aufgehoben.

II. Die centralen Behörden des schwedischen Staates hatten ihren Sitz in Stockholm; in Finland bestanden nur lokale Behörden. Bei der Gründung des finnischen Staates mußten die nöthigen centralen Organe geschaffen werden. Eine der Vorlagen des Kaisers Alexander I. an die in Borgo 1809 versammelten Stände betraf daher ”die Organisation der Regierung oder Einrichtung eines Regierungs-Conseils”57S. oben § 2 S. 248.. Bei der Ausarbeitung dieser Vorlage war in Betracht genommen: daß eine vollständige Reproduktion der schwedischen Institutionen zu weitläuftig und kostspielig ausfallen würde; – daß weil der Souverain sich in der Regel nicht in Finland aufhielte, die oberste Behörde nicht nur berathend, sondern auch mit Entscheidungsrecht ausgerüstet sein müsse; – und ferner, daß das System der kollegialen Geschäftsbehandlung beizubehalten sei, sowohl wegen seiner prinzipiellen Vorzüge, als weil bei dem Fortbestehen der früheren Gesetze und Verwaltungsgrundlagen ein Bruch mit dem in denselben vorausgesetztem System der Geschäftsleitung zu vermeiden sei. Nach diesen Gesichtspunkten organisirt, ward der Regierungs-Conseil Finlands eine Concentration der obersten Behörden, die in Schweden bestanden. Die eine Hauptabtheilung des Conseils, das Departement der Justiz, entsprach dem 1789 eingerichteten höchsten Tribunal und erinnerte zugleich, durch ihren Platz im Conseil selbst, an die Justiz-Abtheilung des Reichsrathes. Die andere Hauptabtheilung oder das sog. Departement der Oekonomie war eine Zusammenfassung der Kollegien, zugleich aber mit höherer Befugniß als diese versehen. Durch die dem RegierungsConseil überhaupt angewiesene Stellung ward für die Behandlung der Regierungsangelegenheiten eine vollständiger geregelte Ordnung geschaffen, als in Schweden während des Zeitraumes 1789 bis 1809 bestanden hatte.

Der Regierungs-Conseil begann seine Thätigkeit am 1. Oktober 1809 in der alten Hauptstadt Abo. Nachdem aber Helsingfors zur Hauptstadt Finlands erhoben worden, ward der Sitz des Conseils, vom 1. Oktober 1819 an, dorthin verlegt.

Ein Ausbau der Organisation von 1809 ist allerdings später nöthig geworden; es sind namentlich verschiedene Behörden mittlerer Instanz für die Verwaltung im engeren Sinne des Wortes allmählich eingerichtet worden. Der Regierungs-Conseil selbst hat aber im Wesentlichen seine ursprüngliche Organisation behalten; die Veränderungen haben kaum andere Zwecke gehabt, als die Geschäftsvertheilung und Arbeitsordnung nach den Anforderungen der Zeit zu modifiziren, oder das Entscheidungsrecht des Conseils auf verschiedene Sachen, welche der Entschließung des Monarchen selbst vorbehalten gewesen, zu erweitern.

Besonders hervorzuheben ist jedoch die Verordnung vom 21. Februar 1816, durch welche dem Regierungs-Conseil die veränderte Benennung Senat für Finland beigelegt worden ist. Unter ausdrücklicher Versicherung, daß diese Veränderung nicht die Organisation berühre, ”laut welcher der Conseil seither die Administration des Landes, unabhängig von jeder andern Macht als der Macht der Gesetze und derjenigen, die gesetzlich dem Monarchen zukomme, gehandhabt, noch weniger die vom Kaiser für sich und seine Nachfolger bestätigte Verfassung des Landes abändere”, erklärte der Kaiser, daß er, um das unmittelbare Verhältniß der Regierungsbehörde Finlands zu Seiner Person noch deutlicher zu bezeichnen, für zweckmäßig erachtet, dieser Behörde, in Gleichheit mit der Benennung der höchsten Regierungsbehörden im russischen Kaiserthum und in dem damit neulich vereinigten Königreiche Polen, den Namen Kaiserlicher Senat für Finland zu geben.

Laut dem Statut des Regierungs-Conseils vom 18. August 1809 ist der Generalgouverneur Vorsitzender des Senats. Die Funktionen, die ihm durch jenes Statut und die ergänzende Instruktion für den Generalgouverneur vom 12. Februar 1812 zugewiesen wurden, sind seither unverändert geblieben.

III. Zur Organisation der Regierung Finlands gehörte mit Nothwendigkeit auch die Einrichtung eines besonderen Amtes in St. Petersburg behufs des Vortrages der finländischen Angelegenheiten beim Kaiser und Großfürsten. Nach provisorischen Verfügungen während der ersten Jahre ward i. J. 1811 ein Komite für die Angelegenheiten Finlands eingerichtet. Eines der Mitglieder des Komite’s war zugleich Staatssekretär. Von ihm wurden sämmtliche Angelegenheiten, nachdem sie im Komite schließlich behandelt worden, dem Kaiser vorgetragen. Der Präsident des Komite’s hatte dem Vortrag beizuwohnen. Weil aber dieses Komite zu einer nicht beabsichtigten Oberinstanz über dem Senate auszuarten drohte, ward dasselbe i. J. 1826 abgeschafft und statt dessen das noch bestehende Staatssekretariat für Finland eingerichtet. Im Jahre 1857 ward dem Staatssekretariat, ohne Veränderung der Funktionen desselben, ein Komite zur Seite gestellt, jedoch anders organisirt als das Komite von 1811 und mit mehr begrenzter Funktion, indem jetzt nicht alle Geschäfte, sondern nur diejenigen, welche der Kaiser dem Komite besonders überweist, von demselben begutachtet werden sollen.

§ 15. Der Senat58Hauptsächliche Quellen: Das Statut vom 18. August 1809, die Verordnungen vom 3. Februar 1820, vom 2. Juni 1826, 22. Februar und 10. Mai 1869, 15. Januar 1883, 20. August 1887 und 9. August 1888.. I. Die Aufgabe des Senats, allgemein charakterisirt, ist, dem Kaiser und Großfürsten in der Regierung Finlands behülflich zu sein, und zwar theils als berathende, theils als selbständig beschließende oberste Behörde des Landes. Der Geschäftskreis des Senats umfaßt daher sowohl Fragen der Gesetzgebung, als eigentliche Regierungs- und Verwaltungsangelegenheiten und außerdem die Ausübung der höchsten richterlichen Gewalt. Diesen Funktionen gemäß ist die Organisation des Senats gegliedert.

Alle Angelegenheiten, welche der Entschließung des Monarchen selbst vorbehalten sind, mit Ausnahme etlicher Amtsernennungen und der militärischen Kommandosachen, werden erst im Senate berathen, um mit dessen Gutachten oder als Vorschlag desselben dem Kaiser und Großfürsten vorgelegt zu werden.

Das Entscheidungsrecht des Senats, außer dem Bereiche der Justiz, erstreckt sich erstens auf alle solche der Prüfung der Regierung unterliegende Fragen, welche laut geltendem Gesetze und binnen der Grenzen festgestellter Etats ihre Erledigung finden können. Zweitens sind gewisse ursprünglich vom Monarchen selbst ausgeübte Befugnisse.z. B. das Dispensationsrecht, das Recht im Wege der Verordnung spezielle Instruktionen für die verwaltenden Behörden zu erlassen, – allmählich dem Senate über|266|tragen worden. Drittens ward durch ausdrückliche Bestimmungen der Gesetze das Recht der Entscheidung in verschiedenen Angelegenheiten dem Senate zugetheilt.

II. Die Organisation des Senats umfaßt zwei wesentlich verschiedene Abtheilungen: das Departement der Justiz und das Departement der Oekonomie.

Die beiden Departements bilden vereinigt das Plenum des Senats.

Der Generalgouverneur ist Präsident des Senats; das Recht des Vorsitzes kommt ihm zu sowohl im Plenum als in den Departements.

Ein jedes der beiden Departements besteht aus zehn Mitgliedern, Senatoren, von welchen je einer Vizepräsident ist und in Abwesenheit des Generalgouverneurs den Vorsitz führt59Die Senatoren, welche zu Mitgliedern des beim Staatssekretariat eingerichteten Komites gewählt und berufen worden, sind in der Anzahl der Departementsmitglieder nicht einberechnet..

Das Departement der Oekonomie umschließt acht Fachministerien, Expeditionen genannt. An der Spitze jeder Expedition steht als Chef ein Senator und Mitglied des Departements der Oekonomie.

Das Plenum des Senats ist entweder ein allgemeines Plenum, aus sämmtlichen zwanzig Senatoren bestehend, oder auch ein engeres Plenum, an welchem nur acht Mitglieder, d. h. vier aus jedem der beiden Departements, Theil nehmen. In beiden Fällen kann der Generalgouverneur den Vorsitz führen.

Der Kaiser und Großfürst beruft und ernennt die Mitglieder des Senats für je einen Zeitraum von drei Jahren. Entsteht während der drei Jahre eine Vakanz, so gilt die ergänzende Ernennung nur für den übrigen Theil dieses Zeitraums. Für die folgenden drei Jahre kann Wiederberufung derselben Senatoren stattfinden. – In das Departement der Justiz können nur Personen mit juristischen Kenntnissen und richterlicher Erfahrung berufen werden. Diese Qualifikation sollen auch wenigstens zwei der Mitglieder des Departements der Oekonomie besitzen.

Zum Organismus des Senats gehört auch der Prokurator, als Träger der Justizkontrolle und Chef der Staatsanwälte.

III. Dem Departement der Justiz – dessen allgemeine Aufgabe im Statut von 1809 als Fürsorge, daß die Gerechtigkeit im Lande laut den Gesetzen gehandhabt werde, bezeichnet ist – kommen folgende Befugnisse zu:

a) Im Namen des Kaisers und Großfürsten die höchste richterliche Gewalt in allen Sachen auszuüben, die nicht dem Gebiete der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugehören. Die Entscheidungen des Departements sind endgültig; nur wenn zur Todesstrafe verurtheilt worden ist, soll das Urtheil der Bestätigung des Kaisers und Großfürsten unterbreitet werden.

b) Alle Gnadengesuche zu prüfen. Die Gnadengesuche der zum Tode Verurtheilten sind vom Departement nur zu begutachten und an den Kaiser einzusenden. In übrigen Fällen wird das Gesuch, sofern die Begnadigung zuläßlich befunden, dem Kaiser unterbreitet, widrigenfalls aber vom Departement endgültig abgewiesen. – Das Angeführte betrifft Strafen wegen Verbrechen. Gnadengesuche von Personen, welche nur wegen polizeilicher Uebertretungen verurtheilt worden, sind der endgültigen Entscheidung des Departements der Justiz überlassen, und ist das Departement auch berechtigt, in gewissen Fällen die Strafe zu mildern60Dieses Leuterationsrecht ist von großer praktischer Bedeutung gewesen, weil das Strafgesetz in mancher Hinsicht als veraltet empfunden worden, wird aber seltener in Frage kommen, sobald das i. J. 1888 von den Ständen angenommene neue Strafgesetz in Kraft tritt..

c) Die Vorschläge an den Kaiser für die Ernennung der vortragenden Sekretäre|267| (Referendariesekreterare) beim Departement, der Mitglieder der Hofgerichte sowie der Kreisrichter und der Bürgermeister vorzubereiten; die niederen Beamten beim Departement und die Sekretäre und Anwälte bei den Hofgerichten zu ernennen.

d) Es steht ferner dem Departement zu, Fragen wegen Gesetzesreformen auf dem Gebiete der Justiz anzuregen und an das Plenum des Senats zu bringen.

Das Departement der Justiz ist bei der Ausübung seiner richterlichen Funktion gewöhnlich in zwei ”Divisionen” vertheilt. Jede Division ist in der Besetzung von vier Mitgliedern beschlußfähig; schwerere Strafsachen erfordern jedoch die Prüfung von sieben Mitgliedern. – Sonstige Angelegenheiten werden in Sitzung des ganzen Departements verhandelt.

IV. Der Geschäftskreis des Departements der Oekonomie umfaßt sämmtliche Zweige der Staatsverwaltung, mit Ausnahme der auf die Justiz bezüglichen Angelegenheiten und der militärischen Kommandosachen.

Die Befugnisse des Departements können in ihren Hauptzügen folgendermaßen angegeben werden:

a) Das Departement leitet die Thätigkeit sämmtlicher verwaltenden Behörden und übt durch Vermittelung der Expeditionen des Departements ein Aufsichtsrecht über dieselben aus.

b) In seinen entscheidenden Maßregeln ist das Departement an die geltenden Gesetze, Verordnungen und Etats gebunden. Werden neue Gesetze oder Verordnungen oder Abänderungen der früheren, oder auch neue oder erhöhte Staatsausgaben nöthig befunden, so hat das Departement, nach der Beschaffenheit der Sache, seinen hierauf bezüglichen Vorschlag entweder unmittelbar dem Kaiser und Großfürsten vorzulegen oder auch, wenn die Mitwirkung der Landstände geboten ist, vorläufig dem Plenum des Senats zu übergeben.

c) Das Departement ist jedoch berechtigt: im Wege der Verordnung Instruktionen für die verwaltenden Behörden auszufertigen oder abzuändern, soweit dieses innerhalb der Grenzen der bezüglichen Hauptverordnungen und Etats geschehen kann; – neue bezw. unvorhergesehene Ausgaben zu bewilligen, sofern die hierzu verwendbaren Pauschsummen des Budgets nicht überschritten werden; – sowie auch die Zahl der niederen Beamten in gewissen Verwaltungen (namentlich dem Zoll- und Lotsenwesen), mit Veränderung der Etats, nach Bedürfniß zu vermehren oder zu reduziren. – Auch ist das Departement ermächtigt, die Tarife für Benützung der Eisenbahnen und Kanäle des Staates festzustellen.

d) Das Departement hat das Recht, von den vorgeschriebenen Befähigungsproben für Lehrerstellen, auf Gesuch, zu dispensiren. – Ermäßigung oder Befreiung von Zollabgaben und Dispensation von Bestimmungen der Zollordnung kann vom Departement in einzelnen Fällen bewilligt werden.

e) Gesuche einzelner Personen werden, wenn sie auf der Grundlage geltender Gesetze geprüft werden können, vom Departement endgültig entschieden. Gesuche aber, welche die Erlangung besonderer Vortheile oder Vergünstigungen bezwecken, sollen dem Kaiser anheim gestellt werden, sofern das Departement sie befürworten will; andernfalls können solche Gesuche vom Departement unmittelbar zurückgewiesen werden; jedoch müssen sämmtliche Bittschriften wegen außerordentlicher Pensionirung mit dem Gutachten des Departements zur Prüfung des Kaisers gelangen.

f) An der Besetzung der höchsten Aemter61Generalgouverneur und sein Adjoint, Minister-Staatssekretär und sein Adjoint, Senator, Prokurator, Hofgerichtspräsident, Gouverneur., sowie auch der Amtsstellen beim|268| Staatssekretariat und sämmtlicher Offiziersstellen, ist der Senat nicht betheiligt. Die Stellen der vortragenden Sekretäre und der Kämmerer (Vorsteher der Rechnungsabtheilungen) beim Departement selbst und übrige Aemter der 5., 6. und 7. Rangklasse bei den verwaltenden Behörden, mit wenigen Ausnahmen, werden auf Antrag oder Vorschlag des Departements der Oekonomie vom Kaiser besetzt. Die Verwaltungsbeamten der achten und niedrigerer Rangklassen werden vom Departement ernannt; doch ist die Besetzung der kleineren Stellen in der Regel an die betreffende Behörde übertragen worden.

g) Ferner steht das Departement der Oekonomie an der Spitze der Verwaltungsrechtspflege: es entscheidet im Namen des Kaisers und Großfürsten über Beschwerden gegen Entscheidungen oder Verfügungen der Verwaltungsbehörden.

Das Departement arbeitet in der Regel unter Theilnahme sämmtlicher Mitglieder; nur für die Erledigung von Geschäften geringerer Bedeutung, sowie auch für die Verhandlung der Beschwerden trennt es sich in zwei Abtheilungen.

V. Jegliche Angelegenheit, welche dem Departement der Oekonomie zur Berathung oder Entscheidung vorgelegt werden soll, wird erst in der betreffenden Expedition vorbereitet.

Die acht Expeditionen und die Hauptgegenstände der Thätigkeit ihrer resp. Ressorts sind:

Die Civil-Expedition: Ordnungs- und Sicherheitspolizei, Provinzial- und Gemeindeverwaltung, Armenwesen, Medizinalwesen, Angelegenheiten der Presse, Statistik.

Die Kanzlei-Expedition: Verleihung des Staatsbürgerrechts und Emigration, internationale Fragen, die nicht aus besonderem Grunde einem anderen Ressort zugehören, Post nebst Postsparbank, Telegraph, Telephone, Landstraßen und der Reisepostverkehr, Leitung der öffentlichen Bauten, Gefängnißwesen, die Herausgabe der offiziellen Zeitungen und der Gesetzessammlung, das Staatsarchiv62Die Kanzlei-Expedition ist erst neuerdings, durch die Verordnung vom 9. August 1888, eingerichtet worden, und zwar durch Theilung der Civil-Expedition in zwei Ressorts. Die Geschäftskreise dieser beiden Expeditionen entsprechen, wie aus Obigem ersichtlich, ungefähr dem, was in den meisten Staaten dem Ministerium des Innern angehört..

Die Finanz-Expedition: Aufstellung des Budgets, Rechnungswesen, Verwaltung der Staatseinnahmen, Staatsfonds und Getreidemagazine, Steuerwesen, Staatsschuld, Münzwesen, Banken.

Die Kammer-Expedition: Staatskontrolle und Staatsrevision, Katastersystem, Feldmessung, Domänen- und Forstverwaltung, das Maaß- und Gewichtsystem.

Die Militär-Expedition: Organisation, Ausrüstung und Oekonomie der finnischen Truppen, das Ersatzwesen, die Kriegsschule, Errichtung des Spezialbudgets für die Armee, Verwaltung der Fonds für militärische Zwecke, Einquartirung.

Die Kultus- (sog. Ekklesiastik-) Expedition: Angelegenheiten der lutherischen Landeskirche und der griechisch-orthodoxen Kirchengemeinden sowie auch fremder Konfessionen; Volksschulen, Elementarschulen, Universität, Wissenschaft und schönen Künste.

Die Landwirthschafts-Expedition63Diese Expedition war ursprünglich die Expedition der Landwirthschaft und der allgemeinen Arbeiten benannt.: Die landwirthschaftlichen Gewerbe, Schulanstalten für dieselben, Trockenlegung der Sumpfländereien, Kanalisirung der Flüsse und Kanalbauten, Anlage und Betrieb der Staatseisenbahnen, Konzessionirung und Kontrolle von Privatbahnen.

Die Handels- und Industrie-Expedition: Handel, Schifffahrt, Lotsenwesen und Leuchtthürme, Seemessung, Hafenanlagen, Bergwesen und sämmtliche industriellen|269| Gewerbe, die Branntweins- und Bieraccisen, Patentwesen, Versicherungswesen, Legalisirung der Aktiengesellschaften, Lehranstalten für Handel, Schifffahrt und Industrie. Einer jeden Expedition kommen folgende Aufgaben zu:

a) die Thätigkeit der ihr untergeordneten Verwaltungsbehörden zu überwachen und nöthigenfalls berichtigend einzugreifen;

b) die einkommenden Sachen zur Behandlung im Departement vorzubereiten;

c) aus eigener Initiative legislative oder andere Maßregeln zur Förderung der im Bereiche der Expedition vertretenen Staatszwecke im Departement vorzuschlagen;

d) verschiedene Verwaltungssachen endgültig zu entscheiden, unter Beobachtung der bezüglich dieses Entscheidungsrechtes in besonderen Verordnungen enthaltenen Bestimmungen;

e) für jeden Zeitraum von drei Jahren einen Bericht über die im Bereiche der Expedition vorgekommenen wichtigeren Maßregeln abzufassen, welcher Bericht dem Senate vorgelegt und den Mitgliedern des Landtages mitgetheilt wird.

In der Expedition steht dem Chef allein das Beschlußrecht zu. Im Departement gilt seine Stimme auch in Sachen seines Ressorts nur wie die der übrigen Mitglieder. Jedoch wird die Bedeutung seiner Initiative insofern besonders berücksichtigt, daß ein von einer Expedition beantragter, der Bestätigung des Monarchen bedürfender Vorschlag an den Kaiser eingesandt werden soll, sobald der Präsident oder Vizepräsident nebst zwei Mitgliedern des Departements für den Vorschlag gestimmt haben, also ungeachtet die Mehrzahl demselben nicht beigetreten ist.

VI. Wie aus dem Angeführten hervorgeht, sind die beiden Departements des Senats in der Ausübung ihrer Funktionen von einander so unabhängig und abgesondert, als wären sie nicht Glieder einer Institution. Ein Zusammenwirken dieser Glieder findet nur statt im Plenum des Senats.

Das aus sämmtlichen Senatoren bestehende allgemeine Plenum ist das Organ für

a) die Berathung und Abfassung sämmtlicher Gesetzesentwürfe und sonstiger Vorlagen an die Stände;

b) die Begutachtung der Beschlüsse, Vorschläge und Petitionen der Stände, bevor sie vom Kaiser und Großfürsten geprüft werden;

c) die Ausarbeitung solcher Verordnungen, welche wegen ihres Gegenstandes – wie z. B. die Organisation des Senats selbst – ein Zusammenwirken beider Departements erheischen;

d) die Begutachtung vorgeschlagener internationaler Verträge von besonderem Gewicht für die allgemeinen Interessen des Landes;

e) die Geschäfte, welche dem Plenum von dem Kaiser und Großfürsten besonders aufgetragen werden.

In das engere Plenum des Senats (acht Mitglieder außer dem Präsidenten) gehören hauptsächlich folgende Gegenstände:

aa) sämmtliche Angelegenheiten der Justizverwaltung, welche nicht dem Departement der Justiz zugewiesen sind;

bb) das Dispensationsrecht, soweit es gesetzlich ausgeübt werden kann und nicht dem Departement der Oekonomie zusteht (s. oben IV. Mom. d);

cc) die Besetzung gewisser Aemter;

dd) die Begutachtung internationaler Verträge, welche das Justizwesen irgendwie berühren. Das Plenum des Senats – in der Regel das engere, ausnahmsweise aber auch|270| das allgemeine Plenum – entscheidet in zweifelhaften Fällen, ob eine Sache in das Plenum oder eines der beiden Departements gehört.

Inwiefern sonst dem Plenum das Entscheidungsrecht oder nur die Berathung einer Angelegenheit zukommt, ergiebt sich aus den oben bezüglich des Departements der Oekonomie angeführten Gründen.

Die Geschäfte des Plenums des Senats werden vorbereitet und expedirt in der allgemeinen Kanzlei des Senats, unter der Leitung eines vortragenden Sekretärs (Referendariesekreterare). Dieser Beamte trägt auch die Sachen im Plenum vor; jedoch werden Gesetzesentwürfe in der Regel entweder von einem Mitglied des für die Ausarbeitung solcher Vorschläge eingerichteten permanenten Komites (Lagberedningskomiten), oder auch, im Falle der Vorschlag in einer Expedition des Departements der Oekonomie ausgearbeitet worden, von dem betreffenden Sekretär dieser Expedition vorgetragen.

VII. Bei jeder Sache, welche der Senat an den Kaiser und Großfürsten einsendet, soll, wenn verschiedene Meinungen darüber geäußert worden sind, das hierüber geführte Protokoll beigefügt werden.

Die Beschlüsse des Kaisers und Großfürsten – ausgenommen die speziellen Fälle, in welchen ein vom Kaiser selbst unterschriebenes Manifest erscheint – werden vom Senat mit der Formel: ”laut dem Eigenen Beschluß Sr. Majestät” ausgefertigt; sämmtliche beim Vortrage des Kaiserlichen Beschlusses gegenwärtigen Senatoren unterschreiben die Ausfertigungsurkunde; der vortragende Sekretär kontrasignirt. Die Beschlüsse des Senats, sei es im Plenum, sei es im Departement, welche das Entscheidungsrecht des Monarchen vertreten, werden in ähnlicher Weise ausgefertigt, jedoch mit der Formel: ”Im hohen Namen Sr. Majestät”. Die von dem Departement der Oekonomie in gewöhnlichen Angelegenheiten der Verwaltung getroffenen Entscheidungen werden durch Amtsschreiben der zuständigen Expedition, vom Chef unterschrieben und mit Gegenzeichnung des vortragenden Sekretärs, den betreffenden Behörden mitgetheilt.

Den Vizepräsidenten der beiden Departements kommt in Fragen der inneren Geschäftsordnung ein Entscheidungsrecht zu. Sie leiten und überwachen den Gang der Arbeiten. – Bei Stimmengleichheit wird die Stimme des Vorsitzenden doppelt gezählt.

VIII. Laut den Bestimmungen der §§ 4 und 32 der R.-F. von 1772 waren sowohl der Reichsrath als die Kollegien nur dem Könige für ihre Amtsführung verantwortlich. Diese Bestimmungen sind nicht aufgehoben, das in denselben ausgedrückte Prinzip ist also für die Stellung des Senats in fraglicher Hinsicht maßgebend. Einer unmittelbaren, sei es rechtlichen oder politischen, Verantwortlichkeit der Volksvertretung gegenüber ist der Senat nicht unterworfen: nur der Kaiser und Großfürst kann ihm Rechenschaft abfordern. Jedoch ist eine Kontrolle seitens der Stände, namentlich bezüglich der Finanzverwaltung, wie weiterhin ersichtlich wird, nicht ausgeschlossen.

Würde der Senat sich eines landesschädlichen Vergehens schuldig machen, so müßte auf Grund des § 16 der R.-F. ein außerordentlicher Staatsgerichtshof zur Beurtheilung desselben in sowohl erster als letzter Instanz niedergesetzt werden. Doch ist zu bemerken, daß die auf die Verhältnisse in Schweden berechneten Bestimmungen des angeführten Paragraphen über die Zusammensetzung des Staatsgerichtshofes nicht anwendbar sind, ohne daß durch einen Akt der Gesetzgebung erklärt wird, aus welchen Mitgliedern der Staatsgerichtshof nach jetzigen Verhältnissen bestehen soll.

§ 16. Der Generalgouverneur64Quelle: Die Instruktion vom 12. Februar 1812.. Das Amt des Generalgouverneurs umfaßt dreierlei Funktionen. Er ist

1. Präsident des Senats,

2. Chef des civilen exekutiven Behördenwesens,

3. Chef der finländischen Armee.

I. Als Präsident des Senats ist der Generalgouverneur an den Befugnissen des Senats betheiligt65Die Beschränkung ist jedoch vorgeschrieben, daß der Generalgouverneur im Departement der Justiz, als Gericht, nur bei der Behandlung von Strafsachen den Vorsitz mit Stimmrecht führen kann. – Thatsächlich hat es sich so gestaltet, daß der Generalgouverneur nie im Departement der Justiz und nur in seltenen Ausnahmefällen im Departement der Oekonomie oder im Plenum den Vorsitz persönlich ausübt..

Hat der Generalgouverneur persönlich im Senate präsidirt, so liegt es ihm ob, die Beschlüsse mit zu unterschreiben. Wenn er anderer Ansicht als die Mehrzahl der Mitglieder gewesen ist, steht es ihm frei, seine Einwendungen gegen den Beschluß des Senats an den Kaiser einzusenden; dies hindert jedoch nicht, den Beschluß ins Werk zu setzen, wenn es Angelegenheiten betrifft, die von der Entscheidung des Senats abhängen.

Alle an den Kaiser und Großfürsten gerichteten Anträge des Senats werden durch den Generalgouverneur eingesandt. Er empfängt, um sie dem Senat mitzutheilen, alle Kaiserlichen Reskripte und Schreiben des Staatssekretariats, welche die Entschließungen oder Befehle des Kaisers enthalten.

Um dem Gange der Geschäfte im Senate folgen zu können, erhält der Generalgonverneur regelmäßig Verzeichnisse und Uebersichten über die verschiedenen Zweige der Geschäftsführung.

II. Als Chef des civilen exekutiven Behördenwesens kommt es dem Generalgouverneur zu, vor Allem dafür zu sorgen, daß die allgemeine Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten werde; daß die Verordnungen und Befehle des Kaisers und Großfürsten genau befolgt werden; und daß die gesetzlichen Rechte und Freiheiten der Bürger nicht beeinträchtigt werden.

Ihm steht deßhalb die Oberaufsicht über die Polizei und die exekutiven Behörden zu. Er schreibt im Verein mit dem Departement der Oekonomie die für die fraglichen Zwecke nöthigen Maßregeln vor. Wenn ein schleuniges Eingreifen nöthig, kann er auch unmittelbar den Gouverneuren der Provinzen Vorschriften ertheilen, soll aber in solchem Falle das erwähnte Departement davon benachrichtigen, damit nicht etwa von demselben widersprechende Vorschriften ausgehen.

Der Generalgouverneur kann in allen Zweigen der Staatsverwaltung Reformen anregen oder besondere Maßregeln vorschlagen. Seine Vorschläge werden vom Senate geprüft und begutachtet, bezw. näher ausgearbeitet.

Ihm kommt die wichtige Befugniß zu, dem Kaiser für die Ernennung der Senatoren, der Präsidenten der Hofgerichte und der Gouverneure Vorschläge zu machen. Er ist auch berechtigt, Beamte des Landes dem Monarchen zur Belohnung zu empfehlen.

Der Generalgouverneur stattet dem Kaiser Bericht über die Zustände des Landes ab.

III. Der Generalgouverneur ist der Chef sowohl der finländischen Truppen, als auch der russischen Truppen, welche für Zwecke der Reichsvertheidigung nach Finland verlegt sein können.

Was seine Funktionen als Chef der finländischen Armee betrifft, werden dieselben weiterhin im Kapitel über das Militärwesen zur Sprache kommen.

IV. Bei eintretender Vakanz oder wenn der Generalgouverneur beurlaubt ist, kommt es dem Adjoint des Generalgouverneurs zu, das Amt zu verwalten.

Die Kanzlei des Generalgouverneurs besorgt unter der Leitung eines Direktors|272| die Vorbereitung und Expedition der civilen Geschäfte, der Stabschef und dessen Kanzlei die der militärischen.

§ 17. Der Prokurator66Instruktion vom 12. Februar 1812.. Der Prokurator ist Handhaber der Justizkontrolle; er soll beaufsichtigen, daß alle Gesetze, sowohl allgemeine als spezielle, von den Gerichten und Behörden beobachtet werden, damit Niemand, hoch oder gering, reich oder arm, an seinem Recht leiden möge. Weil der Prokurator in dieser Funktion als der Gehülfe des Generalgouverneurs betrachtet wird, ist er den Befehlen desselben unterworfen.

Der Prokurator soll, so oft seine übrigen Pflichten es erlauben, den Sitzungen des Senats sowohl im Plenum als in den Departements beiwohnen, doch ohne an den Berathungen oder Beschlüssen theilzunehmen. Er nimmt Kenntniß von den Protokollen und Diarien und macht den betreffenden Chefs Meldung von Unregelmäßigkeiten, welche etwa wahrgenommen worden. Er hat das Recht, gegen die Beschlüsse des Senats, wenn gesetzliche Ursache vorhanden ist, Erinnerungen zu erheben, doch wird die Ausführung der Beschlüsse dadurch nicht verhindert. Der Prokurator besorgt die Rechtsklage gegen Beamte oder andere Personen, in Sachen die ihm zu diesem Zwecke von dem Generalgonverneur oder dem Senat übergeben werden.

Sollten der Generalgouverneur oder der Senat in ihrer amtlichen Thätigkeit vom Gesetz abweichen, so ist es die Pflicht des Prokurators, dagegen, mit Angabe der Gesetzwidrigkeit, Einspruch zu erheben; wenn dem aber nicht Folge geleistet wird, steht es dem Prokurator frei, die Sache an den Kaiser und Großfürsten vollständig einzuberichten.

Die Kontrolle, welche der Prokurator über die Gerichte und übrigen Behörden ausübt, bezieht sich selbstverständlich nur auf die Beobachtung der gesetzlichen Prozedur; in die materielle Rechtssprechung hat er nicht einzugreifen. Er erhält von den Hofgerichten Verzeichnisse und Uebersichten der Geschäfte.

Der Prokurator soll sich davon überzeugen, daß die Freiheitsstrafen den Urtheilen gemäß ausgeführt worden. Er empfängt die zu diesem Zweck nöthigen Berichte und Verzeichnisse.

Wegen der von ihm entdeckten Fehler und Versäumnisse läßt der Prokurator die betreffenden Beamten vor Gericht ziehen. Wenn sonst jemand einen Beamten wegen Amtsmißbrauchs beim Prokurator verklagt, unter der Verpflichtung seine Angabe zu beweisen, darf der Prokurator sich nicht weigern die Klageschrift entgegenzunehmen und hat gegen den Verklagten einschreiten zu lassen.

Der Prokurator ist Chef sämmtlicher vom Staate angestellten Anwälte oder sog. Fiskale, von welchen diejenigen, welche nicht einer besonderen Behörde beigezählt sind, von ihm ernannt werden.

Schließlich ist zu erwähnen, daß es dem Prokurator obliegt, jedesmal wenn der Landtag zusammentritt, den Ständen einen Bericht über den Zustand der Rechtspflege abzustatten. Dem Prokurator ist ein Adjoint als Gehülfe und nöthigenfalls Stellvertreter beigeordnet.

§ 18. Das Staatssekretariat67V. O. vom 17. März 1826.. Das Staatssekretariat für Finland besteht aus dem Minister-Staatssekretär nebst dessen Adjoint und Sr. Majestät Kanzlei für Finland; dem Staatssekretariat steht ein Komite für die Angelegenheiten Finlands zur Seite.

I. Der Minister-Staatssekretär und der Adjoint desselben werden unmittelbar vom Kaiser und Großfürsten ernannt. Der Kaiser besetzt die höheren Posten bei der Kanzlei|273| auf Antrag des Minister-Staatssekretärs, welchem dagegen die Ernennung der unteren Kanzleibeamten zukommt.

In das Staatssekretariat gelangen alle die Entscheidung des Kaisers und Großfürsten heischenden Angelegenheiten Finlands, außer den militärischen Kommandosachen.

Es ist die Aufgabe des Minister-Staatssekretärs, diese Angelegenheiten dem Kaiser vorzulegen und die Beschlüsse Sr. Majestät dem Generalgouverneur als Präsidenten des Senats mitzutheilen.

Jeder Vorschlag und Antrag des Senats und des Generalgouverneurs wird zum Vortrage in einer Note zusammengefaßt. Diese in russischer Sprache redigirte Note soll, unter der Verantwortlichkeit des Minister-Staatssekretärs, den betreffenden Gegenstand, den Inhalt des Vorschlages und die hauptsächlichen Gründe, kurz aber genau wiedergeben. In besonders wichtigen Fragen sollen jedoch das Schreiben des Senats und die etwa abweichende Meinung des Generalgouverneurs in extenso vorgelegt werden. In jedem Falle sollen die Originalaktenstücke beim Vortrage zur Hand sein. Der Minister-Staatssekretär ist berechtigt, wenn er es nöthig findet, vor dem Vortrage einer Sache ergänzende Aufklärungen durch den Generalgouverneur einzufordern.

Die Ausfertigung, bezw. Mittheilung der Entscheidung des Kaisers erfolgt je nach der Beschaffenheit der Sache durch ein Manifest oder ein Reskript, vom Kaiser selbst unter Gegenzeichnung des Minister-Staatssekretärs unterschrieben, oder auch durch ein vom ersten Expeditionssekretär der Kanzlei kontrasignirtes Schreiben des MinisterStaatssekretärs, welcher stets für die Uebereinstimmung mit dem Beschlusse des Kaisers verantwortlich ist. In jedem Falle werden diese Schriftstücke wie auch die Texte der sanktionirten Gesetze, Verordnungen und Etats, sowohl in russischer als in schwedischer Sprache, unter Verantwortlichkeit des betreffenden Beamten für die Richtigkeit der Uebersetzung, ausgefertigt.

In Angelegenheiten, welche sowohl Rußland als Finland betreffen und wegen welcher also die beiderseitigen Regierungsbehörden in Beziehung zu einander treten müssen, findet der Schriftwechsel durch Vermittelung des Minister-Staatssekretärs statt. In Sachen jedoch, die bloß exekutive Maßregeln erheischen, können der Generalgouverneur und die betreffenden russischen Behörden sich unmittelbar verständigen.

II. Das Komite für die finländischen Angelegenheiten68B. O. vom 8. April 1857. besteht aus dem MinisterStaatssekretär als Vorsitzenden und vier Mitgliedern. Der Adjoint des Minister-Staatssekretärs ist von Amtswegen Mitglied, die übrigen drei Mitglieder werden vom Kaiser für einen Zeitraum von drei Jahren berufen, einer von ihnen unmittelbar, die anderen beiden auf Grund des vom Generalgouverneur und Senat gemeinschaftlich gemachten Vorschlages69Obgleich auch andere höhere Beamte wählbar sind, wurden doch jedesmal nur Senatoren vorgeschlagen und berufen, und zwar in der Regel so, daß beide Departements des Senats vertreten werden..

Die Aufgabe des Komite’s ist, die Angelegenheiten, welche der Kaiser demselben durch den Minister-Staatssekretär überweist, zu prüfen und zu begutachten. Das Protokoll des Komite’s, sein Bedenken und etwaige Abstimmung enthaltend, soll beim Vortrage der betreffenden Angelegenheit dem Kaiser vorgelegt werden. Ein Entscheidungsrecht kommt dem Komite so wenig zu wie dem Minister-Staatssekretär. Ebensowenig ist das Komite eine berathende Behörde in dem Sinne, daß aus der Berathung neue Vorschläge hervorgehen könnten. Es liegt in der Aufgabe des Komite’s, wie dieselbe in der Einleitung zu der bezüglichen Verordnung angedeutet worden, zunächst den richtigen und|274| vollständigen Einblick in die zur Entscheidung des Kaisers vorliegenden wichtigeren Fragen zu erleichtern. Eine weitere Bedeutung erhält die Begutachtung im Komite in solchen Fällen, wo die Meinung des Generalgouverneurs von dem Vorschlage des Senats abweicht oder im Schoße des Senats selbst verschiedene Ansichten sich geltend gemacht haben und es daher nothwendig wird, entweder eine Wahl zwischen Alternativen oder auch eine vermittelnde Lösung zu befürworten.

§ 19. Russische Behörden, welche für Finland Funktionen ausüben. I. Da der finnische Staat, als mit Rußland unauflöslich vereinigt, in völkerrechtlichen Beziehungen kein besonderes Rechtssubjekt ausmacht, gehört zu den Institutionen des Großfürstenthums selbstverständlich kein Organ für auswärtige Angelegenheiten. Das russische Ministerium des Auswärtigen vertritt die Interessen Finlands nicht nur in Angelegenheiten, welche zu Folge ihrer Beschaffenheit das ganze Reich, also auch Finland, betreffen, sondern ebenso, wenn die mit einer fremden Macht zu treffende Verabredung oder eine sonstige Verfügung internationaler Natur nur eine Angelegenheit Finlands, die nicht zugleich den Kaiserstaat berührt, zum Gegenstand hat.

Die fraglichen Angelegenheiten sind jedoch nicht der ausschließlichen Fürsorge des Ministeriums des Auswärtigen überlassen. Wie oben im § 15 angeführt worden, gehören die internationalen Fragen auch in den Geschäftskreis des Senats. Die Behandlung derselben im Senat ist aber nur eine vorbereitende: der Senat giebt sein Gutachten über vorgeschlagene Verträge und Konventionen ab, namentlich um zu erörtern, inwiefern dieselben den Interessen Finlands entsprechen und mit den Gesetzen des Landes vereinbar sind; der Senat kann auch zu einer vom Ministerium des Auswärtigen weiter zu behandelnden Maßregel die Initiative ergreifen. Internationale Fragen als solche können also dem Kaiser nicht vom Minister-Staatssekretär für Finland vorgetragen werden. Sollte aber ein beabsichtigter Vertrag Stipulationen enthalten, durch welche ein Gesetz Finlands abgeändert würde, so muß die Frage, ob eine solche Abänderung zulässig ist, vorerst als eine innere Angelegenheit Finlands behandelt und erledigt werden.

Wenn eine Vermittelung, bezw. ein exekutives Einschreiten im Auslande wegen einer finnischen Angelegenheit nöthig ist, hat die betreffende Behörde sich an den Senat zu wenden, welcher die Sache durch den Generalgouverneur dem Ministerium des Auswärtigen meldet. Doch sind die Gouverneure der Provinzen berechtigt, sich in Sachen der Strafpolizei unmittelbar an ausländische Behörden zu wenden70Cirkulär vom 13. Oktober 1810.. – Die Konsulate des russischen Reichs sind verpflichtet, in Angelegenheiten finnischer Unterthanen und der finnischen Schifffahrt die Gesetze Finlands zu beobachten. Sie stehen in diesen Angelegenheiten in unmittelbarem Verkehr mit dem Generalgouverneur71V. O. vom 10. Juli 1860, das Reglement für die russischen Konsulate in Europa und Amerika enthaltend..

II. Dem russischen Kriegsminister ist durch eine im Wehrpflichtsgesetze Finlands von 1878 eingeschaltete Bestimmung dieselbe Funktion für Finland zugetheilt worden, jedoch nur mit einem begrenzten Geschäftskreise. Es sollen nämlich die militärischen Kommandosachen – oder, nach den Worten des Gesetzes, ”solche die finnischen Truppen betreffende Angelegenheiten, welche nicht zum Gebiete der Gesetzgebung oder der ökonomischen Verwaltung gehören, oder wegen welcher die Gesetze des Landes nicht ein anderes Verfahren vorschreiben” – dem Kaiser und Großfürsten vom Kriegsminister vorgetragen werden72Wehrpfl. G. vom 27. Dezember 1878, § 119..

Dieser Auftrag ist dem Kriegsminister allein, nicht dem Kriegsministerium gegeben, und es ist ihm deßhalb ein finnischer Offizier, Obrist oder Generalmajor, nebst einer Kanzlei beigegeben, um die fraglichen Geschäfte wie auch solche militärische Angelegenheiten, über welche nur das Gutachten des Kriegsministers eingeholt wird, vorzubereiten und deren Aussertigung zu besorgen73V. O. vom 7. März 1881..

B. Das übrige Behördensystem.

§ 20. Die allgemeinen Gerichte. I. Die Gerichte erster Instanz sind: auf dem Lande die Kreisgerichte (Häradsrätt), in den Städten die Rathhausgerichte (Rådhusrätt).

a) Das ganze Staatsgebiet außer den Städten ist in 60 Gerichtskreise (Domsaga) eingetheilt. Ein jeder dieser Kreise umfaßt etliche – drei bis fünf – Gerichtssprengel (Tingslag), aus je einer oder zwei, bisweilen auch mehreren Kommunen zusammengesetzt. Das Kreisgericht besteht aus einem Kreisrichter (Häradshöfding) als Vorsitzendem und wenigstens sieben, höchstens zwölf Beisitzern (Nämndemän). Der Richter, welcher die durch juristische Prüfung bei der Universität erwiesene Befähigung besitzen muß, wird vom Kaiser und Großfürsten, auf Vorschlag des betr. Hofgerichts, worüber das Departement der Justiz des Senats sein Gutachten giebt, ernannt. Die Beisitzer werden von den Kommunen des Sprengels in solcher Weise gewählt, daß die Wähler drei Kandidaten bezeichnen, von denen das Kreisgericht einen beruft. Wählbar sind alle für kommunale Aemter qualificirte männliche Mitglieder der Kommune, welche das Alter von 25 Jahren erreicht haben.

Die Organisation des Gerichtes ist nicht eine kollegiale; nur wenn sämmtliche Beisitzer einstimmig anderer Meinung als der Richter sind, ist ihre Meinung für das Urtheil entscheidend; sonst bleibt es bei der vom Richter geäußerten Meinung. Die Stellung der Beisitzer ist also nicht mit derjenigen der germanischen Schöffen zu vergleichen.

Das Kreisgericht hält jährlich in jedem Sprengel zwei ordentliche Sitzungen; die Zeit der Sitzung wird vorher kundgemacht. Wegen besonderer Ursachen werden auch außerordentliche Sitzungen abgehalten74A. G. von 1734, R. B. Kap. I und II, Kap. III § 2. Gesetz vom 25. Januar 1886..

b) Mit Ausnahme einiger ganz kleiner Städte, welche zur Jurisdiktion des umgebenden ländlichen Gerichtssprengels gehören, bildet jede Stadt mit ihrem Territorium einen besondern Gerichtsbezirk. Das städtische Gericht, Rathhausgericht genannt, besteht aus dem Bürgermeister als Vorsitzenden und Rathsherren (Rådmän), deren Anzahl nach der Größe der Stadt wechselt, als Mitgliedern. In den größern Städten verhandelt das Gericht gewöhnlich in Abtheilungen von je drei Mitgliedern.

In den größten Städten giebt es zwei Bürgermeister, einen für die Justiz. während der andere, als Vorsitzender des ”Magistrats” (der städtischen Verwaltungsund Aufsichtsbehörde), mit überwiegend polizeilichen und administrativen Funktionen bekleidet ist. In den meisten Städten fungirt aber nur ein Bürgermeister, welcher sowohl im Rathhausgericht als im Magistrat das Präsidium führt. Die Rathsherren sind theils juristisch gebildet (Justitiaerådmän), theils nicht (Politierådmän) und werden aus der Bürgerschaft erwählt. Die erstgenannten sind Mitglieder des Rathhausgerichtes, die letzteren des Magistrats. Doch kommt es auch vor, daß in kleinen Städten nur Rathsherren der zweiten Kategorie angestellt sind.

Die Besetzung der städtischen Richterstellen geschieht, nachdem eine Wahl in der|276| Stadtkommune stattgefunden hat. Der Kaiser und Großfürst ernennt zum Bürgermeister einen der drei Kandidaten, welche wegen der ihnen bei der Wahl zugefallenen größeren Stimmenzahl in Vorschlag gebracht sind. Der Gouverneur der betreffenden Provinz bestätigt als Rathsherrn den von der Stadt durch absolute Stimmenmehrheit zum Amte gewählten Kandidaten.

c) Die Kreis- und Rathhausgerichte sind zuständig sowohl für civile als für Strafsachen; jedoch ist vorgeschrieben, daß die Urtheile der ersten Instanz wegen schwerer Verbrechen dem Hofgericht zur Prüfung unterbreitet werden sollen. Auch besteht zwischen den Kreis- und den Rathhausgerichten der Unterschied, daß Fragen des Wechselrechts und seerechtliche Sachen, Havarie oder Assekuranz betreffend, nur von dem städtischen Gerichte behandelt werden können.

II. Die Gerichte zweiter Instanz sind die Hofgerichte (Hofrätt).

Es giebt drei Hofgerichte (Abo, Wasa, Wiburg); die Jurisdiktion eines jeden umfaßt einen bestimmten Theil des Staatsgebietes. Die Organisation des Hofgerichts ist kollegial. Das richterliche Personal besteht aus dem Präsidenten, dem Vicepräsidenten und Mitgliedern, welche theils Hofgerichtsräthe, theils Assessoren sind und deren Anzahl in Abo 18, im Wasaer Hofgerichte 9 und im Wiburger Hofgerichte 17 ausmacht. Der Kaiser und Großfürst ernennt unmittelbar, auf Antrag des Generalgouverneurs die Präsidenten und Vicepräsidenten; die Hofgerichtsräthe und Assessoren werden auch vom Kaiser ernannt, aber nachdem der Senat, im Departement der Justiz, einen Vorschlag eingesandt.

Gewisse Sachen werden vom Hofgericht in erster Instanz entschieden, namentlich schwerere Staats- und Religionsverbrechen.

Die Hofgerichte verhandeln in ”Divisionen” oder Abtheilungen, welche je in der Besetzung von vier Mitgliedern beschlußfähig sind; doch ist die Präsenz von fünf Mitgliedern bei der Beurtheilung schwererer Strafsachen geboten75Die Bestimmungen über Organisation und Kompetenz der Hofgerichte finden sich im A. G. von 1734 und in der R. F. § 15. – Die Zahl der Mitglieder wird aber im Wege der Verordnung festgestellt..

III. Die höchste Instanz bildet, wie bereits oben, § 15, I und III, angeführt worden, das Departement der Justiz des Senats.

Was die Organe der Verwaltungsgerichtsbarkeit betrifft, so werden diese in dem Kapitel über die Verwaltung dargestellt werden.

§ 21. Die Organe der Verwaltung. I. Sämmtliche Verwaltungsbehörden sind dem Senat (Departement der Oekonomie) untergeordnet.

Die Verwaltungsbehörden sind theils für die verschiedenen Zweige der Verwaltung eingerichtete centrale Mittelbehörden mit subordinirten Lokalbehörden, theils Organe der allgemeinen Provinzialverwaltung, die sog. Provinzialregierungen (Länestyreise).

Die Beziehungen der Verwaltungsbehörden zum Senat werden vermittelt durch die acht Expeditionen (Fachministerien), welche das Departement der Oekonomie umfaßt und welchen es zukommt, als nächste Oberbehörde die Thätigkeit der Bewaltungsbehörden zu beaufsichtigen76S. oben § 15, V..

Zum Ressort

der Civil-Expedition gehören: die Provinzialregierungen, die Medizinaldirektion, das Statistische Centralbüreau, die Direktion der Preßangelegenheiten;

der Kanzlei-Expedition: die Postdirektion, die Direktionen des Gefängnißwesens und der allgemeinen Bauten;

der Finanz-Expedition: die ”Finlands Bank”77Jedoch nur in gewissen Beziehungen, indem die eigentliche Leitung der Bank den Delegirten der Stände zukommt., das Staatskomptoir, die Zolldirektion, das Stempelkomptoir, die Münze;

der Kammer-Expedition: das Revisionsgericht und Revisionskomptoir, die Direktion der Feldmessung nebst der Kommission des Maaß- und Gewichtsystems, die Forstdirektion nebst dem Forstinstitut;

der Militär-Expedition: das Befehlsamt des Heeres78Doch nicht in Kommandosachen., die Kadettenschule79In Verwaltungssachen., das Kriegskommissariat (Intendantur), die Ersatzkommissionen;

der Kultus-Expedition: die lutherischen Konsistorien, die Direktion des Schulwesens nebst sämmtlichen Lehranstalten für allgemeine Bildung80Die Universität nimmt eine Sonderstellung im Verwaltungssystem ein (worüber weiterhin das Nähere); doch gelangen gewisse Angelegenheiten der Universität auch an die Kultus-Expedition und den Senat.;

der Landwirthschafts-Expedition: die Direktion der Wege- und Wasserbauten, die Eisenbahndirektion, der Inspektor der Fischereien, die Staatsagronomen, landwirthschaftliche Ingenieure und Meiereiinstruktoren, die Lehranstalten für Landwirthschaft und die Direktionen der landwirthschaftlichen Vereine81Diese Direktionen sind nicht Behörden im eigentlichen Sinne, sie werden von den Vereinen gewählt, haben aber, weil die Vereine Subventionen genießen, Funktionen im Auftrage der Regierung auszuüben.;

der Handels- und Industrie Expedition: die Direktion des Lotsenwesens und der Leuchtthürme, die Industrie-Direktion, das Polytechnische Institut, die Gewerbe-, Navigations- und Handelsschulen, die Handelsagenten.

II. Die centralen Mittelbehörden sind entweder als Kollegien oder als Büreaus organisirt. In den letzteren – dem Statistischen Centralbüreau, der Postdirektion, der Direktion des Gefängnißwesens, der Direktion der allgemeinen Bauten, der Forstdirektion, dem Kriegskommissariat, der Direktion des Lotsenwesens und der Leuchtthürme – kommt das Entscheidungsrecht dem Chef allein zu, die ihm vortragenden Beamten sind nicht Räthe, nur Sekretäre, Kämmerer, Ingenieure u. dergl. Die kollegialen Behörden aber bestehen aus einem Chef – Oberdirektor oder Generaldirektor – und zwei oder mehreren Mitgliedern – Direktoren, Assessoren oder Räthe – und es findet hier die Beschlußnahme unter Zusammenwirken der Chefs und der Mitglieder statt. Jedoch ist auch in den kollegialen Behörden dem Chef das Recht eingeräumt, kleinere, in der betreffenden Instruktion angegebene Geschäfte allein zu entscheiden; im größten Umfange ist dies der Fall in der Eisenbahndirektion. – Die Ausfertigung der Beschlüsse geschieht mit Unterschrift der am Beschlusse Betheiligten und Gegenzeichnung des Sekretärs oder Kämmerers.

Sowohl die Chefs als die Mitglieder der centralen Behörden werden vom Kaiser und Großfürsten, auf Antrag bezw. Vorschlag des Senats, ernannt. Eine Ausnahme hievon bildet der Direktor des Lotsenwesens, welcher Militär ist und auf Antrag des Generalgouverneurs vom Kaiser ernannt wird. Der Senat besetzt die Sekretärsämter und diesen entsprechende Stellen auf Vorschlag der betreffenden Behörde, welche dagegen selbst ihre niedern Beamten ernennt82Als Ausnahmen von der Regel find die Direktionen der Bank und des Staatskomptoirs berechtigt ihr sämmtliches Personal zu ernennen..

Die Funktionen der centralen Mittelbehörden bestehen überhaupt darin:

die genaue Beobachtung der Gesetze in ihren Geschäftskreisen aufrecht zu erhalten, die Vorschriften der Regierung zu vollziehen;

für die Entwickelung der ihnen anvertrauten öffentlichen Einrichtungen Sorge zu tragen, sei es durch Maßregeln, die in ihrer Befugniß liegen, sei es durch Vorschläge, die dem Senat oder der betreffenden Expedition desselben unterbreitet werden;

die Thätigkeit der untergeordneten Beamten zu beaufsichtigen.

Die Befugniß der Behörden ist durch Gesetze, Verordnungen und Etats genau geregelt und begrenzt.

Den meisten der centralen Behörden sind lokale Behörden oder Beamte in den Provinzen untergeordnet.

Auf eine nähere Auseinandersetzung der Funktionen der fraglichen Verwaltungsorgane und ihrer Verzweigungen, sowie namentlich die Unterrichtsanstalten und das Militär, hier einzugehen, würde dem Kapitel über die Verwaltung vorgreifen.

III. Die Organisation der acht Provinzialregierungen ist folgende:

An der Spitze steht der Gouverneur als Chef. Ihm allein kommt das Entscheidungsrecht zu. Die Behörde besteht aus zwei Abtheilungen, der Landkanzlei unter der Leitung des Landsekretärs und dem Landkomptoir, welchem der Landkämmerer vorsteht. Diese beiden Beamten bereiten die Geschäfte vor und sind, jeder für seine Abtheilung, vortragende Räthe des Gouverneurs. In seiner Abwesenheit haben sie gemeinschaftlich das Entscheidungsrecht des Gouverneurs auszuüben. Ihnen sind Vicelandsekretäre und Vicelandkämmerer beigegeben. Das Personal zählt noch, außer niedern Gehülfen, einen oder zwei Provinzialkassierer.

Der Gouverneur wird auf Antrag des Generalgouverneurs vom Kaiser ernannt. Auch die Landsekretäre und Landkämmerer ernennt der Kaiser, aber auf Vorschlag des Senats (im engeren Plenum). Der Senat (Departement der Oekonomie) besetzt die jenen zunächst stehenden Aemter auf Vorschlag des Gouverneurs. Ihm kommt es zu, die niederen Stellen zu besetzen.

Auf die vielseitigen Funktionen des Gouverneurs, bezw. der Provinzialregierung, später zurückkommend, bemerken wir vorläufig, daß dieselben sich hauptsächlich auf das Polizeiwesen im weitesten Sinne des Wortes, das Exekutionswesen, die wirthschaftlichen Interessen, namentlich die Landeskultur, und auf Angelegenheiten der Finanzverwaltung beziehen. Der Gouverneur ist überhaupt das Organ der Staatsregierung in allen Zweigen, welche nicht durch spezielle Beauftragte der Centralbehörde vertreten sind.

Jede Provinz ist in Vogteien (Härad) vertheilt, deren Anzahl für das ganze Land 51 beträgt. Die Beamten der Vogtei, der Kronvogt und der Vogteischreiber, vom Senat auf Vorschlag des Gouverneurs ernannt, besorgen die auf ihren Verwaltungsbezirk bezüglichen Angelegenheiten der Provinzialregierung. Die Vogtei umfaßt eine Anzahl kleinerer Bezirke, aus je einer oder zwei Kommunen bestehend; der vom Gouverneur berufene Bezirksbeamte oder Kommissar (Länsman) hat namentlich polizeiliche und exekutive Funktionen, unter Leitung des Kronvogts, auszuüben.

In den Städten sind die Magistrate83S. oben § 20 b. nebst den nur in den größten Städten bestehenden Polizeikammern die Organe für die von den Gouverneuren geleiteten Angelegenheiten.

Für einige Verwaltungszweige verfügt der Gouverneur noch über specielle Beamte: Agronomen, Domänenaufseher, Verwalter der Getreidemagazine des Staats.

Das System der bürgerlichen Selbstverwaltung erstreckt sich nicht auf die Provinzen, es ist auf die Kommunen beschränkt. Die Kommunalverwaltung wird weiterhin besonders behandelt werden. Ebenso das Kirchenwesen, dessen Organisation sowohl staatliche Aemter als Selbstverwaltung umfaßt.

C. Die Beamten.

§ 22. Der Staatsdienst; die Anstellung der Beamten.

Als Vorbemerkung ist zu erwähnen, daß die auf den Staatsdienst überhaupt und die Rechtsverhältnisse der Beamten bezüglichen Bestimmungen theils in den Grundgesetzen und Staatsprivilegien, theils in allgemeinen Gesetzen, theils in einer Menge Verordnungen älterer und neuerer Zeit zu finden sind. Es giebt daher neben den hauptsächlichen Normen zahlreiche specielle Vorschriften, diesen Gegenstand betreffend. Wir werden hier nicht auf alle Einzelheiten eingehen können.

I. Der Staatsdiener oder Beamte ist in der Regel Inhaber eines durch Gesetz oder Verordnung geschaffenen, mit feststehender Besoldung laut geltendem Etat versehenen Amtes. Es giebt aber auch Beamte, bei welchen dies nicht der Fall ist, nämlich diejenigen, welche nach erworbener Kompetenz als außerordentliche Beamte oder Gehülfen ohne festen Gehalt angestellt werden, bis ihnen nach dieser ersten Stufe des Staatsdienstes ein ordentliches Amt zufällt. Solche Beamte werden hauptsächlich bei den Gerichten und höheren Verwaltungsbehörden verwendet.

Die Stellung eines Beamten wird durch die Ernennung oder Anstellung begründet. Derjenige, welcher, sei es auch von der Regierung, nur vorübergehend einen besonderen Auftrag in öffentlichen Angelegenheiten, mit oder ohne Remuneration, empfangen hat, oder nur durch Wahl zur Ausübung einer öffentlichen Funktion, bezw. eines sogenannten Ehrenamtes, berufen worden, hat nicht die Stellung eines Beamten.

Die Anstellung des Beamten setzt seine freiwillige Zustimmung voraus, beruht also auf einem Vertrage, dessen Bedingungen jedoch nicht in casu verabredet werden, sondern im Voraus gesetzlich bestimmt sind.

II. Bedingungen der Anstellung eines Beamten sind:

a) Männliches Geschlecht. In der letzten Zeit ist jedoch im Verordnungswege verfügt worden, daß Frauen in der Postverwaltung angestellt werden können. Als individuelle Ausnahme hat Ernennung von Frauen auch in anderen derartigen Verwaltungszweigen, wo Ausübung obrigkeitlicher Gewalt nicht in Frage kommt, stattgefunden. – Daß Frauen schon früher, oder seit der Einrichtung öffentlicher Schulen für das weibliche Geschlecht, bei diesen als Lehrerinnen angestellt worden, dürfte kaum als Ausnahme von der Regel zu betrachten sein.

b) Die Eigenschaft, finnischer Staatsbürger zu sein84R. F. § 10; V. u. S. A. § 1; Wehrpflicht-G. § 120.. Nach dem Wortlaut des Gesetzes könnten nur eingeborene finnische Staatsbürger im finnischen Staatsdienst angestellt werden; doch hat sich die Auffassung manchmal geltend gemacht, daß die Naturalisation, über deren rechtliche Konsequenzen die Gesetze nicht vollständige Bestimmungen enthalten, auch zum Staatsdienst den Weg öffnen könne. Hierbei möge bemerkt werden, daß diese Auffassung unzweifelhaft dem Geiste des Gesetzes zuwider wäre, wenn sie auch zur Besetzung der höheren Staatsämter durch Naturalisirte führen würde85Diese Bemerkung gründet sich auf Gesetze vom 17. Jahrhundert, welche auf Grund einer Bestimmung in § 39 der R. F. von 1772 bei der Interpretation noch zu berücksichtigen sind.,

Als Ausnahme von der Regel gestattet die R.-F. die Anstellung solcher Ausländer, welche durch vorzügliche Eigenschaften dem Staate von besonderem Nutzen sein können – eine Ausnahme, welche eigentlich nur bei der Besetzung wissenschaftlicher Aemter Anwendung gefunden.

c) Unbescholtener Ruf.

d) Angehörigkeit zur lutherischen Kirche86R. F. § 1.. Von dieser Regel besteht jedoch nun|280|mehr die Ausnahme, daß auch Bekenner der griechisch-orthodoxen Kirche, wenn sie die sonstigen Bedingungen erfüllen, als Beamte angestellt werden können87V. O. vom 14. August 1827..

e) Kenntniß der beiden Landessprachen, der schwedischen und der finnischen88V. O. vom 20. Febr. 1865, 9. Mai 1881 und 29. Dezember 1883. Vgl. weiterhin § 39..

f) Durch vorgeschriebene Prüfungen bestätigte Vorbildung für den betreffenden Zweig des Staatsdienstes. Diese Prüfungen finden überwiegend bei den verschiedenen Fakultäten der Universität statt, aber außerdem, für technische Dienstzweige, bei dem polytechnischen Institute, dem Forstinstitute oder dem landwirtschaftlichen Institute, für den Militärdienst bei der Kadettenschule. Es ist durch Verordnungen genau bestimmt, zu welchen Anstellungen die bestandene Prüfung besähigt. Eine spätere theoretische Prüfung Seitens der Behörden kommt nicht vor; wohl aber in einigen Dienstzweigen, namentlich für Schullehrer, praktische Proben, auch Probedienst, und bei der Universität besondere wissenschaftliche Specimina.

Von vorgeschriebener Prüfung kann der Senat im Namen des Souverains dispensiren. Obgleich dieses Dispensationsrecht keiner genauen Begrenzung unterliegt, gilt es doch als durch die Praxis bestätigte Regel, daß kaum von anderen Prüfungen, als den für die Kompetenz zu den geringeren Verwaltungsämtern vorgeschriebenen, und namentlich nie von den für die richterlichen Aemter geforderten Prüfungen, dispensirt wird. – Die durch gehörige Prüfungen oder Dispens gewonnene Kompetenz ist ein erworbenes Recht, welches nicht verloren geht, wenn auch später erhöhte Kompetenzforderungen für die betreffenden Aemter vorgeschrieben werden sollten. – Es giebt übrigens in verschiedenen Verwaltungszweigen kleine Amtstellen, für welche keine theoretische Vorbildung gefordert wird89Von den kirchlichen Aemtern wird besonders gesprochen werden..

Schließlich ist hier zu bemerken, daß ein Nachweis über erworbene Kompetenz nicht in Frage kommt bei der dem Kaiser und Großfürsten selbst vorbehaltenen und ohne Vorschlag Seitens des Senats stattfindenden Ernennung zu den höchsten Staatsämtern, die nicht richterlicher Natur sind.

III. In Bezug auf die Art und Weise, in welcher die Ernennung der Beamten stattfindet, sind folgende Kategorieen von Aemtern zu unterscheiden:

a) Die von Alters her als Vertrauensämter bezeichneten höheren und höchsten Aemter, welche der Kaiser und Großfürst selbst besetzt, ohne daß die Vakanz kundgemacht oder Gesuche eingereicht worden sind. Es wird nur die Zustimmung der betreffenden Person eingeholt. Die Ernennung erfolgt auf Antrag oder Meldung des Generalgouverneurs oder des Senats, oder auch, wenn es die Ernennung des Generalgouverneurs oder des Minister-Staatssekretärs gilt, aus der unmittelbaren Initiative des Kaisers. Zu dieser Kategorie gehören, außer den Seite 267, Note 1, angegebenen höchsten Funktionären, die Referendare und Kämmerer des Senats, der Adjoint des Prokurators, der Direktor der Kanzlei des Generalgouverneurs, die ersten und zweiten Expeditionssekretäre des Staatssekretariats, die Chefs sämmtlicher centralen Verwaltungsbehörden, und die militärischen Aemter, deren Inhaber wenigstens den Obristlieutenantsgrad besitzen müssen.

b) Die Mehrzahl der übrigen ordentlichen Aemter, mit Ausnahme der Offizierstellen, wegen deren Besetzung eine besondere Ordnung vorgeschrieben ist, werden, sobald eine Vakanz entsteht, zur Bewerbung binnen einer bestimmten Zeit kundgemacht. Von den Aspiranten werden drei, die am besten meritirten, zur Ernennung vorgeschlagen. Der Vorschlag wird in der Regel von der Behörde gemacht, bei welcher das betreffende Amt|281| vakant ist. Der Kaiser ernennt selbst zu denjenigen Aemtern dieser Kategorie, welche nicht niedriger als in der 7. Rangklasse stehen; die Besetzung der übrigen ist dem Senate überlassen90Vgl. oben § 15, III c, IV f. Das besondere auf Wahl gegründete Verfahren bei Ernennung der Bürgermeister und Rathsherren in den Städten ist bereits in § 20 erwähnt..

c) Es giebt ferner ordentliche Amtstellen, welche von den centralen Behörden oder den Gouverneurs besetzt werden. Das Verfahren unterscheidet sich von dem sub b) angeführten nur darin, daß kein Vorschlag gemacht wird. Zu dieser Kategorie gehören u. A. die Lehrer bei den Mittelschulen (Lyceen, Elementarschulen, Mädchenschulen), welche von der Oberdirektion des Schulwesens ernannt werden.

Die Anstellungsurkunde wird Vollmacht genannt. Die Steuererheber und niederen Polizeibeamten, sowie auch etliche Funktionäre in wirthschaftlichen Verwaltungszweigen werden jedoch nicht durch Vollmacht, sondern durch sog. Konstitutorial in das Amt eingesetzt.

d) Schließlich ist zu erwähnen, daß allmählich Amtstellen eingerichtet worden, denen nicht der Charakter des ordentlichen Amtes zukommt, indem nicht ein Gehalt im eigentlichen Sinne (lön), sondern nur ein Ersatzgeld (arvode) für dieselben im Etat aufgeführt ist. Während es Niemandem gestattet ist zwei ordentliche Aemter gleichzeitig zu bekleiden, kann dagegen der Inhaber eines ordentlichen Amtes zugleich eine in angeführter Weise remunerirte Nebenstellung (arvodestjenst) besorgen. Diese Stellen werden durch amtliche Beauftragung vergeben.

IV. Bei der Aufstellung des oben III b) erwähnten Vorschlages werden hinsichtlich der Reihenfolge der Aspiranten sowohl ihre Dienstzeit als ihre amtlichen Verdienste berücksichtigt. Wer vom Vorschlage ausgeschlossen worden oder nicht den Platz in demselben erhalten, zu welchem er sich berechtigt glaubt, kann bei dem Senat Beschwerde führen.

Die Ernennung ist aber nicht an die Reihenfolge der Vorgeschlagenen gebunden; es soll der zum betreffenden Amte am meisten Befähigte berufen werden.

Die adelige Geburt gewährt keinen Vorzug. ”Geschicklichkeit, Verdienst, Erfahrung und erprobte bürgerliche Tugend sind der einzige und rechte Grund, nach welchem die Beförderung zu allen Aemtern des Staates, höheren wie niederen, stattfinden soll”91V. u. S. A. § 4..

§ 23. Die Rechtsverhältnisse der Beamten. I. Beim ersten Eintritt in den Staatsdienst wird von dem Angestellten der Diensteid geleistet. Die Pflichten des Beamten sind überhaupt folgende:

a) Er soll sich mit Treue und Eifer seinem Berufe widmen. Der Beamte darf sich der Amtsausübung nicht enthalten, wenn nicht ein Urlaub ihm vergönnt worden92Beurlaubung auf kürzere Zeit liegt in der Befugniß der dem Beamten zunächst vorgesetzten Behörde. Gilt es längere Zeit, muß der Urlaub beim Senat erwirkt werden, welcher dann auch den Stellvertreter verordnet. – Die höchsten Funktionäre können nur vom Kaiser und Großfürsten selbst beurlaubt werden.
Die Beurlaubung setzt überhaupt triftige Gründe voraus., oder ein als gültig anerkanntes Hinderniß sowie Krankheit nachgewiesen wird.

Der Beamte ist nicht berechtigt, solche Beschäftigungen vorzunehmen, welche auf die Pflege seines Amtes schädlich einwirken oder seine Unparteilichkeit beeinträchtigen könnten. Es giebt allerdings keine allgemeine Gesetzesvorschrift, laut welcher jegliche Nebenbeschäftigung dem Beamten versagt wäre; im Gegentheil erkennen die Gesetze mittelbar an, daß neben dem Amte eine andere Thätigkeit in Frage kommen kann; die oben angeführte|282| Regel liegt aber überhaupt in der Natur des Dienstverhältnisses und ist in Bezug auf besondere Dienstzweige in den Gesetzen ausgesprochen.

b) Gehorsam gegen den Kaiser und Großfürsten und die Vorgesetzten.

Daß die Pflicht zum Gehorsam sich nur auf die amtlichen Geschäfte bezieht, erhellt schon aus dem Formular des Amtseides (”.... ich gelobe alle die Pflichten zu erfüllen, die mir im Dienste obliegen”). Die verschiedenen Behörden sind nicht berechtigt Anderes zu befehlen, als was in ihrer Befugniß und in dem Bereiche ihres Geschäftskreises liegt93R. F. § 14.. Es giebt kein Gesetz, welches die Beamten verpflichten würde, Befehle auszuführen, zu deren Ertheilung der Vorgesetzte nicht die gesetzliche Befugniß besäße.

c) Der Beamte soll in seiner ganzen amtlichen Thätigkeit die Gesetze – im weitesten Sinne dieses Wortes – genau beobachten und zur Erfüllung derselben mitwirken.

d) Der Beamte ist verpflichtet, ”das nicht zu offenbaren, was laut den Gesetzen oder besonderen Vorschriften geheim gehalten werden soll”94Das Formular des Diensteides..

e) Er ist verpflichtet, sowohl im Dienst als außerhalb desselben sich untadelig aufzuführen.

f) Der Beamte soll am Orte seiner Dienstausübung wohnen. Manchen Beamten der lokalen Verwaltung steht es jedoch frei, ihren Wohnort zu wählen, sobald sie dabei nicht die Grenzen ihres Amtsbezirkes überschreiten.

Außer diesen im Dienstverhältnisse begründeten Pflichten sind die Beamten, um Abweichungen von der Amtspflicht vorzubeugen, gewissen Einschränkungen in ihrer Handlungsfreiheit unterworfen, so namentlich

g) darf der Beamte nicht von einer fremden Macht irgendwelche Gabe oder Belohnung empfangen, ohne dazu die Erlaubniß des Kaisers und Großfürsten erhalten zu haben95A. G. von 1734; M. B. 4: 6.. Ebenso ist es ihm verboten, selbst oder durch Andere seine Mitbürger zu irgend welchen Einsammlungen zu seinem Nutzen zu bereden, ja sogar freiwillig angebotene Geschenke anzunehmen96A. G. von 1734; M. B. 44: 1..

h) Einigen Beamten ist jeglicher Gewerbebetrieb untersagt97Gesetz vom 31. März 1879., anderen ist die Betheiligung an gewissen Industrien verboten.

II. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung sind theils strafrechtliche, theils privatrechtliche, theils disziplinäre.

Außer zu den gewöhnlichen Strafen kann der Beamte zum Verlust des Amtes oder zur Entfernung von demselben auf gewisse Zeit (Suspension) verurtheilt werden.

Der Beamte haftet für die Vermögensbeschädigung, welche er in Ausübung des Amtes herbeigeführt hat, auch wenn der von ihm begangene Fehler keine dolose Handlung war. Diese Haftpflicht, welche nach civilrechtlichen Gründen geprüft wird, gilt sowohl den Einzelnen als dem Fiskus gegenüber.

Strafrechtliche und privatrechtliche Folgen der Amtsdelikte können dem Beamten nur durch Gerichtsurtheil auferlegt werden.

Wegen geringerer Vergehen oder Versäumnisse kann aber der Beamte von der ihm vorgesetzten Behörde im disziplinaren Wege bestraft werden. Die Disziplinarstrafen sind: mündlicher oder schriftlicher Verweis, zeitweilige Entfernung vom Amte, auch Geldbußen. Hierbei ist zu bemerken, daß die Disziplinarbefugniß bei inamoviblen Beamten einer engeren Begrenzung unterliegt, als wenn mit dem betreffenden Amte Inamovibilität nicht verbunden ist; es giebt überhaupt keine einheitlichen Vorschriften über diesen Gegenstand.

III. Die Rechte der Beamten sind:

a) Das Recht auf Schutz in der Ausübung des Amtes. Verbrechen, welche gegen Beamte in der Ausübung des Dienstes begangen werden, sind geschärfter Strafe unterworfen.

b) Das Recht auf den mit dem Amte verbundenen Titel und Rang.

c) Das Recht, Inhaber des durch die Ernennung erhaltenen bestimmten Amtes zu verbleiben, bis der Beamte freiwillig aus seiner Anstellung scheidet oder etwa durch gerichtliches Urtheil des Amtes enthoben wird.

Als allgemeine Regel gilt nach finnischem Gesetze, daß nicht nur die Richter, sondern auch die Verwaltungsbeamten (Lehrer und Militär einbegriffen) inamovibel sind, d. h. daß sie nur wegen begangenen Verbrechens, durch Urtheil des zuständigen Gerichtes ihres Amtes enthoben und nicht wider ihren Willen in ein anderes Amt oder in Disponibilität versetzt werden können98Reichstagsbeschluß vom 23. Juni 1786 § 4, als ergänzende Erläuterung der R. F. § 2. V. u. S. A. (in der Konfirmation dieser Urkunde). – Diese Gesetzesstellen liegen auch den im Texte nachfolgenden Ausnahmen zu Grunde..

Ausnahmen von dieser auf die ordentlichen Aemter bezüglichen Regel sind: 1) die oben § 22 IIIa) erwähnten sog. Vertrauensämter; von diesen kann der Kaiser den Inhaber ohne sein Gesuch entlassen oder versetzen, wenn er es für nützlich findet; – und 2) die im Steuer- und Kassenwesen, bei der Polizei und in einigen wirthschaftlichen Verwaltungszweigen angestellten Beamten, für welche die Anstellungsurkunde als Konstitutorial bezeichnet ist99S. oben § 22, III c). – Selbstverständlich ist mit den daselbst d) erwähnten Nebenbestellungen die Inamovibilität nicht verbunden.; die Inhaber dieser Aemter können wegen begangener Dienstfehler von der vorgesetzten Behörde, bezw. dem Senate, ohne gerichtliches Verfahren suspendirt oder in ein anderes Amt versetzt, einige Kategorieen derselben auch definitiv verabschiedet werden100Die Anzahl der nicht inamoviblen Beamten ist in neuester Zeit zufolge der Entwickelung der wirthschaftlichen Verwaltungszweige (z. B. der Verwaltung der Staatseisenbahnen) beträchtlich gewachsen.

d) Das Recht auf das mit dem Amte verbundene Diensteinkommen.

Wird dieses Einkommen durch einen neuen Etat vermindert, so ist der frühere höhere Betrag jedenfalls dem damaligen Inhaber des Amtes, so lange er bei demselben verbleibt, zugesichert.

Es kann aber auch geschehen, daß, in Folge einer veränderten Einrichtung oder der Aufhebung einer Behörde oder einer Lehranstalt, das von dem Beamten verwaltete Amt aufhört. Für solche Fälle verfügt das Gesetz, daß, wenn ein Amt, mit welchem Inamovibilität verbunden ist, aufhört, der Inhaber desselben während zwei Jahren das volle Einkommen, d. h. sowohl Gehalt als Zulagen nur mit Ausnahme solcher, welche eine besondere Vergütung obligatorischer dienstlicher Ausgaben sind, erhalten soll, und danach einen Ruhestandsgehalt im Betrage der vollen Pension, die ihm nach beendigter Dienstzeit bei diesem Amte zukommen würde. Offiziere, welche wegen der Auflösung ihrer Truppe in Ruhestand versetzt werden, erhalten die Hälfte ihres sämmtlichen Diensteinkommens101Gesetz vom 3. Februar 1868..

Dasselbe Gesetz berücksichtigt auch die nicht inamoviblen Beamten, indem es ihnen, für den Fall des Aufhörens ihres Amtes, die volle Pension zusichert.

Die aus der angeführten Ursache in den Ruhestand versetzten Beamten sind außerdem berechtigt, ihre Dienstjahre zu berechnen und um andere Aemter sich zu bewerben, aber auch verpflichtet, ein neues Amt, zu welchem sie etwa berufen werden, zu übernehmen,|284| wenn dasselbe dem früheren ähnlich ist und entweder an dem früheren dienstlichen oder dem während der Ruhestandszeit gewählten Wohnorte auszuüben ist. Ist der Gehalt bei dem neuen Amte geringer, wird die Differenz dem aus dem Ruhestand Berufenen vergütet. In Ruhestand versetzte Offiziere und nicht inamovible Beamte sind jedoch verpflichtet, sich ohne Berücksichtigung des Dienstortes von Neuem in einem gleichartigen Amte anstellen zu lassen.

Wer sich der erwähnten Verpflichtung entzieht, ohne gesetzlichen Grund nachzuweisen, wird aus dem Dienstverhältnisse, mit einer der Dienstzeit entsprechenden Pension, entlassen.

e) Das Recht auf eine Pension beim Abgang vom Amte nach vollendeter Dienstzeit.

In der Regel hat der Beamte mit 35 Dienstjahren, und wenn er dabei das Alter von 65 Jahren erreicht hat, das Recht auf die volle Pension erworben. Der Betrag der Pension entspricht entweder dem als Gehalt bezeichneten Haupttheile des Diensteinkommens oder ist an und für sich festgestellt. – In einigen Dienstzweigen gelten abweichende Bestimmungen in Bezug auf den Eintritt des Pensionsrechtes. – Wer früher aus dem Amte scheidet, erhält, wenn es wegen Krankheit geschieht, und er wenigstens 15 Jahre gedient hat, einen der Dienstzeit entsprechenden Theil des vollen Pensionsbetrages.

Nach dem Tode eines Beamten, sei es daß er entlassen war oder noch im Dienste stand, wird an seine Familie eine nach der Dienstzeit und dem Gehalte des Verstorbenen berechnete Gratifikation ausgezahlt.

Die Pensionen an die Familien werden nicht aus der Staatskasse bezahlt. Es sind aber vier besondere Wittwen- und Waisenkassen unter der Aegide des Staates eingerichtet (für die Civilbeamten, den Militärstand, die Schullehrer und die Geistlichen, die beiden erstgenannten mit Subvention aus Staatsmitteln). Von den Gehalten sämmtlicher Beamten gehen jährliche obligatorisch festgestellte Beiträge in die betreffende Kasse, aus welcher nach dem Tode des Beamten Pensionen in verschiedenen Klassen an Wittwen und Kinder ausgezahlt werden.

IV. Das Dienstverhältniß hört in der Regel dadurch auf, daß der Beamte auf sein Ansuchen entlassen wird. Daß der Beamte aber auch ohne sein Gesuch oder wider seinen Willen entlassen oder verabschiedet, sowie auch durch Gerichtsurtheil seines Amtes enthoben werden kann, ist aus dem oben III c) Angeführten ersichtlich.

Nur in Bezug auf die Offiziere, sowohl der aktiven Truppen als der Reserve, sind gewisse Altersgrenzen festgestellt, bei deren Erreichung das Scheiden vom Dienste obligatorisch ist102Gesetz vom 14. Dezember 1885..

III. Kapitel. Die Volksvertretung.

§ 24. Zusammensetzung des Landtages: die Stände. Das Organ der Vertretung des Volkes im Staatsleben sind die zum Landtag versammelten Stände Finlands. Die Stände Finlands oder die Landstände bestehen aus den vier besonderen Ständen: dem Adel, dem geistlichen Stand, dem Bürgerstand und dem Bauernstand103L. O. § 1..

I. Der Adel. Mitglieder dieses Standes (dessen vollständige offizielle Benennung ”die Ritterschaft und der Adel” lautet) sind die Häupter sämmtlicher im Register des ”Ritterhauses” gehörig eingeschriebenen gräflichen, freiherrlichen und einfach adeligen Familien. Wie bereits oben § 13 erwähnt worden, gehört die Verleihung der adeligen|285| Rechte zu den Prärogativen des Kaisers und Großfürsten. Das Spezialgesetz für den Adel, die Ritterhausordnung vom 21. April 1869, enthält die Bestimmungen, laut welchen die Introduktion oder Einschreibung im Ritterhause des in den Adelstand Erhobenen oder mit dem Freiherrn- oder Grafentitel Belohnten stattfindet.

Haupt der Familie ist das nach der Geschlechtsfolge älteste männliche Mitglied derselben.

Zu Beginn des Landtages geschieht der Aufruf der Familien. Hat der Aelteste sich beim zweiten Aufruf nicht gemeldet, so steht es den jüngeren Mitgliedern der Familie, unter Bevorzugung des in der Reihenfolge älteren, offen, den Sitz der Familie beim Landtage einzunehmen. Bleiben auch diese aus, so kann ein Mitglied einer anderen adeligen Familie als Bevollmächtigter des Hauptes der von einem eigenen Mitgliede nicht vertretenen Familie zum Sitze derselben zugelassen werden. Ueber die allgemeinen Qualifikationen s. unten V. Die Direktion des Ritterhauses prüft die Meldungen und fertigt den Berechtigten die Zutrittskarte zum Repräsentantensitz aus. Wird Jemandem der Zutritt verweigert, so kann er die Entscheidung über sein Recht in der nächsten Plenarsitzung des Standes fordern.

Die Zahl der im Ritterhause Finlands eingeschriebenen adeligen Familien, nach Abrechnung der erloschenen, ist gegenwärtig 236, nämlich 7 gräfliche, 47 freiherrliche, 182 unbetitelte. Die Zahl der bei einem Landtage vertretenen Familien ist aber bisher nicht über 140 gestiegen.

II. Der geistliche Stand104L. O. § 11. besteht aus

a) dem Erzbischof und den zwei Bischöfen der lutherischen Kirche;

b) 28 Deputirten, gewählt von den Inhabern ordentlicher Aemter in der genannten Kirche;

c) 1 oder 2 Abgeordneten der Universität;

d) 3 bis 6 Abgeordneten der Lehrer bei den öffentlichen Schulen (die Volksschulen und Fachschulen nicht inbegriffen).

Wahlkreise für die Kategorien b) und d) sind die drei kirchlichen Stifte oder Bisthümer105Zur Zeit der Ausfertigung der L. O. war die Verwaltung der Schulen noch nicht von der kirchlichen Stiftsverwaltung abgesondert.. Jeder Wahlkreis bestimmt seine Wahlordnung selbst. Das Konsistorium nimmt die Wahl vor.

III. Der Bürgerstand besteht aus den Abgeordneten der Städte106L. O. § 12.. Ursprünglich gehörte das Wahlrecht nur denjenigen Stadtbewohnern, welche zur Ausübung eines bürgerlichen Gewerbes berechtigt waren. Die Landtagsordnung dehnte das Recht auf die Hausbesitzer aus. Zehn Jahre später107Gesetz, den § 12 der L. O. abändernd, vom 20. März 1879. erschien die jetzt geltende Bestimmung, laut welcher das fragliche Wahlrecht, vorbehaltlich der weiterhin anzuführenden allgemeinen Qualifikationen, jedem in der Stadt wohnhaften Manne, welcher nach dem Kommunalgesetze besteuert ist, zukommt; jedoch mit Ausnahme derer, welche zum Adel oder Priesterstande gehören, sowie auch der Soldaten, Matrosen, Taglöhner und der unter dem Gesetz betreffend die privaten Dienstverhältnisse stehenden Personen.

Jede Stadt mit weniger als 6 000 Einwohnern sendet einen Deputirten, die Städte mit 6 000, aber weniger als 12 000 Einwohnern zwei Abgeordnete, mit 12 000, aber unter 18 000 Einwohnern drei u. s. w. in demselben Verhältniß. Eine Stadt, deren Einwohnerzahl nicht 1 500 erreicht, ist berechtigt sich mit einer anderen Stadt von weniger als 6 000 Einwohnern über einen gemeinschaftlichen Abgeordneten zu vereinen.

Die Stimmen der Wahlberechtigten werden nach den Steuereinheiten berechnet. Jede Stadt beschließt ihre Wahlordnung, doch ist die Prüfung und Bestätigung derselben dem Kaiser und Großfürsten vorbehalten. Beinahe alle solchermaßen zu Stande gekommenen städtischen Wahlordnungen haben ein Maximum der Stimmenzahl festgesetzt und alle das System der unmittelbaren Wahlen adoptirt. Die Wahlen sollen von dem Magistrat der Stadt geleitet werden.

Bei dem im Jahre 1888 abgehaltenen Landtage war die Anzahl der Abgeordneten im Bürgerstande 61.

IV. Der Bauernstand108L. O. § 13.. Für den Bezirk eines jeden der 60 Kreisgerichte wird ein Abgeordneter gewählt. Erst werden von den zum Bezirke gehörenden Kommunen Elektoren gewählt und zwar einer von jeder Kommune und darüber einer für je weitere volle 2 000 Einwohner. Wahlberechtigt sind die Besitzer sämmtlicher katastrirten, d. h. mit einer Steuereinheit bezeichneten Grundstücke, die Inhaber der allgemeinen Krongüter und die Pächter der Domänengüter, sofern sie nicht im Staatsdienste stehen oder einem der anderen Stände angehören. Die Stimmen der Wähler werden nach den Steuereinheiten der Güter berechnet.

Die sogenannten Elektoren treten vor dem Kreisrichter zusammen, um den Abgeordneten zu wählen; diese Wahl geschieht per capita.

V. Allgemeine Bedingungen für die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit109L. O. § 14.. Unter Voraussetzung der Eigenschaften, welche bezüglich eines jeden der drei nicht adeligen Stände angeführt worden, ist jeder finnische Staatsbürger männlichen Geschlechts, welchen Glaubensbekenntnisses er auch sei, berechtigt, in dem Wahlbezirke, in dem er seinen Wohnsitz hat, an der Wahl der Elektoren oder Abgeordneten theilzunehmen, sobald er das bürgerliche Mündigkeitsalter, 21 Jahre, erreicht hat. Doch sind von dem Wahlrechte diejenigen ausgeschlossen, welche: während der drei letztvergangenen Jahre nicht in einem Steuerregister des Landes eingetragen gewesen; unter Vormundschaft gestellt sind; in Konkurszustand sich befinden; wegen entehrenden Verbrechens verurtheilt worden; des bürgerlichen Vertrauens verlustig erklärt sind; oder überwiesen sind, die Wahlfreiheit durch Geldspenden oder gewaltsame Handlungen verletzt oder ihre eigene Stimme feilgeboten zu haben.

Die Wählbarkeit zum Elektor fällt mit dem Wahlrechte zusammen.

Wählbar zum Abgeordneten ist jeder Staatsbürger, der das 25. Lebensjahr vollendet hat, einer christlichen Kirche angehört und sonst sämmtlichen Bedingungen für die Wahlberechtigung entspricht. Die Wählbarkeit ist nicht auf den Wahlbezirk des Wohnsitzes beschränkt.

Die oben angeführten Umstände, welche die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit aufheben, stehen auch dem Zutritt zum Repräsentantensitz im Adelsstand im Wege.

VI. Störung der Wahlfreiheit ist mit Gefängnißstrafe bedroht. Wenn ein Staatsbeamter es versucht, durch seine amtliche Autorität die Wahl zu beeinflußen, soll er seines Amtes enthoben werden110L. O. § 21..

Wer zum Abgeordneten gewählt worden, darf die Wahl nicht ablehnen, sofern er nicht ein gültiges Hinderniß nachweisen kann oder ein Alter von sechzig Jahren erreicht hat111L. O. § 17..

Ueber die Wahlen kann Beschwerde geführt werden. Das Departement der Justiz des Senats ist die höchste Instanz für die Entscheidung solcher Beschwerden112L. O. § 16..

§ 25. Die Berufung, Konstituirung und Schließung des Landtages. Die Stände Finlands sollen mindestens alle fünf Jahre zum ordentlichen Landtage zusammenkommen. Der Kaiser und Großfürst beruft die Stände; er kann sie auch wegen besonderer Angelegenheiten zu einer außerordentlichen Landtagssitzung berufen113L. O. § 2. Die letzten Landtage haben in den Jahren 1882, 1885 und 1888 stattgefunden, und da das Jahr 1891 schon für Abhaltung des nächsten Landtags bestimmt worden, scheint eine dreijährige Periodicität sich durch die Praxis geltend zu machen.. Der Landtag wird in der Hauptstadt abgehalten, wenn nicht Krieg oder andere Ursachen zwingen, einen anderen Ort zu wählen114L. O. § 3.. Die normale Dauer des Landtages ist vier Monate. Der Kaiser und Großfürst kann nach Ablauf dieser Zeit den Landtag auflösen, wenn auch die Geschäfte noch nicht beendigt wären. Auch früher kann der Schluß geschehen, im Fall die Stände es beantragen oder der Kaiser es sonst nöthig findet115L. O. § 5..

Zur Konstituirung des Landtages gehört:

a) Der oben erwähnte Aufruf der adeligen Familien und die Prüfung der Vollmachten der Abgeordneten in den übrigen Ständen. Diese Prüfung geschieht durch den vom Kaiser damit beauftragten Beamten und betrifft nur die formelle Beschaffenheit der Vollmachten. Es kommt nämlich jedem Stande zu, die Legitimation seiner Mitglieder zu prüfen, im Fall etwaige Anzweiflungen dazu Veranlassung geben116L. O. § 22..

b) Die Ernennung der Präsidenten und der Sekretäre. Der Kaiser und Großfürst ernennt zuerst den Präsidenten und den Vicepräsidenten des Adels, Landmarschall und Vicelandmarschall genannt, und bestimmt den Erzbischof oder, im Fall dieser sich nicht hat einfinden können, einen der Bischöfe zum Präsidenten (talman - Sprecher) und ein anderes Mitglied des geistlichen Standes zum Vicepräsidenten dieses Standes. Nach Abschluß der Verifikation der Vollmachten ernennt der Kaiser und Großfürst, oder Derjenige, den er beauftragt an seiner Statt den Landtag zu eröffnen, die Präsidenten und Vicepräsidenten des Bürger- und des Bauernstandes. Schon vor der Eröffnung des Landtages ernennt der Kaiser einen gesetzeskundigen Mann zum Sekretär beim Bauernstande. Bei dem Adel hat der ständige Sekretär des Ritterhauses diese Funktion. Der Priesterund der Bürgerstand ernennen selbst ihren Sekretär. Das übrige Kanzleipersonal wird von jedem Stande für sich angestellt. Die Präsidenten, Vicepräsidenten und der Sekretär des Bauernstandes legen vor dem Kaiser oder dessen Stellvertreter den in der Landtagsordnung vorgeschriebenen Eid ab117L. O. §§ 23. 24 u. 28..

c) Die feierliche Eröffnung des Landtages. An dem hiezu bestimmten Tage, gewöhnlich der dritte oder vierte nach dem Zusammentritt, versammeln sich die Stände, nach abgehaltenem Gottesdienst, im Thronsaale, wo der Kaiser und Großfürst oder sein Stellvertreter in seinem Namen die Stände mit einer Ansprache – der Thronrede – begrüßt und den Landtag für eröffnet erklärt, ein jeder der Präsidenten die Gesinnung der Stände ausspricht, und ferner ein Verzeichniß über die Vorlagen des Kaisers an die Stände verlesen wird118L. O. § 26..

d) Die Einsetzung der Ausschüsse. Binnen acht Tagen nach der Eröffnung des Landtages sollen fünf allgemeine Ausschüsse oder Kommissionen ernannt werden, nämlich: für Fragen der allgemeinen Gesetzgebung, für wirthschaftliche Gegenstände, für das Budget, für Steuerbewilligungen und für die Angelegenheiten der Staatsbank. Die drei erstgenannten Ausschüsse bestehen aus je 16, die übrigen aus je 12 Mitgliedern, zu gleicher Anzahl von jedem Stande durch Elektoren gewählt. Je nach dem Bedürfniß können außerdem besondere Ausschüsse in ähnlicher Weise ernannt werden. Es steht|288| jedem Stande offen, für Angelegenheiten, die etwa nur den einen Stand betreffen, aus seiner Mitte einen speciellen Ausschuß zu ernennen119L. O. §§ 29 u. 30.. Die Ausschüsse wählen ihre Präfidenten und ihre Sekretäre120L. O. § 33.. Im Verlaufe des Landtages werden noch zwei gemeinschaftliche Ausschüsse erwählt, der Expeditionsausschuß zur Redaktion und Ausfertigung der Beschlüsse, und der Ausschuß zur Verifizirung der Redaktionen, welche nicht den Ständen selbst zur Prüfung vorgelegt werden121L. O. §§ 77 u. 78..

Die Schließung des Landtages geschieht mit ähnlicher Feierlichkeit wie die Eröffnung122L. O. § 80..

§ 26. Die Geschäftsbehandlung. Jeder Stand tritt besonders zusammen. Die Sitzungen werden aber nach getroffener Verabredung in der ”Konferenz der Präsidenten” gleichzeitig und mit möglichst übereinstimmender Tagesordnung abgehalten. Die Sitzungen sind öffentlich; geheime Sitzungen können jedoch nöthigenfalls nach Beschluß des Standes stattfinden123L. O. §§ 54, 55. 45..

Der Präsident leitet die Berathungen, darf aber weder an denselben, noch an den Abstimmungen theilnehmen. Er ist verpflichtet darauf zu achten, daß kein gegen die Grundgesetze streitender Vorschlag debattirt werde. Er ist berechtigt dem Redner, der die Redefreiheit in verletzender Weise mißbraucht, das Wort zu entziehen124L. O. §§ 45, 46..

Gegenstand der Berathung und Beschlußfassung sind die Vorlagen der Regierung, Motionen oder Petitionsanträge einzelner Mitglieder, Mittheilungen der anderen Stände, Berichte der Ausschüsse.

Vorlagen der Regierung und Motionen können nicht definitiv behandelt werden, ehe die betreffenden Ausschußberichte vorliegen. Petitionsanträge können entweder unmittelbar abgelehnt oder auch erst an einen Ausschuß verwiesen werden. Motionen und Petitionen können nur binnen der ersten 14 Tage nach der Eröffnung des Landtages eingebracht werden, sofern sie nicht später durch den Beschluß eines Standes oder ein anderes Ereigniß unmittelbar veranlaßt werden125L. O. § 51. Gesetz vom 25. Juni 1886..

Die Mittheilungen der verschiedenen Stände an einander geschehen durch Auszüge des Protokolls, ausnahmsweise auch mündlich durch eine Deputation126L. O. § 66..

Die Ausschüsse sind berechtigt, durch Vermittelung des Senatspräsidenten von den Behörden mündliche und schriftliche Aufklärungen einzuholen127L. O. § 40.. Die Berichte der Ausschüsse, deren Abfassung sowohl in schwedischer als finnischer Sprache obligatorisch ist, werden gedruckt und gleichzeitig an sämmtliche Stände vertheilt.

Der Beschluß jedes besonderen Standes kommt in allen Fragen durch einfache Stimmenmehrheit zu Stande128L. O. § 64.. Ein gemeinschaftlicher Beschluß der Landstände positiven Inhaltes ist vorhanden, wenn bei Fragen, welche Erlaß oder Abänderung eines Grundgesetzes oder auch Steuerbewilligung oder Ausgaben betreffen, der Vorschlag von sämmtlichen vier Ständen übereinstimmend angenommen worden ist, und in übrigen Fragen, sobald drei Stände eine übereinstimmende Entscheidung getroffen haben129L. O. §§ 71–73..

Der Beschluß eines jeden Standes wird sofort durch Auszug des Protokolls dem Ausschuß, von welchem der Bericht ausgegangen ist, mitgetheilt. Ist laut den oben angeführten Normen eine endgültige Entscheidung gewonnen, so werden die Aktenstücke dem Expeditionsausschusse übermittelt. Sind aber die Beschlüsse der verschiedenen Stände so von einander abweichend ausgefallen, daß eine gültige Entscheidung der Landstände aus denselben nicht hervorgeht, so liegt es dem betreffenden Ausschuß ob, einen Vorschlag|289| wegen Ausgleichung der Differenzpunkte auszuarbeiten und den Ständen vorzulegen130L. O. § 67.. Wird auch dann nicht die nöthige Uebereinstimmung erreicht, so ist die Frage gefallen, sofern sie nicht zu einer der Kategorien gehört, für deren Entscheidung in solchem Falle ein besonderes Verfahren zu befolgen ist. Es ist nämlich vorgeschrieben, daß Vorschläge wegen Steuerbewilligung und Ausgaben bei mangelnder Uebereinstimmung der in den Ständen gefaßten Beschlüsse einem sogenannten verstärkten Ausschuß, eigentlich einer Delegation der Stände, zur endgültigen Entscheidung überlassen werden sollen. Der verstärkte Ausschuß wird in der Weise gebildet, daß die Mitglieder des Ausschusses, dessen Bericht in Frage steht, durch unmittelbare Wahlen zu einer Anzahl von 60, d. h. 15 aus jedem Stande verstärkt werden. Ohne Berathung wird in dem verstärkten Ausschuß über die Differenzpunkte abgestimmt. Werden mindesten zwei Drittel der Stimmen für die Zustimmung abgegeben, so gilt der fragliche Vorschlag als von den Landständen angenommen, andernfalls ist er abgelehnt worden131L O. § 72, 74..

Zur Abstimmung in verstärktem Ausschuß kommen auch, außer den erwähnten finanziellen Fragen, solche Vorschläge, für deren Annahme drei Stände entscheidend sind, nämlich dann, wenn die Beschlüsse der verschiedenen Stände, ohne ablehnend zu sein, so divergiren, daß eine Pluralität aus denselben nicht gebildet werden kann, und in dem Falle, daß die Beschlüsse zweier Stände denjenigen der zwei übrigen entgegengesetzt sind in einer Frage, welche laut getroffener Vereinbarung nicht fallen darf. In den eben erwähnten Fällen ist bei der Abstimmung im verstärkten Ausschuß die einsache Stimmenmehrheit entscheidend132L. O. § 74..

Die vier Stände können auch wegen gemeinschaftlicher Berathung einer auf der Tagesordnung stehenden Frage in eine Kammer zusammentreten, wenn mindestens zwei Stände sich dafür ausgesprochen haben. In solcher gemeinschaftlichen Sitzung wird nur berathen, nicht abgestimmt. Die Beschlußnahme findet nach Abschluß der gemeinschaftlichen Berathung in jedem Stande besonders statt. Der Präsident und die Mitglieder des Senats sind berechtigt, an solcher gemeinschaftlichen Berathung der Stände theilzunehmen133L. O. § 47. Die Form dieses Plenum plenorum hat sich nicht als zweckmäßig erwiesen und ist daher nur äußerst selten zur Anwendung gekommen..

Die Stände haben das Recht, Ordnungsregeln, die Geschäftsbehandlung betreffend, anzunehmen, jedoch ohne Abweichung von den Bestimmungen der Gesetze134L. O. § 70..

Alle Beschlüsse der Landstände, sei es daß sie die Beantwortung der Regierungsvorlagen oder Vorschläge und Petitionen der Stände enthalten, werden als Schreiben an den Kaiser und Großfürsten abgefaßt und von den vier Präsidenten unterschrieben.

Es wird außerdem in der Form einer Uebersicht sämmtlicher Beschlüsse ein gemeinschaftlicher ”Landtagsbeschluß” abgefaßt und von allen Mitgliedern des Landtages unterschrieben. Der Landtagsbeschluß wird bei der Schließungsfeierlichkeit dem Kaiser oder seinem Stellvertreter vom Landmarschall überreicht.

§ 27. Rechtliche Stellung der einzelnen Mitglieder des Landtages. Es darf keinem ”Landtagsmann” (dies ist im Gesetze die Benennung der Mitglieder des Landtages) verweigert werden, sich zum Landtage zu begeben und seinen Beruf auf demselben auszuüben 135Diese Regel hat ihren Grund darin, daß auch in öffentlichem Dienste angestellte Personen wählbar oder zum Sitz im Ritterhause berechtigt sind.. Eine Ausnahme hiervon gilt nur während der Kriegszeit für Personen, welche zur Armee gehören und dienstliche Aufträge erhalten136L. O. § 6..

Das imperative Mandat ist ausgeschlossen; der Landtagsmann ist in der Ausübung seiner Funktion an keine anderen Vorschriften als die Grundgesetze des Landes gebunden137L. O. § 7.,

Der Landtagsmann soll in seinen Aeußerungen Ernst und Maß beobachten; er kann aber wegen seiner Reden oder seines Verhaltens während der Sitzungen weder verklagt noch seiner Freiheit beraubt werden, wenn nicht der Stand, dem er zugehört, durch Beschluß, welchem mindestens ⁵/₆ der in der Sitzung gegenwärtigen Mitglieder beitreten, seine Zustimmung dazu ertheilt. Wird ein Landtagsmann wegen eines schweren Verbrechens angeklagt, so kann er nicht verhaftet werden, ausgenommen den Fall, wo er auf frischer That ergriffen wird, oder wo das Gericht auf Grund der Untersuchung die Verhaftung beschließt. Wegen geringeren Verbrechens kann er in keinem Falle verhaftet, auch nicht während des Landtages ins Schuldgefängniß geführt werden138L. O. § 8..

Sollte ein Landtagsmann während des Landtages oder während seiner Reisen zum und vom Landtage wörtlich oder thätlich beleidigt, oder nach dem Landtage wegen seines Verhaltens bei demselben gewaltsam angegriffen werden, so ist solches Vergehen als unter erschwerenden Umständen verübt zu betrachten. Der nämliche Rechtsschutz ist den bei den Kanzleien des Landtages angestellten Personen gewährt139R. F. § 51; L. O. § 9..

Diäten werden nicht aus der Staatskasse bezahlt. Die gewählten Landtagsmänner sind aber berechtigt, von sämmtlichen Wahlberechtigten ihres Bezirkes ein geziemendes Unterhaltsgeld zu erhalten. Der Betrag desselben wird vor der Wahl bestimmt. Wegen Versäumniß, sich beim Landtage einzufinden und wegen unberechtigten Ausbleibens von den Sitzungen kann der Abgeordnete von seinem Stande zum entsprechenden Verlust der Unterhaltsgelder und auch zu Geldbuße verurtheilt werden140L. O. § 20..

Jeder Landtagsmann hat das Recht, in der Form von Motionen und unter Beobachtung des hierfür vorgeschriebenen Verfahrens Gesetzesvorschläge zur Prüfung der Stände zu bringen, sowie auch Petitionen von allgemeinem Interesse vorzuschlagen141L. O. § 51. Gesetz vom 25. Juni 1886.. – Er ist berechtigt, nicht nur über die auf der Tagesordnung stehenden Fragen, sondern auch über die Gesetzlichkeit alles Dessen, was in dem Stande vorgeht, sich frei zu äußern. Mitglieder, die nicht zur lutherischen Kirche gehören, sind nicht berechtigt, an der Behandlung von Vorlagen, welche diese Kirche betreffen, theilzunehmen. Kommt eine Frage vor, die einen Landtagsmann persönlich betrifft, soll er sich vor der Beschlußfassung darüber entfernen142L. O. §§ 46, 48, 49..

Das Mandat des Landtagsmannes hört mit der Schließung oder Auflösung des Landtages auf, sofern er nicht einem der beiden Ausschüsse angehört, welche mit der Abfassung und Verifizirung der Beschlüsse noch einige Zeit nach Schließung des Landtages beschäftigt sind.

§ 28. Rechte der Landstände. In älterer Zeit war die Thätigkeit des schwedischen Reichstages nicht selten von der Auffassung, daß die verschiedenen Stände eigentlich jeder für sich eine besondere Interessensphäre zu vertreten hätten, beeinflußt. Allmählich hatte jedoch die höhere Idee, daß die Stände gemeinschaftlich das Wohl des Staates fördern sollen, sich geltend gemacht, und in der Landtagsordnung Finlands von 1869 ist ausdrücklich gesagt, daß die zum Landtag versammelten Stände Finlands das finnische Volk vertreten143L. O. § 1.. Sowohl aus diesem Satze als aus den übrigen Bestimmungen der Landtagsordnung geht unzweideutig hervor, daß eine Vertretung ständischer Sonderinteressen, sofern sie nicht zugleich einem allgemeinen Bedürfniß des Landes entsprechen,|291| nicht mehr in Frage kommen kann. Es ist die allgemeine Ausgabe der Landstände, in Angelegenheiten, die von ihrer Mitwirkung bezw. ihrer Entscheidung abhängen, dem Willen des Volkes Ausdruck zu geben, und sie haben das Recht, in Sachen, die dem Machtkreise des Monarchen angehören, die Wünsche des Volkes zu seiner Kenntniß zu bringen.

Den Ständen Finlands kommen folgende Befugnisse zu:

a) Die Mitwirkung bei der Gesetzgebung. Ohne vorgängige Zustimmung der Stände kann überhaupt kein Gesetz gegeben, aufgehoben, abgeändert oder authentisch erläutert werden144R. F. §§ 39–43.. Und die Stände können ihrerseits auch, mit Ausnahme gewisser Gegenstände, für welche die Initiative dem Kaiser und Großfürsten allein vorbehalten ist, Gesetze vorschlagen.

b) Die Mitwirkung bei der Normirung des Staatshaushalts. Es können in der Regel keine Steuern erhoben werden, die nicht von den Ständen bewilligt worden. Staatsausgaben, für welche außerordentliche Mittel nöthig sind, erfordern die Einwilligung der Stände. Staatsanleihen können nicht ohne die Zustimmung der Stände gemacht werden. Den Ständen kommt ein, in gewisser Hinsicht jedoch begrenztes, Recht der Finanzkontrolle zu145R. F. § 45; V. u. S. A. § 5; L. O. §§ 27. 36, 37, 72..

c) Die Leitung der Angelegenheiten der Staatsbank (Finlands Bank). Die Stände leiten und überwachen durch ihre Bevollmächtigten die Verwaltung der Bank nach den von den Ständen angenommenen Statuten. Sie kontrolliren die Verwaltung durch die von ihnen gewählten Revisoren und durch den Bankausschuß des Landtages146R. F. § 55. Gesetz vom 9 Dezember 1867. L. O. § 38..

d) Das Recht, Petitionen an den Kaiser und Großfürsten zu richten. Da dieses Recht hinsichtlich des Gegenstandes keiner anderen Begrenzung unterliegt, als daß private Angelegenheiten selbstverständlich ausgeschlossen sind, bietet es den Ständen die Möglichkeit, in allen Zweigen der Staatsverwaltung die Ansichten und Wünsche des Landes zur Kenntniß der Regierung zu bringen, sowie auch Gesetzesvorlagen zu verlangen147L. O. § 51..

Vierter Abschnitt. Die Funktionen des Staates.

I. Kapitel. Die Gesetzgebung.

§ 29. Vorbemerkungen. Der Grundsatz, daß das Gesetz, als der höchste Ausdruck des Staatswillens, durch Zusammenwirken des Herrschers und der Volksvertretung geschaffen werden soll, hat seit den ältesten Zeiten in dem schwedischen Staate Anerkennung gefunden, wenngleich die Ausdehnung, in welcher dieser Grundsatz thatsächlich zur Geltung gekommen, nicht immer dieselbe gewesen ist.

Die Haupturkunde der Staatsverfassung Finlands, die R. F. von 1772, spricht sich bezüglich des Gesetzgebungsrechts in folgender Weise aus:

”Es dürfe der König nicht ohne das Mitwissen und die Einwilligung der Stände ein neues Gesetz machen oder ein altes aufheben”; und

”Es dürfen die Stände nicht ohne das Ja und die Einwilligung des Königs ein altes Gesetz aufheben oder ein neues Gesetz schaffen”148R. F. §§ 40 u. 41. Was in diesen Paragraphen vom Könige gesagt ist, bezieht sich nunmehr selbstverständlich auf den Kaiser und Großfürsten. – Das im § 41 vorausgesetzte Recht zur Initiative ward den Ständen durch den § 6 der V. u. S. A. von 1789 genommen. Ein Gesetz vom 25. Juni 1886 hat aber den Ständen das Motionsrecht wiedergegeben..

Sowohl aus diesen, als aus anderen Paragraphen der R. F., in welchen von den Grundgesetzen und einigen speziellen Gegenständen besonders die Rede ist, geht unzweideutig als der Sinn der Verfassung hervor, daß das Gesetzgebungsrecht in Finland dem Souverain und der Volksvertretung gemeinschaftlich zukommt.

Der Umstand, daß die Grundgesetze dem Souverain ein besonderes Gesetzgebungsrecht nicht ausdrücklich zuerkennen, berechtigt jedoch nicht zu der Schlußfolgerung, daß er ohne die Mitwirkung der Stände keine legislative Gewalt auszuüben hätte. Es ist nämlich schon seit dem Ende des 13. Jahrhunderts ein anerkanntes Recht des Monarchen gewesen, Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen. Das Stillschweigen der R. F. über diesen Gegenstand bedeutet also nur, daß das Verordnungsrecht nicht als ein Gesetzgebungsrecht im eigentlichen und strengen Sinne, sondern als ein Bestandtheil der Regierungsbefugnisse betrachtet worden ist. Die schwedische Rechtsgeschichte zeigt aber auch, daß das Verordnungsrecht keineswegs so eng aufgefaßt wurde, als bezöge es sich bloß auf Verwaltungsvorschriften. Der König konnte im Verordnungswege auch Rechtssätze statuiren.

In den älteren Zeiten verstand man unter dem Gesetze das sämmtliche in einem Codex oder Gesetzbuche zusammengefaßte Recht. Erst hatte jede Landschaft ihr besonderes Gesetz. Später, nachdem die staatliche Einheit fortgeschritten, erschien im Jahre 1442 das allgemeine Landgesetz. Das ebenfalls im Mittelalter entstandene Gesetz der Städte ward im Jahre 1618 von Neuem kodifizirt.

Der König war nicht berechtigt, das Gesetz, d. h. die im Gesetzbuch enthaltenen Rechtsnormen, ohne die Zustimmung der Stände zu ändern. Wenn er aber die Bestimmungen des Gesetzbuches durch Verordnungen ergänzte, so ward dieses nicht als eine Ueberschreitung seiner Befugniß betrachtet. Das Bedürfniß solcher Ergänzung machte sich namentlich in dem Bereiche des Verwaltungsrechts geltend. Im 16. und 17. Jahrhundert gestaltete sich dieses Verordnungsrecht thatsächlich als eine ziemlich unabhängig von den Ständen fortschreitende Gesetzgebung auf dem wirthschaftlichen und dem polizeilichen Gebiete.

Bei der großen Kodifikations- und Reformarbeit, welche in dem Allgemeinen Gesetz von 1734 resultirte, stellte man sich nicht mehr die Aufgabe, das sämmtliche Recht in einem Gesetzbuche zusammenzufassen. Das Staatsrecht war bereits durch besondere Verfassungs- oder Grundgesetze, bezw. auch durch die Standesprivilegien, normirt worden. Das Kirchenrecht und das Seerecht waren nicht lange vorher kodifizirt worden. Was aber das Civilrecht, das Strafrecht und den Prozeß (sowohl Exekutionsals Gerichtsverfahren) betrifft, trat der Codex von 1734 vollständig an die Stelle der älteren Land- und Stadtgesetze, und dabei nahm derselbe sowohl aus diesen als aus den Verordnungen der vergangenen Zeit ein System von Normen wirthschaftlichen Inhaltes in sich auf. Die Begrenzung des letzterwähnten Gegenstandes wird in der Einleitung zum Gesetzbuche damit angedeutet, daß das Gesetz nicht solche ökonomische und polizeiliche Verordnungen enthalte, deren Abänderung je nach den Zeitverhältnissen öfters erforderlich sein kann.

Für die Bedeutung des Wortes Gesetz in den oben angeführten, von dem Gesetz|293|gebungsrecht im Allgemeinen handelnden §§ 40 und 41 der R. F. ist der historische Entwicklungsgang, der hier nur in größter Kürze angedeutet werden konnte, maßgebend. Es bedeutet zunächst: das allgemeine Gesetz als Totalität, und dabei: jegliche Rechtsnorm, welche sich auf die vom Codex von 1734 umfaßten Rechtsgebiete bezieht.

Civilrechtliche, strafrechtliche und prozessuelle Gesetze können also nicht ohne die Mitwirkung der Stände erlassen werden.

Auf dem wirthschaftlichen und polizeilichen Gebiete begegnen sich aber das eigentliche Gesetzgebungsrecht und das Verordnungsrecht in solcher Weise, daß die Grenze nicht mit voller Bestimmtheit angegeben werden kann. Unbestrittene Regel ist, daß ein Gesetz nicht durch eine Regierungsverordnung abgeändert werden kann. Thatsache ist es auch, daß das veränderliche Reglementiren der früheren Zeiten auf dem Gebiete der wirthschaftlichen Angelegenheiten allmählich vor dem Bedürfniß, feste Normen zu schaffen, gewichen ist. Die Agrarverhältnisse, das Gewerbewesen u. s. w. sind nunmehr durch Gesetze geordnet. Diese durch die Initiative der Regierung selbst geförderte Evolution, wenngleich das Verordnungsrecht einigermaßen einschränkend, steht jedenfalls nicht im Widerspruch zu dem Geiste, in welchem das von der 1772er Verfassung vorausgesetzte allgemeine Gesetz von 1734 ausgearbeitet wurde.

Ihr größtes Gewicht hat die legislative Befugniß der Regierung fortwährend in dem Bereiche des Polizeirechts. Die Arten der Staatsthätigkeit, welche auf die Sicherung der allgemeinen Ordnung und den Schutz des physischen Wohls der Einwohner gerichtet sind, können der präventiven Maßregeln nicht entbehren. Diese Maßregeln, anfänglich in casu eingreifend, gestalten sich allmählich zu systematischen, auf die gewonnene Erfahrung gegründeten Vorschriften. Die Befugniß der Regierung, derartige Vorschriften zu erlassen, ist um so weniger bestritten worden, als die Form der Verordnung die materielle Natur oder die Aufgabe der Maßregel nicht verändert. Die polizeilichen Verordnungen – wie z. B. die Gesundheitspflege, die Ueberwachung der Dampfmaschinen, den Handel mit explosiven Gegenständen betreffend – enthalten allerdings nicht nur amtliche Instruktionen, sondern auch Befehle und Verbote, welche die Einzelnen verpflichten, und in Folge dessen auch Strafbestimmungen. In dieser Hinsicht sind aber dem Verordnungsrecht durch die Gesetze, namentlich durch das Strafgesetz, die nöthigen Grenzen gezogen.

In Bezug auf das Verhältniß des Verordnungsrechtes zu der eigentlichen Gesetzgebung ist noch hervorzuheben, daß laut einer Bestimmung der R. F. neue Fragen, welche der gesetzlichen Normirung bedürfen, d. h. Gegenstände, über welche noch nicht legiferirt worden ist, nur im Wege der eigentlichen Gesetzgebung gelöst werden können149R. F. § 43.. Die obenerwähnte Praxis der älteren Zeiten, das Gesetz durch Verordnungen beliebig zu ergänzen, ist somit von der jetzigen Verfassung nicht mehr als berechtigt anerkannt. Das neben dem eigentlichen, von dem Souverain unter Mitwirkung der Volksvertretung ausgeübten, Gesetzgebungsrecht bestehende Verordnungsrecht ist also wesentlich die dem Kaiser und Großfürsten, bezw. der Regierung, zukommende Befugniß, wegen Verwirklichung der verschiedenen Zwecke der Staatsverwaltung Vorschriften mit Gesetzeskraft zu erlassen, unter Beobachtung dessen, daß diese Vorschriften dem Geiste und den Bestimmungen der Gesetze nicht widersprechen. Diese Befugniß hat im Allgemeinen ihren Grund in der Natur der Aufgaben, die der Regierung obliegen – in manchen Fällen aber auch in einer durch das Gesetz ertheilten besonderen Ermächtigung.

§ 30. Die eigentliche Gesetzgebung. Mit Berücksichtigung der Verschiedenheiten in dem legislativen Verfahren sind die Gesetze unter folgende Kategorien zu bringen:

I. Verfassungs- oder Grundgesetze können nur kraft der Initiative des Kaisers und Großfürsten und mit der Zustimmung sämmtlicher vier Stände geschaffen, abgeändert, erklärt oder aufgehoben werden150L. O. § 71; zu vergleichen § 51 laut dem Gesetz vom 25. Juni 1886..

Die Grundgesetze sollen den veränderlichen Zeitströmungen widerstehen können. Dieses in der R. F. und der V. u. S. A. ausgedrückte Prinzip ist auch in der auf Grund der Initiative des Kaisers Alexander II. zu Stande gekommenen Landtagsordnung von 1869 anerkannt, indem der Schlußparagraph dieses Gesetzes lautet: ”Diese Landtagsordnung soll in allen Theilen als ein unwiderrufliches Grundgesetz für den Souverain und die Stände Finlands gelten, bis dieselbe durch deren übereinstimmenden Beschluß verändert oder aufgehoben wird.”

Hinsichtlich des Verfahrens ist hierbei noch zu bemerken, daß eine das Gebiet der Grundgesetze betreffende Vorlage von den Ständen nicht verhandelt werden darf, ehe der Ausschußbericht darüber abgegeben worden151L. O. § 53., und daß die wegen einer solchen Vorlage zu treffende Entscheidung, wenn wenigstens zwei Stände es fordern, bis zum nächsten Landtage aufgeschoben wird152L. O. § 71..

Grundgesetze sind die als solche ausdrücklich bezeichneten Verfassungsurkunden und die speziellen Gesetze, welche einzelne Bestimmungen dieser Urkunden durch neue Bestimmungen ersetzt haben, sowie auch Gesetze, welche dem Bereiche der Verfassung neue Bestimmungen zuführen; im letzteren Falle muß die grundgesetzliche Kraft dem Gesetze ausdrücklich beigelegt sein153So geschah mit dem Gesetze vom 21. Februar 1789 über die Rechte der ländlichen Grundbesitzer und mit einigen Bestimmungen des Wehrpflichtgesetzes von 1878..

Eine Bestimmung des Grundgesetzes kann auch abgeändert oder aufgehoben werden, ohne daß das Gesetz, welches so verfügt, selbst die Stellung eines Grundgesetzes erhält. Dieses ist der Fall, wenn das neue Gesetz einen Gegenstand ordnet, welcher nicht an sich zum Bereiche der Verfassung gehört, obgleich die Aufhebung einer Bestimmung des Grundgesetzes eine Vorbedingung für die Schaffung des betreffenden Gesetzes ausmacht. Die Zustimmung aller vier Stände ist hier erforderlich, soweit das Grundgesetz berührt wird; das neue Gesetz aber fällt unter die Kategorie der allgemeinen Gesetze.

II. Die Urkunden, welche die Standesprivilegien enthalten, sind insofern den Grundgesetzen gleichgestellt, als die Zustimmung aller vier Stände zur Abänderung oder Aufhebung derselben erforderlich ist. Hier ist jedoch die Initiative der Stände nicht ausgeschlossen und eine Vertagung der Entscheidung auf den künftigen Landtag findet nicht statt154L. O. § 71..

III. Die allgemeinen oder gewöhnlichen Gesetze erfordern, Seitens der Volksvertretung, nur den übereinstimmenden Beschluß dreier Stände. Die Initiative kommt sowohl dem Kaiser und Großfürsten als den Ständen zu. Das Centrum bildet hier der Codex von 1734, welcher wie bereits erwähnt worden, das Civilgesetz, das Strafgesetz, die Prozeß- und Exekutionsgesetze und außerdem wichtige Theile des ökonomischen Rechts (namentlich das Landbau- und das Wasserbaurecht, das Fisch- und Jagdrecht, nebst den Grundzügen des Handelsrechts) umfaßt. Selbstverständlich gehören zu dieser Kategorie sämmtliche Gesetze, durch welche verschiedene Theile oder Bestimmungen des A. G. von 1734 abgeändert oder ergänzt worden sind. Und wenn die Entwickelung der Staatsthätigkeit, wie schon öfters geschehen, es mit sich führt, daß Gegenstände, welche bisher nur im Wege der Verordnung geregelt wurden, durch Gesetz geordnet werden sollen155Vgl. was oben, § 27, hierüber angeführt worden, woraus auch erhellt, daß die Zuständigkeitserweiterung für den Landtag, welche eine derartige Evolution mit sich führt, doch nicht eine Verfassungsänderung bedeutet., so|295| wird das legislative Verfahren dabei das für die allgemeinen Gesetze geltende sein156L. O. § 73. Gesetz vom 25. Juni 1886. In diesem Zusammenhange ist zu bemerken, daß das erwähnte Gesetz von 1886, welches den Ständen das Initiativrecht zuerkannt hat, unter den Ausnahmen von diesem Rechte auch die Gesetzgebung über die Presse aufführt. Die Stände können also nicht beschließen, dem Kaiser und Großfürsten einen Gesetzentwurf über die Presse vorzulegen, sondern es hängt von der Initiative des Monarchen allein ab, wann die Angelegenheiten der Presse, welche gegenwärtig nur polizeirechtlich durch Verordnungen geregelt sind, zum Gegenstand der Gesetzgebung gemacht werden sollen.. – Das Seerecht, das Münzwesen, die Organisation der bürgerlichen Gemeinden gehören auch zu den Gegenständen, über welche nur unter Mitwirkung der Landstände Gesetze erlassen werden können, und es gilt für das Zustandekommen solcher Gesetze, was in diesem Punkte angeführt worden ist157Daß in gewissen Fällen, bei fehlender Uebereinstimmung dreier Stände, der Beschluß der Stände durch die Abstimmung in einem verstärkten Ausschuß zu Stande kommt, ist oben im § 26 erwähnt. Dies bezieht sich auch auf die in den Punkten IV–VI angeführten Gesetzesfragen..

IV. Das Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht ist gemischter Natur. Etliche Bestimmungen desselben sind Grundgesetze und es ist daher behufs Abänderung derselben das für Grundgesetze vorgeschriebene Verfahren zu beobachten. Der überwiegende Theil dieses Gesetzes kann aber abgeändert werden, wenn drei der Stände die Frage übereinstimmend entschieden haben. Es ist jedoch dem Kaiser und Großfürsten allein die Initiative in Fragen, die Organisation der Landesvertheidigung betreffend, vorbehalten.

V. Das Kirchengesetz für die evangelisch-lutherischen Glaubensbekenner wäre, was das legislative Verfahren betrifft, den allgemeinen Gesetzen beizuzählen, wenn hier nicht, bezüglich der Initiative, eine Verschiedenheit stattfände. Es kommt nämlich der kirchlichen Synodalversammlung zu, Gesetze auf dem Gebiete der kirchlichen Angelegenheiten vorzuschlagen. Die von dieser Versammlung angenommenen Gesetzesentwürfe werden dann, ebenso wie die allgemeinen Gesetze, von der Regierung und den Ständen schließlich behandelt. – Auch ist die Begutachtung der lutherischen Synodalversammlung über Gesetzesentwürfe, welche sich auf das Verhältniß der lutherischen Kirche zum Staate oder zu anderen Konfessionen beziehen, einzuholen, ehe dieselben den Ständen vorgelegt werden158Das Kirchengesetz vom 6. Dezember 1869 §§ 14 u. 455..

VI. Ein besonderer Gegenstand der Gesetzgebung ist die Staatsbank (Finlands Bank). Es ist in der R. F. bestimmt, daß die Bank unter der Aufsicht und Garantie der Stände stehen soll. Deßhalb ergehen alle die Bank und die Verwaltung derselben betreffenden Vorschriften im Wege der Gesetzgebung. Die Initiative steht sowohl dem Kaiser und Großfürsten als den Ständen zu, es kommt aber besonders dem Bankausschuß der Stände zu, die erforderlichen Vorschriften vorzuschlagen159S. oben § 25 d) und § 28 b).. Und wenn in der Zeit zwischen zwei Landtagssitzungen neue oder veränderte Vorschriften erforderlich sind, kann der Kaiser und Großfürst auf Grundlage der Entwürfe, die für diesen Zweck von den Bevollmächtigten der Stände ausgearbeitet werden, solche Vorschriften mit geltender Kraft bis zum nächsten Landtag erlassen160Gesetz vom 9. Dezember 1867 § 11.. Die Instruktionen an die Bevollmächtigten für die Verwaltung der Bank werden von den Ständen festgestellt, jedoch durch die Regierung promulgirt.

VII. Schließlich bilden die finanziellen Angelegenheiten noch eine besondere Kategorie der Gesetzgebung. Es ist aber zweckmäßiger, sowohl die hierauf bezüglichen Befugnisse als die Prozedur dabei im nächsten Kapitel darzustellen.

§ 31. Das Verordnungsrecht. Mit Hinweis auf die im § 29 gegebenen allgemeinen Erörterungen über die Befugniß der Regierung Verordnungen mit Gesetzeskraft|296| hauptsächlich wegen der Zwecke der Staatsverwaltung ergehen zu lassen, können die Gegenstände des Verordnungsrechtes folgendermaßen unterschieden werden.

I. Die Aufgabe der Regierung, für die Vollziehung der Gesetze Sorge zu tragen, begründet das Recht, die hiefür erforderlichen Vorschriften – Vollzugsverordnungen – zu erlassen. Oesters enthält das Gesetz eine ausdrückliche Ermächtigung dazu, wobei gewöhnlich auch gesagt ist, ob die Vorschriften vom Kaiser und Großfürsten selbst oder vom Senate ergehen sollen. Grundsätzlich ist eine solche besondere Ermächtigung nicht nothwendig; wo sie gegeben wird, ist die Veranlassung dazu gewöhnlich die, daß das Gesetz nur die wichtigsten Bestimmungen enthält und deßhalb durch nähere Vorschriften ergänzt werden muß. Die in dem sanktionirten Gesetze ertheilte Ermächtigung bedeutet in solchen Fällen nicht nur ein Recht, sondern auch eine Verpflichtung für die Regierung, die Vollzugsverordnung zu erlassen.

II. Aus dem Rechte des Kaisers und Großfürsten, die Staatsverwaltung zu leiten und die für dieselbe nöthigen Behörden und Amtsstellen einzurichten, folgt auch das Recht:

a) Verordnungen über die Organisation und Aufgaben der Behörden,

b) Instruktionen, die Thätigkeit derselben und die Verwaltung der öffentlichen Einrichtungen näher bestimmend,

c) Vorschriften, die Bedingungen wegen der Zulassung zum Staatsdienst betreffend, und

d) Verordnungen über die Rechte und Pflichten der Beamten überhaupt, zu erlassen.

Diese Befugniß wird aber nicht in ihrem ganzen Umfange vom Kaiser und Großfürsten selbst ausgeübt; es ist dem Senate überlassen worden, mit Beobachtung sowohl der in den organisatorischen Statuten und Verordnungen gegebenen Bestimmungen, als der festgestellten Etats, die Instruktionen, überhaupt die ins Detail gehenden Vorschriften, zu erlassen161Vgl. oben § 15..

Selbstverständlich können jedoch solche Behörden, deren Bestand und Organisation durch Grundgesetze oder allgemeine Gesetze bestimmt sind – wie der Senat, die Gerichte, die exekutiven Behörden, die kirchlichen Aemter – nicht im Wege der Verordnung aufgehoben oder durch Organe anderer Art ersetzt werden. Und was die rechtliche Stellung der Beamten betrifft, so sind wichtige Seiten derselben durch Gesetz geordnet und somit dem Verordnungsrecht entzogen.

III. Eine dritte Gruppe bilden die Verordnungen, durch welche der Verwaltung für ihre Aufgaben auf den Gebieten der Polizei, der ökonomischen Interessen, des Unterrichtswesens u. s. w. Normen gegeben werden. Hier namentlich sind die Grenzen zwischen dem eigentlichen Gesetzgebungsrecht und dem Verordnungsrecht nicht so bestimmt, daß nicht in vorkommenden Fällen Zweifel entstehen könnten. Zu den im § 29 angeführten Gesichtspunkten für die Beurtheilung solcher Fälle ist hinzuzufügen, daß es den Grundsätzen der Verfassung am Besten entspricht, wenn die Regierung, wo sie ihrer Befugniß nicht sicher ist, den Weg der Gesetzgebung als den unzweifelhaft zuständigen einschlägt, eine Regel, die auch seit 1863 thatsächliche Anerkennung gewonnen hat.

IV. Von dem Verordnungsrecht auf dem Gebiete des Staatshaushaltes wird im nächsten Kapitel die Rede sein.

Auch bezüglich der hier sub III und IV erwähnten Gegenstände kann der Senat entweder vom Kaiser und Großfürsten oder durch das Gesetz ermächtigt sein, Verordnungen reglementarischen Inhaltes zu erlassen.

Es wird übrigens einleuchtend sein, daß die hier aufgestellte Unterscheidung in vier Kategorien nicht immer in formeller Hinsicht einzuhalten ist. In einer Verordnung können Bestimmungen vorkommen, welche sowohl Organisation als Instruktion betreffen, oder welche theils den Vollzug eines Gesetzes, theils selbständige Normen enthalten. Auch in den Gesetzen sind nicht selten, des Zusammenhanges wegen, Bestimmungen eingeschaltet, welche an und für sich nur die Bedeutung von Verwaltungsvorschriften hätten.

V. Der Gesetzgebung im Wege der Verordnung sind auch die Staatsverträge beizuzählen. Der Kaiser und Großfürst ist nach den Grundgesetzen berechtigt, ohne die Mitwirkung der Stände Verträge mit fremden Mächten abzuschließen162S. oben § 13 f)., d. h. die Verträge als solche erfordern nicht die Zustimmung der Stände. Diese Befugniß hebt allerdings nicht die allgemeine Regel auf, daß die Gesetze nur unter Mitwirkung der Volksvertretung abgeändert werden können. Die Frage wegen Abänderung eines Gesetzes zum Zwecke einer internationalen Vereinbarung kann aber, abgesondert vom Vertrage, als Landtagsgeschäft vorläufig erledigt werden163Vgl. auch § 19, I.. In gewissen Fällen enthält das Gesetz selbst die Ermächtigung zur Abänderung desselben im Wege des Vertrages164Erbrecht der Ausländer und jus detractus, literarisches und artistisches Eigenthumsrecht.. Nicht selten ist auch in den auf das ganze russische Reich bezüglichen Verträgen besonders stipulirt worden, daß solche Bestimmungen, welche mit den finnischen Gesetzen nicht übereinstimmen, im Großfürstenthum nicht gelten sollen.

VI. Materielle Gesetze, obgleich nur mit lokaler Gültigkeit, sind ferner die verschiedenen Statuten und Ordnungsvorschriften, polizeiliche und andere Gegenstände betreffend, welche von den Organen der kommunalen Verwaltung angenommen und von den laut dem Gesetze zuständigen Staatsbehörden bestätigt worden sind.

§ 32. Entstehung der Gesetzesentwürfe. Sanktion und Promulgirung. Die Initiative im eigentlichen Sinne findet statt, indem der Kaiser und Großfürst beschließt, einen von ihm geprüften Gesetzesentwurf den Ständen vorzulegen, oder indem die Stände beschließen, einen im Schooße des Landtages beantragten Gesetzesentwurf dem Kaiser und Großfürsten vorzulegen. Die Initiative hat aber ihre vorbereitenden Stufen. Der Entwurf des Kaisers und Großfürsten ist vom Senate ausgearbeitet worden, auf Grundlage oder Veranlassung entweder eines von einem Mitgliede des Senats gemachten Vorschlages, oder auch einer Petition der Stände. Das Seitens der Stände vorgeschlagene Gesetz entsteht durch die Motion eines Mitgliedes des Landtages und die vorläufige Prüfung derselben im betreffenden Ausschuß165Vgl. oben §§ 15 u. 27..

Die Sanktion ist der Akt, durch welchen der Kaiser und Großfürst einem von den Ständen angenommenen Gesetze die verpflichtende Kraft giebt. Dieser Akt gründet sich auf die vom Senate vorbereitete Prüfung des Beschlusses der Stände hinsichtlich sowohl des Inhaltes als der Form desselben. Es steht dem Kaiser und Großfürsten frei, die Sanktion zu geben oder zu verweigern. Ein willkürliches Verfahren kann hiebei selbstverständlich nicht vorausgesetzt werden. Deßhalb ist anzunehmen, daß die Sanktion nicht ausbleibt, wenn die Stände einer Vorlage der Regierung unbedingt und vollständig beigestimmt oder auch nur geringfügige Abänderungen darin vorgenommen haben. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Sanktionirung ist aber auch in solchem Falle nicht vorhanden, jedoch hätte die Sanktionsverweigerung dann eigentlich den Charakter einer von unvorhergesehenen Umständen veranlaßten Zurücknahme der Vorlage. – Irgendwelche Veränderung des von den Ständen angenommenen Textes kann bei der Sanktio|298|nirung nicht stattfinden. – Wenn die Sanktion eines Ständebeschlusses nicht erfolgt, werden die Ursachen dazu dem nächsten Landtage mitgetheilt.

Die vom Kaiser und Großfürsten sanktionirten Gesetze, in welchen der Zustimmung der Stände immer erwähnt wird, werden dem Senate zur Promulgirung übergeben. Das Gesetz erhält das Datum der Senatssitzung und wird, mit der Formel ”nach dem eigenen Beschlusse Sr. Majestät” von den Mitgliedern des Senats unterschrieben. – Nur die Grundgesetze werden vom Kaiser und Großfürsten selbst, unter Gegenzeichnung des Minister-Staatssekretärs, unterschrieben und gelangen in dieser Form zur Promulgation durch Vermittlung des Senats. – Was die allgemeinen Grundgesetze oder die eigentlichen Verfassungsurkunden betrifft, so ist die Annahme derselben Seitens der Stände durch die Unterschriften der vier Präsidenten der Stände feierlich bescheinigt worden. Zur Promulgation gehört die Veröffentlichung des Gesetzes in den offiziellen Zeitungen und in der ”Sammlung der Gesetze und Verordnungen Finlands”. Sowohl diese Sammlung als die offiziellen Zeitungen erscheinen in den beiden Landessprachen. Die erwähnte Sammlung wird großentheils auch in russischer Sprache gedruckt. – Die Praxis älterer Zeiten, die Gesetze auch durch Verlesung in den Kirchen kundzumachen, wird noch beobachtet.

Die Entschließung des Kaisers und Großfürsten, wodurch eine vom Senat vorgeschlagene Verordnung bestätigt wird, ist im Grunde und in ihren Wirkungen mit dem Akte der Sanktion übereinstimmend, obgleich bei der Ausübung des Verordnungsrechts formell nicht von einem besonderen Sanktionirungsrechte die Rede sein kann, da es die Sanktion des eigenen Beschlüsses wäre. Noch weniger macht sich die Sanktion als besonderes Moment geltend bezüglich der Verordnungen, welche vom Senate unmittelbar erlassen werden.

Sämmtliche Verordnungen werden, wie die Gesetze, vom Senate promulgirt; es ist nur der Unterschied, daß die Promulgation, je nach dem Gegenstande der Verordnung, entweder im Plenum oder im Departement der Oekonomie stattfindet. Mit der Veröffentlichung wird in ähnlicher Weise wie bei den Gesetzen verfahren.

§ 33. Erläuterung der Gesetze. Konkurrenz verschiedener Gesetze. Die Gerichte und übrigen Behörden, welche die Gesetze handhaben, sind sowohl verpflichtet als berechtigt, nach bestem Verstande und eigenem Gewissen den Sinn des Gesetzes zu deuten. Durch Regierungserlaß kann ihnen nicht vorgeschrieben werden, wie das Gesetz zu verstehen ist. Wird es nöthig befunden, die Bestimmungen eines Gesetzes durch eine besondere Erläuterung ins rechte Licht zu stellen oder zu ergänzen, so ist eine Solche im Wege der Gesetzgebung zu Stande zu bringen.

Der Erläuterung verwandt ist die authentische Interpretation. Sie erfolgt im konkreten Falle auf Anfrage eines Gerichts oder einer anderen Behörde, welche über den rechten Sinn eines Gesetzes in Zweifel gerathen. Kann der Zweifel im Wege der Interpretation des Textes, ohne besondere Erläuterung, beseitigt werden, so läßt der Senat eine kategorische Antwort ergehen.

Jedes neue Gesetz hebt in der Regel das ältere, denselben Gegenstand betreffende Gesetz auf; es sei denn, daß es sich diesem nur als ergänzend oder theilweise abändernd anschließt. Rechtsverhältnisse aber, welche laut Bestimmungen des älteren Gesetzes entstanden, sollen fortwährend nach diesem beurtheilt werden, denn eine rückwirkende Kraft kommt den Gesetzen nicht zu.

Sollte der Fall eintreten, daß in einem Grundgesetze und in einem allgemeinen Gesetze Bestimmungen verschiedenen Inhaltes über einen Gegenstand vorkommen, so ist dem Grundgesetz, sofern es nicht ausdrücklich aufgehoben worden, der Vorzug zu geben, wenngleich das allgemeine Gesetz von neuerem Datum wäre. Bei ähnlicher Konkurrenz zwischen Gesetz und Verordnung ist die Bestimmung des Gesetzes zu beobachten.

II. Kapitel. Die Normirung des Staatshaushaltes.

§ 34. Vorbemerkung. Der gesammten Staatsthätigkeit die erforderlichen materiellen Mittel zu bereiten, ist die Aufgabe des Staatshaushaltes. In den Bereich dieser Aufgabe fällt aber auch die Prüfung des Bedarfes, insofern als die Zulänglichkeit der vorhandenen Mittel oder die Möglichkeit solche anzuschaffen bei der Bestimmung der Ausgaben zu berücksichtigen ist. Die anerkannt nothwendigen Ausgaben müssen allerdings unter allen Verhältnissen gedeckt werden. Es gibt aber auch Ausgaben, welche nach Umständen höher oder niedriger gestellt oder auch vertagt werden können; in Bezug auf diese machen sich die finanziellen Erwägungen geltend.

Das System des Staatshaushaltes tritt in dem jährlichen Budget übersichtlich hervor. Das Budget ist nach finnischem Staatsrecht nicht ein Gesetz, welches an und für sich die für den Staatshaushalt erforderlichen Bestimmungen enthielte. Es setzt besondere Gesetze, Verordnungen und Entscheidungen, die Staatseinnahmen und Staatsausgaben betreffend, voraus. Die in dem Budget aufgeführten Ziffern sind die voraussichtlichen finanziellen Resultate dieser besonderen Bestimmungen.

Die Funktion den Staatshaushalt zu ordnen, welche sich somit der gesetzgeberischen Thätigkeit zur Seite stellt, wird theils vom Kaiser und Großfürsten unter Mitwirkung der Stände, theils auch vom Souverain allein ausgeübt. Ein wesentlicher Theil des Staatshaushaltes besteht in der Verwendung der regulären oder stehenden Einnahmen zur Bestreitung der normalen Staatsbedürfnisse. Das Recht, die hierauf bezüglichen Entscheidungen zu treffen, kommt dem Kaiser und Großfürsten allein zu. Die finanzielle Besugniß der Stände hat wiederum ihren Schwerpunkt in dem Steuerbewilligungsrechte, von welchem die Entwickelung der Staatswirthschaft und der Staatsthätigkeit überhaupt nach den Anforderungen der Zeit abhängt.

§ 35. Die Staatseinnahmen. Die Einnahmequellen des Großfürstenthums sind in rechtlicher Hinsicht unter folgenden Kategorien aufzuführen.

I. Das Staatsvermögen166Oeffentliche Gebäude, Inventar, Dampfschiffe, und überhaupt alle dem dienstlichen Gebrauch der verschiedenen Verwaltungen gewidmeten Gegenstände sind, obgleich einen Vermögenswerth repräsentirend, doch nicht dem Finanzvermögen beizuzählen, da sie nicht Einnahmequellen ausmachen. und die gewerblichen Betriebe des Staates.

a) Der Fiskus besitzt seit alten Zeiten Landgüter, Forsten und Fischereien. Die Verwaltung und Verwerthung dieser Einnahmequellen privatrechtlicher Natur wird durch Verordnungen des Kaisers und Großfürsten oder Vorschriften des Senats geregelt. Die Veräußerung solcher Vermögensobjekte ist aber nicht ohne die Zustimmung der Stände statthaft167A. L. G. von 1442 K. B. Kap. IV § 5..

b) Es sind allmählich von ersparten Staatsmitteln oder aus besonderen Quellen verschiedene Fonds gebildet worden. Die Regierung erläßt die für die Verwaltung der Fonds erforderlichen Vorschriften. Wenn aber ein Fond zufolge eines Beschlusses der Stände gegründet worden, so sind die in diesem Beschlusse enthaltenen Bestimmungen bezüglich des Zweckes und der Verwaltung des Fonds zu beobachten.

c) Von der staatsrechtlichen Stellung der Staatsbank (Finlands Bank) ist bereits oben gesprochen worden168§ 28, c) und § 30, VI.. Der Hauptzweck dieses Instituts ist zwar nicht, dem Fiskus Einnahmen zu bereiten. Es wird aber doch der disponible Reingewinn der|300| Bank für Staatsausgaben verwendet und zwar so, daß ein durch das Gesetz dauernd bestimmter kleinerer Betrag jährlich zu den regulären Staatseinnahmen übergeführt wird169 Gesetz vom 9. Dezember 1867 § 2 und vom 26. Juli 1875., der übrige größere Theil des Gewinnes aber in der Bank reservirt wird, bis die Stände über die Verwendung desselben beschließen.

d) Die Kanäle sind mit den Mitteln des ordentlichen Budgets gebaut worden. Der Ertrag der Kanäle gehört deßhalb zu den regulären Staatseinnahmen.

Die Staatseisenbahnen sind beinahe alle mit der Bewilligung der Stände gebaut worden. Sämmtliche Bahnen werden nunmehr als ein Ganzes verwaltet. Die jährlichen Spezialetats der Eisenbahnverwaltung werden, wie diejenigen der Kanäle, vom Kaiser und Großfürsten festgestellt. Der Reinertrag des Eisenbahnbetriebes gehört aber zu den Einnahmen, wegen deren Verwendung die Stände mitbeschließen.

Die Befugniß, die Tarife und Ordnungsregeln für den Eisenbahn- und Kanalbetrieb festzustellen, ist an den Senat delegirt worden.

e) Die Post ward früher als ein regale fisci betrachtet. Der Postbetrieb ist fortwährend dem Staate ausschließlich vorbehalten. Die Taxe wird vom Kaiser und Großfürsten festgestellt und der Ertrag gehört dem ordentlichen Budget zu.

II. Die Steuern. Es ist in den Grundgesetzen gesagt: daß keine neuen Steuern ohne die Einwilligung der Stände den Unterthanen auferlegt werden dürfen170R. F. § 45., und nochmals: weil die rechte Freiheit darin besteht, frei zu geben, was zum Unterhalt des Staates nöthig ist, so hat das Volk (d. h. die Stände) ein unstreitiges Recht, darüber mit dem Monarchen Uebereinkunft zu treffen171V. u. S. A. § 5..

Die Steuern sind in staatsrechtlicher Hinsicht zweier Art:

a) Die ohne alle Zeitbegrenzung bewilligten Steuern, welche also erhoben werden, so lange nicht die dieselben betreffenden Gesetze im Wege der Gesetzgebung aufgehoben worden. Der Ertrag dieser sogenannten stehenden Steuern gehört zu den ordentlichen Staatseinnahmen.

b) Die nur auf bestimmte Zeit, gewöhnlich eine Landtagsperiode, bewilligten Steuern, deren Erhebung nach Ablauf dieser Zeit aufhören muß, wenn sie nicht mit Zustimmung der Stände durch ein besonderes Gesetz erneuert werden. Die Bewilligung dieser Steuern hängt mit der Prüfung des Bedarfes zusammen: die Steuerbewilligung setzt in der Regel die Ausgabenbewilligung voraus172Die Ordnung, in welcher die Beschlüsse der Stände in Bewilligungsfragen zu Stande kommen, ist oben § 26 erörtert..

Die finanzielle Natur der Steuern ist bei der angeführten Unterscheidung nicht von Belang; sowohl direkte als indirekte oder Verbrauchs-Steuern können entweder auf unbestimmte oder auf begrenzte Zeit festgestellt sein.

Jede Steuer wird durch ein Gesetz etablirt. Die Initiative zu den Steuergesetzen kommt sowohl dem Kaiser und Großfürsten als den Ständen zu.

Von der allgemeinen Regel, daß Steuern nur mit Einwilligung der Stände auferlegt werden dürfen, gibt es zwei Ausnahmen. Die eine und zwar sehr bedeutende ist, daß der Kaiser und Großfürst das Recht hat, ohne die Mitwirkung der Stände den Zolltarif zu bestimmen173Dieser Ausnahme liegt keine ausdrückliche Bestimmung der Grundgesetze zu Grunde, sie beruht auf Interpretation und Praxis. In ältern Zeiten wurden die Zollabgaben theils als eine Besteuerung der Ausländer, theils als ein Mittel, die einheimische Industrie zu fördern, betrachtet. Deßhalb übte der König allein die ganze Zollgesetzgebung aus. Das Grundgesetz der Freiheitszeit (1719–1772) enthielt aber die Bestimmung, daß auch die Zollabgaben von der Bewilligung der Stände abhingen. In der R. F. von 1772, welche überhaupt die Grundsätze der ältern Zeiten wiederbeleben wollte, ist die Zollsteuer nicht besonders erwähnt, wo von dem Bewilligungsrechte der Stände die Rede ist. Gustav III. hielt sich deßhalb für berechtigt, den Zolltarif ohne die Stände festzustellen, und dabei ist es geblieben.; der Ertrag der Zölle gehört schon deßhalb zu den regu|301|lären Einnahmen. Die zweite Ausnahme ist nur ein Nothrecht: wenn nämlich das Land von Feinden angegriffen wird, kann der Kaiser und Großfürst zum Zweck der Vertheidigung außerordentliche Steuern erheben lassen; sobald aber der Krieg beendigt ist, sollen die Stände einberufen werden und die Kriegssteuern aufhören174R. F. § 45..

III. Gebühren und diverse Einnahmen. Die Abgaben, welche von der Schifffahrt als Beiträge zur Besoldung der Lootsen und zum Unterhalt der Leuchtthürme entrichtet werden, die Schulabgaben, die Gerichtsgebühren175Es möge bemerkt werden, daß die Stempelsteuer, wenngleich in gewissen Theilen den Gerichtsgebühren ähnlich, im Finland zu den Steuern gezählt wird und von der periodischen Bewilligung der Stände abhängt. u. dgl. werden ohne Mitwirkung der Stände festgestellt. Diese Einnahmen sowie auch verschiedenartige zufolge gesetzlicher Bestimmungen dem Staate zufließende Erträge fallen dem ordentlichen Budget zu.

§ 36. Der Staatskredit. Die staatsrechtliche Frage, ob die Regierung die Befugniß habe, ohne die Zustimmung der Stände Anleihen aufzunehmen, ist nicht durch ausdrückliche Bestimmung des Grundgesetzes entschieden. Seiner Zeit hat man versucht, die Ansicht geltend zu machen, daß diese Frage bejahend zu beantworten sei, unter der Voraussetzung, daß die regulären oder stehenden Einnahmen zur Verzinsung und Tilgung der Schuld ausreichen. Dagegen ist eingewendet worden, daß die Richtigkeit einer solchen Voraussetzung nie für eine längere Zeit sichergestellt und deßhalb immer die Möglichkeit da ist, daß zur Erfüllung der durch eine Anleihe übernommenen Verpflichtungen die Steuerbewilligung der Stände in Anspruch genommen werden müsse. Das Steuerbewilligungsrecht der Stände würde illusorisch, wenn der Staatskredit ohne Einwilligung der Stände benutzt werden könnte.

Das Berechtigte der letztangeführten Meinung unterliegt nunmehr keinem Zweifel, denn der Monarch selbst hat sich ihr angeschlossen und im Jahre 1863 vor den Ständen erklärt, daß keine Staatsanleihe ohne die Mitwirkung der Stände aufgenommen werden soll, sofern nicht ein feindlicher Angriff oder eine andere unvorhergesehene allgemeine Kalamität es unvermeidlich machen würde176Thronrede des Kaisers Alexander II. am 18. September 1863..

Die Initiative der Stände zur Benutzung des Staatskredits ist nicht ausgeschlossen, obgleich es in der Natur der Sache liegt, daß Staatsanleihen gewöhnlich von der Regierung vorgeschlagen werden. Die Stände prüfen, selbstverständlich, auch den Zweck der Anleihe.

§ 37. Das Budget. Das Budget ist in Finland der vom Kaiser und Großfürsten für jedes Kalenderjahr festgestellte Staatshaushaltsplan, enthaltend:

a) die berechneten Beträge der Einnahmen, welche auf Grund besonderer Gesetze und Verfügungen dem Staate zufließen, und

b) die theils veranschlagten, theils festgesetzten Beträge sämmtlicher Ausgaben, welche die Staatsverwaltung laut geltenden Spezialetats und anderen gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet oder ermächtigt ist, im Verlauf des Jahres zu bestreiten.

In dem Budget sind zwei Haupttheile zu unterscheiden: Der Etat des sogenannten ”Allgemeinen Staatsfonds”, d. h. der Etat der regulären oder ordentlichen Einnahmen|302| und Ausgaben, und der auf Bewilligung der Stände beruhende Etat. Der Grund dieser Unterscheidung liegt wesentlich in staatsrechtlichen Verhältnissen.

I. Nach dem ältern schwedischen Staatsrecht sollte der König dafür Sorge tragen, daß die gewöhnlichen Bedürfnisse des Staates mit dem Ertrage der Kronengüter und der normalen Steuern bestritten wurden177A. L. G. von 1442. K. B. IV. § 6. Nur für die im Gesetz angeführten außerordentlichen Fälle sollten besondere Subsidien vom Volke bewilligt werden.. Der nämliche Grundsatz findet sich in den Bestimmungen der R. F. von 1772 wieder178R. F. § 24.. Laut diesen allmählich näher entwickelten Bestimmungen ist der Staatshaushalt wesentlich auf den regulären Einnahmen basirt. Diese Einnahmen, welche als der ”allgemeine Staatsfonds” gebucht werden, sollen zunächst zur Deckung der stehenden Staatsausgaben, d. h. der Ausgaben, welche laut den für die Behörden und öffentlichen Einrichtungen geltenden Spezialetats zu bestreiten sind179In dem Budget ist ein fixirter Betrag zur persönlichen Verfügung des Kaisers und Großfürsten gestellt., in Anspruch genommen werden. Diesen Ausgaben schließen sich die Kosten für öffentliche Bauten und andere jährlich wiederkehrende, wenngleich im Detail wechselnde, Bedürfnisse der Staatsverwaltung an.

Sämmtliche im Etat des allgemeinen Staatsfonds aufgeführten Ausgaben beruhen, was die Beträge derselben betrifft, auf den vom Kaiser und Großfürsten ohne die Mitwirkung der Stände getroffenen Entscheidungen. Veränderungen in den speziellen Ausgabeetats müssen stets vor der Herstellung des Budgets dem Kaiser unterbreitet werden.

Das Budget wird zu Anfang des Jahres, für welches es gelten soll, festgestellt. Im Monat März hat der Senat (Departement der Oekonomie) dem Kaiser einen Rechnungsüberschlag, den sogenannten Staatskalkül, aus welchem der im vergangenen Jahre entstandene Ueberschuß in dem allgemeinen Staatsfonds ersichtlich ist, einzusenden. Zugleich schlägt der Senat solche zufällige Ausgaben vor, welche hinsichtlich der Zeit ihrer Bewerkstelligung von dem Vorhandensein verfügbarer Mittel dafür abhängen können. Die Konstatirung des erwähnten Ueberschusses und die vom Kaiser darauf angewiesenen Ausgaben bilden also einen Nachtrag zu dem ordentlichen Budget oder dem Etat des allgemeinen Staatsfonds.

II. Die den allgemeinen Staatsfonds bildenden regulären Einnahmen (nebst dem Militärfonds, worüber bald das Nähere) waren lange für den Staatsbedarf genügend. Seitdem aber, in den sechziger Jahren, die Staatsthätigkeit reger geworden und namentlich die Entwicklung der Verkehrsanstalten und des Volksschulenwesens bedeutende Mittel erheischte, hat die Regierung sowohl Steuerbewilligungen als die Zustimmung zur Aufnahme von Staatsanleihen von den Ständen verlangt. So ist der zweite Haupttheil des Budgets, welcher als der außerordentliche Etat bezeichnet werden kann, entstanden.

Bezüglich desselben ist zunächst zu bemerken, daß dieser Etat in dem jährlichen Staatshaushaltsplane nur eine Reproduktion, nach Vertheilung pro anno, des Gesetzes ist, in welchem die von den Ständen für die ganze Landtagsperiode, also in der Regel für 3 Jahre, bewilligten Ausgaben und Mittel zusammengestellt sind. Daß zu den in dem außerordentlichen Budget begriffenen Einnahmen nicht nur die temporär bewilligten Steuern, sondern auch der Gewinn der Bank, der Ertrag der Eisenbahnen und die durch Staatsanleihen einfließenden Summen gehören, ist aus dem in § 35 c, d und § 36 Angeführten ersichtlich.

Alle Vorlagen der Regierung wegen Ausgabebewilligung werden dem Budget- oder Etatsausschuß des Landtages zur vorbereitenden Prüfung überwiesen. Diese Prüfung|303| gilt sowohl dem Zweck der Ausgabe an sich, als auch der Frage, inwiefern die regulären Einnahmen zur Bestreitung der Ausgaben nicht hinreichend sind180L. O. § 36.. Dem Ausschuß stehen deßhalb die Staatsrechnungen zur Verfügung, und wird demselben auch eine approximative Veranschlagung der Jahresbudgets des allgemeinen Staatsfonds für die nächste Landtagsperiode mitgetheilt. Ueber jede finanzielle Vorlage wird ein besonderes Gutachten abgegeben, aber der Ausschuß hat außerdem, auf die erwähnten Quellen gestützt, einen zusammenfassenden Bericht über sämmtliche Budgetfragen auszuarbeiten.

Das in dem Steuerbewilligungsrechte der Stände gegründete Recht der freien Prüfung und Entscheidung, ob beantragte Ausgaben nebst den Mitteln zur Deckung derselben zu bewilligen oder zu verweigern seien, unterliegt einer gesetzlichen Einschränkung. Laut einer Bestimmung des Wehrpflichtgesetzes soll nämlich der Betrag, um welchen die Ausgaben für das Militär die regulären Einnahmen des besonderen Militärfonds übersteigen, nicht aus den Einnahmen des allgemeinen Staatsfonds, sondern aus Mitteln, welche die Stände anweisen, gedeckt werden181Wehrpflichtgesetz von 1878 § 122.. Es ist also vorausgesetzt, daß die Stände diese Mittel bewilligen. Und dabei erstreckt sich die Prüfung des erforderlichen Betrages nur auf Gegenstände ungefährlicher Veranschlagung, denn die Spezialetats der Truppen werden laut demselben Gesetze vom Kaiser und Großfürsten allein festgestellt. Hiebei ist doch zu bemerken, daß der Faktor, welcher von hauptsächlichem Einfluß auf die Höhe der militärischen Ausgaben ist, nämlich das aktive Friedenskontingent, durch das Gesetz bestimmt wird, also von der Zustimmung der Stände abhängt. Die Einwilligung zur Aufnahme von Staatsanleihen bringt grundsätzlich die Verpflichtung mit sich, die zur Verzinsung und Tilgung der Schuld erforderlichen Mittel zu bewilligen. Dieser Grundsatz hat in der Sonderstellung, welche den Eisenbahnanleihen innerhalb der auf den Beschlüssen der Stände beruhenden Budgetabtheilung gegeben worden, seine Anerkennung gefunden182Die Annuitäten dieser Anleihen werden nämlich in dem ”Kommunikationsfonds” gebucht, und wenn der Reinertrag der Eisenbahnen zur Deckung desselben nicht genügt, wird ein Zuschlag von Steuern angewiesen. – Gesetz vom 2. Oktober 1873 und 24. Januar 1886. – Nur ein geringer Theil der finnischen Staatsschuld ist wegen anderer Zwecke als Eisenbahnbauten entstanden..

III. Neben den erwähnten beiden Haupttheilen des Budgets gibt es noch eine dritte Abtheilung desselben, das als besonderer Etat aufgestellte Militärbudget. Dies beruht auf historischen Ueberlieferungen. Der Unterhalt des Heerwesens ward gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch das sogenannte Eintheilungswerk (Indelningsverket) geordnet. Diese Organisation bestand darin, daß 1) sämmtliche Landgüter mit Ausnahme der privilegirten, in Gruppen von zwei oder mehreren, je nach ihrer Schätzung, eingetheilt, die Soldaten zu stellen und auszurüsten hatten, und 2) nicht nur eine Menge Kronengüter, sondern auch ein bedeutender Theil der Grundsteuer unmittelbar zur Besoldung des Befehlspersonals angewiesen war. Die erst erwähnte Leistung ward nach Auflösung der ”eingetheilten” Truppen in eine Steuerzahlung, die sogenannte Vakanzabgabe, umgewandelt und von dieser Abgabe ist der Grundbesitz nunmehr in Folge der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht befreit worden183Gesetz vom 5. August 1886.. Der Ertrag der zweitens erwähnten Besoldungsquellen, welcher schon längst für Rechnung des Staats erhoben wird, bildet aber fortwährend die reguläre Einnahme des ”Militärfonds”. Was außer dieser Einnahme für die Ausgleichung des gesammten Militärbudgets erforderlich ist, wird von den Ständen bewilligt (vgl. hier oben II). Das Militärbudget, obgleich|304| aus angeführten Ursachen als ein besonderer Etat aufgestellt, gehört also eigentlich theils zur ordentlichen, theils zur außerordentlichen Abtheilung des Gesammtbudgets; es ist thatsächlich ein Budget für 3 (eventuell 5) Jahre, während welcher die von den Ständen bewilligten Summen nicht überschritten werden können, wird aber, nach gehöriger Vertheilung pro anno, für jedes Kalenderjahr zugleich mit den oben erwähnten Hauptetats ausgefertigt.

IV. In diesem Zusammenhange ist noch daran zu erinnern, daß, wie bereits im § 26 erörtert worden, sowohl Ausgabe- als Steuerbewilligungsfragen in den Fällen, wo ein übereinstimmender Beschluß aller vier Stände nicht zustandegekommen, durch Abstimmung im verstärkten Etats- oder Bewilligungsausschuß entschieden werden, wobei die Entscheidung ablehnend ist, wenn nicht mindestens ⅔ der Stimmen, also 40, für Zustimmung abgegeben wurden.

§ 38. Finanzkontrolle. Bei jedem ordentlichen Landtage soll innerhalb 14 Tagen nach der Eröffnung desselben der Zustand der Finanzen den Ständen mitgetheilt werden, ”damit sie erfahren mögen, wie die Staatseinnahmen zum Nutzen und Wohl des Landes verwendet worden”184R. F. § 50 und L. O. § 27.. Diese Mittheilung geschieht durch die sogenannte Finanzrelation, welche die letzten Jahresabschlüsse nebst besonderen Berichten über die Verwaltung der Staatsschuld und der von den Ständen zu speziellen Zwecken bewilligten Mittel enthält.

Die Finanzrelation soll ohne vorläufige Verhandlung an den Etatsausschuß überwiesen werden185L. O. § 53.. Der Bericht des Ausschusses – welchem alle Staatsrechnungen zur Verfügung stehen – zerfällt in zwei Haupttheile. Soweit es nämlich das ordentliche Budget betrifft (vgl. oben § 37 1), kommt es dem Ausschuß nicht zu, eine Kontrolle im eigentlichen Sinne auszuüben. Der Bericht beschränkt sich in diesem Theile darauf, solche Ausgaben, deren Reduktion wünschenswerth erscheint, hervorzuheben und etwaige Mängel im Staatshaushalte anzuzeigen. Einer ins Detail gehenden Prüfung sollen aber die Rechnungen unterworfen werden, aus welchen ersichtlich ist, ob die von dem vorigen Landtage in Finanzsachen gefaßten Beschlüsse genau befolgt worden sind, also namentlich ob die Ausgabebewilligungen nicht überschritten worden186L. O. § 36.. Wenn Ursache vorhanden, werden Anmerkungen formulirt.

Der erwähnte Bericht des Etatsausschusses, soweit derselbe von den Ständen gutgeheißen wurde, wird an den Kaiser und Großfürsten eingesandt und dann dem Senat (Departement der Oekonomie) mitgetheilt. Beim künftigen Landtage wird den Ständen in der neuen Finanzrelation gemeldet, welche Maßregeln wegen Beseitigung angemerkter Unrichtigkeiten, im Fall solche stattgefunden, ergriffen wurden, oder auch die zur Erklärung des angemerkten Punktes dienenden Umstände auseinandergesetzt.

Das Kontrollrecht hinsichtlich der Finanzen, welches den Ständen Finlands in angeführter Weise zukommt, ist also nicht sehr weitgehend, noch in seinen Konsequenzen genau geordnet. Es entspricht ungefähr der Befugniß der Stände in Bezug auf die Feststellung des Budgets. Dieses Kontrollrecht ist aber genügend, um der Volksvertretung den vollständigen Einblick in alle Theile des Staatshaushaltes zu gewähren; und wenngleich die Seitens der Stände in Betreff auf das ordentliche Budget geäußerten Bemerkungen die Regierung nicht juridisch verpflichten, ist die moralische oder politische Bedeutung einer solchen Kritik doch nicht gering anzuschlagen.

Was die eigentliche Rechnungsprüfung oder Revision betrifft, findet diese durch dazu eigens eingerichtete Behörden statt.

III. Kapitel. Die Verwaltung.

§ 39. Vorbemerkungen. I. Wie in anderen Verfassungsstaaten soll auch in Finland die Verwaltung unter genauer Beobachtung der Gesetze gehandhabt werden. Die Verwaltung besteht jedoch nicht bloß in der Ausführung der in den Gesetzen und Verordnungen enthaltenen Normen, bezw. der für den Staatshaushalt festgestellten Bestimmungen, sondern auch in der freien Thätigkeit, den Aufgaben des Staates gemäß und innerhalb der durch die Rechtsordnung gegebenen Grenzen, das Wohl und die Interessen des Landes zu fördern. Von diesen beiden Seiten der Verwaltungssunktion, welche selbstverständlich nicht durchweg von einander geschieden sind, sondern oft zusammenfallen, macht sich je nach der Beschaffenheit der Aufgabe die eine oder die andere vorzüglich geltend. Diesem entsprechend äußert sich die Thätigkeit der verwaltenden Behörden den einzelnen Staatsbürgern gegenüber theils als Ausübung obrigkeitlicher Gewalt, wo es gilt, die den Staatsbürgern laut den Gesetzen obliegenden Pflichten und Leistungen zur Erfüllung zu bringen, theils als Pflege solcher öffentlicher Einrichtungen, deren Benutzung den Einzelnen nach ihrem freien Ermessen offen steht.

Die Organe der Verwaltung dürfen weder in die Sphäre der Gerichte eingreifen, noch sich über die Urtheile der Gerichte hinwegsetzen. Es gehört, im Gegentheil, zu den Aufgaben der Verwaltung, für die genaue Vollziehung der Urtheile Sorge zu tragen, sofern nicht die Entscheidung des Gerichtes in Strafsachen durch die Anwendung des dem Kaiser und Großfürsten zustehenden Begnadigungsrechtes gemildert oder aufgehoben wird (vgl. oben § 13 und § 15 III b), oder auch eine restitutio fatalium vom Senate (Departement der Justiz) bewilligt worden187A. G. von 1734, R. B. Kap. 31. Gesetz vom 27. April 1868..

II. Ein Recht von der Anwendung des Gesetzes zu dispensiren steht dem Souverain nur in denjenigen Fällen zu, in welchen das Gesetz selbst Abweichungen von seinen Vorschriften zuläßt. Eine solche Beschränkung des Dispensationsrechtes ist nicht grundsätzlich geboten, wenn von Vorschriften der Verordnungen die Frage ist. Thatsächlich findet aber auch hier eine Begrenzung statt, indem die Ausübung des Dispensationsrechtes an den Senat übertragen worden, nicht aber im Allgemeinen, sondern unter Bezeichnung der Sachen, in welchen von den Verordnungen dispensirt werden darf188S. oben § 15 IV d und VI dd.. Hierzu gehören namentlich die Vorschriften, welche sich auf die Befähigungsproben für den Staatsdienst, die in Amtsschreiben anzuwendende Sprache und die Berechnung der Dienstjahre beziehen.

III. Die Anwendung der beiden Landessprachen in den amtlichen Geschäften ist allmählich nach dem Prinzip der Gleichstellung beider Sprachen geregelt worden, und zwar in folgender Weise.

Die Gerichte erster Instanz sind verpflichtet, ihre Urtheile und übrigen Ausfertigungen in der Sprache – schwedisch oder finnisch – abzusassen, welche die Protokollsprache bei den kommunalen Verhandlungen des Ortes ausmacht, sofern nicht die Partei, welche die Sache anhängig gemacht hat, die Anwendung der andern Sprache verlangt. – In jeder Sache sollen die Urtheile der höheren Instanz in derselben Sprache, wie in der ersten Instanz, abgefaßt werden.

Was die amtliche Korrespondenz, Buchführung u. dgl. betrifft, so richtet sich bei den unteren lokalen Behörden und Beamten die Sprache nach der Kommunalsprache des betreffenden Amtsbezirkes; sollte der Bezirk mehrere Kommunen umfassen und beide|306| Sprachen in denselben vertreten sein, ist die Behörde berechtigt, sich der einen oder der anderen Sprache zu bedienen. – Die centralen und die höheren lokalen Behörden entscheiden selbst, ob in ihren amtlichen Schreiben die schwedische oder die finnische Sprache angewandt werden soll.

Sämmtliche Behörden sind jedenfalls verpflichtet, in Expeditionen an Kommunen die Sprache der Kommune zu berücksichtigen189Verordnungen vom 1. Aug. 1863, 20. Febr. 1865, 9. Mai 1881, 29. Dezember 1883, 18. März 1886 und 4. April 1887. – Unter Umständen ist bisweilen Uebersetzung in die andere Sprache anstatt originaler Abfassung in derselben erlaubt..

IV. Die nachfolgende Uebersicht der verschiedenen Verwaltungszweige könnte nicht den näheren Inhalt des materiellen Verwaltungsrechts in sich aufnehmen, ohne die Grenzen des Staatsrechts zu überschreiten. Es wird deßhalb auf das materielle Recht nur so weit eingegangen werden, als für die Charakterisirung der verschiedenartigen Verwaltungsaufgaben erforderlich sein dürfte.

Nicht alle Verwaltung ist staatliche Funktion: die Verwaltung der Kommunen ist als bürgerliche Selbstverwaltung organisirt. Die Selbständigkeit der Kommunen ist jedoch nicht ein autonomes Recht, sondern beruht auf den Gesetzen des Staates. Das kommunale Verwaltungsrecht schließt sich deßhalb, wenngleich als eine besondere Sphäre, dem Staatsverwaltungsrecht an. Aus diesen beiden Sphären führt der Rechtsweg in Verwaltungssachen zu denselben mit der Verwaltungsrechtspflege beauftragten Staatsbehörden.

A. Die Verwaltung durch Organe des Staates.

§ 40. Allgemeine Civilverwaltung oder innere Verwaltung. Früher in einem Ressort, der Civil-Expedition des Senats, zusammengehalten, sind die Aufgaben der innern Verwaltung seit dem 1. Oktober 1888, durch die Einrichtung der Kanzlei-Expedition als zwei besondere Geschäftskreise vertheilt190Die Theilung geschah weniger aus prinzipiellen Gründen, als um der Ueberhäufung der Geschäfte in einem Ressort abzuhelfen..

Verwaltungszweige der Civil-Expedition.

I. Polizeiwesen. Die Aufgaben der Polizei werden in den meisten Städten von dem Magistrate (s. oben § 20, b) gehandhabt, unter Beihülfe des sog. Stadtfiskals, welcher zugleich das öffentliche Aktorat ausübt, und einer Anzahl Polizeidiener oder Konstabler. Nur in den drei größten Städten, Helsingfors, Abo und Wiburg, sind besondere sog. Polizeikammern eingerichtet, deren Chefs, die Polizeimeister, für die Leitung der polizeilichen Thätigkeit verantwortlich sind. – Auf dem Lande sind der Kronvogt und die ihm untergeordneten Kommissare (Länsman) die staatlichen Polizeibeamten; die letzteren haben einen oder zwei Polizeidiener zu ihrer Verfügung. Es liegt aber auch dem Kommunalrathe ob, für Aufrechthaltung der Ordnung zu sorgen. – Die Oberaufsicht über das Polizeiwesen in jeder Provinz steht dem Gouverneur zu. – Eine Centralisirung der Polizeiverwaltung findet nur insofern statt, als der Generalgouverneur in besondern Fällen Befehle an die Gouverneure ergehen läßt und als die Civil-Expedition dafür Sorge zu tragen hat, daß nöthige gesetzliche Vorschriften nicht fehlen.

Sowohl geschichtlich als prinzipiell ist es die erste Aufgabe der Polizei, Gesetzesübertretungen zu entdecken und die Verbrecher zu ertappen. Damit die Freiheit und der Hausfrieden der Bürger nicht verletzt werde191Vgl. oben § 7 III a und IV a., bestimmt das Gesetz, unter welchen|307| Voraussetzungen Verhaftung und Haussuchung vorgenommen werden dürfen. Es giebt jedoch eine Kategorie Personen, welche schon aus präventiven Gründen verhaftet werden können, nämlich die Vagabonden. Die Freizügigkeit unterliegt sonst in Finland, was die finnischen Unterthanen bertifft, keiner Einschränkung, aber Bagabondage ist nicht gestattet. Wenn eine arbeitsfähige Person außerhalb ihrer Heimathskommune sich ohne Beschäftigung herumtreibt, ohne eigene Existenzmittel zu besitzen oder von Andern versorgt zu werden, und wenn eine solche Person sich dabei einer unsittlichen Lebensart hingiebt, soll sie als Vagabond angehalten und von der Ortspolizei an den Gouverneur versandt werden. Auch ohne den Heimathsort zu verlassen, kann eine arbeitsfähige Person zufolge ihrer Aufführung unter die Kategorie der Vagabondage fallen. Der Gouverneur ist ermächtigt, sofern er keine Gründe zur Entschuldigung vorfindet, den Vagabonden zu ”allgemeiner Arbeit” (Korrektionsanstalt) auf höchstens ein Jahr zu verurtheilen. Bei Rückfall kann die Strafe verdoppelt werden. Aehnlicher Behandlung unterliegt der Arbeitsunfähige, welcher sittlicher Entartung überwiesen wird. – Der Zweck dieser polizeilichen Bestrafung ist nicht bloß die Besserung der Vagabonden wo möglich herbeizuführen, sondern auch namentlich die Gesellschaft vor den Verbrechen zu schützen, zu welchen dergleichen Leute gewöhnlich getrieben werden. – Ist der an den Gouverneur gesandte Vagabond auch eines Verbrechens bezichtigt, so soll er vor das Gericht gestellt werden und wird nicht wegen der Vagabondage besonders gestraft, falls das Gericht ihn verurtheilt192Gesetz vom 2. April 1883..

Selbstverständlich liegt es auch in Finland der Polizei ob, Störungen der Ordnung und Sicherheit auf Straßen und öffentlichen Plätzen, bei Jahrmärkten, Feuersbrünsten, Volksversammlungen und dgl. zu verhüten. In den Städten wird, wenn nöthig, die Polizei hierbei von dem Militär unterstützt.

Der Handel mit Branntwein ist, im Interesse der Sittlichkeit, einer sehr strengen Reglementirung unterworfen. Auch der Handel mit Bier unterliegt bedeutenden Einschränkungen. Der Transport und Verkauf von Pulver, Dynamit und andern explosiven Gegenständen, so auch der Handel mit Giften, dürfen nur unter Beobachtung der vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln stattfinden. Die hierauf bezüglichen Gesetze und Verordnungen, sowie auch die hinsichtlich der Gesundheitspflege erlassenen Vorschriften stellen besondere Forderungen an die Wachsamkeit der Polizei193Gesetze vom 16 Juli 1886 und 2. April 1883, Verordnungen vom 9. Oktober 1877, 14. Februar 1888 und 22. Dezember 1879..

II. Armenwesen. Die Fürsorge für die Armen gehört zu den Obliegenheiten der Kommunen; der Staat hat aber die in dieser Angelegenheit zu beobachtenden Grundsätze und die allgemeine Organisation der Verwaltung des Armenwesens durch das Gesetz festgestellt. Die Aufsicht über die kommunale Armenverwaltung steht in jeder Provinz dem Gouverneur zu. Außerdem ist ein allgemeiner Inspektor des Armenwesens angestellt, welcher durch häufige Reisen für genaue Befolgung des Armengesetzes und rationelle Entwickelung der Armenpflege wirken soll, dem betreffenden Gouverneur seine Beobachtungen mittheilt und an die Civil-Expedition einen Jahresbericht über das Armenwesen abzustatten hat194Gesetz vom 17. März 1879. V. O. vom 9. Oktober 1888..

III. Medizinalwesen. Die Verwaltung des Gesundheitswesens wird von der Medizinaldirektion, aus dem Generaldirektor als Vorsitzendem und drei Mitgliedern bestehend, gehandhabt. In den Provinzen sind Bezirksärzte angestellt, welche sowohl gesundheitspolizeiliche Geschäfte als Krankenbehandlung zu besorgen haben; sie fungiren auch|308| als Gerichtsärzte. Ihr Bezirk fällt in der Regel mit der Vogtei (dem allgemeinen Verwaltungsbezirke) zusammen. Der Staat unterhält in den Residenzstädten der Provinzen und einigen andern Orten öffentliche Krankenhäuser. In der Hauptstadt stehen die Krankenhäuser unter der Leitung der Professoren der medizinischen Fakultät, und wird in denselben der klinische Unterricht ertheilt. Für Geisteskranke bestehen zwei größere Centralanstalten nebst besonderen Aufnahmeanstalten für Probekur in den allgemeinen Krankenhäusern der Provinzen, und außerdem zwei Irrenasyle (für chronische Geisteskranke). – Aerztliche Thätigkeit dürfen in Finland nur diejenigen ausüben, welche durch geleistete Befähigungsproben bei der medizinischen Fakultät der Universität dazu legitimirt sind. – Das Apothekenwesen steht unter der Kontrolle des Staates. Die Apotheker müssen sich zu ihrem Berufe befähigen. Apotheken können nur nach Erwirkung besonderer Konzession angelegt werden. Es ist vom Staate für den Unterricht der Hebammen und für die Vaccination gesorgt195V. O. vom 29. Januar 1879, u. A..

Von den gesundheitspolizeilichen Aufgaben der Medizinalverwaltung sind die Maßregeln zum Schutze gegen ansteckende Krankheiten vor Allem zu erwähnen.

Das Gesundheitswesen ist übrigens auch Gegenstand der Fürsorge Seitens der Kommunen.

Die in jeder Provinz angestellten Thierärzte stehen unter der Aufsicht der Medizinaldirektion, welche, namentlich wenn es gilt Epizootien zu bekämpfen, die Thätigkeit der Thierärzte zu leiten hat.

IV. Das Präventivsystem hinsichtlich der Presse besteht hauptsächlich darin, daß niemand eine periodische Druckschrift herausgeben darf, ohne dazu von der Direktion für die Angelegenheiten der Presse die Erlaubniß erhalten zu haben; daß es den Buchdruckern verboten ist, Drucksachen auszuliefern, ehe der betr. Beamte der Preßverwaltung bescheinigt hat, daß die Schrift ihm vorher zugestellt worden; und daß dieser Beamte berechtigt ist, die Herausgabe der Schrift vorläufig zu verhindern, im Fall er findet, daß in derselben Schmähungen gegen die Religion, lästernde Aeußerungen über den Souverän oder die höchsten Behörden, Aufhetzungen gegen die Obrigkeit oder lügenhafte oder irreführende Beurtheilungen obrigkeitlicher Maßregeln, vergreifliche Ausfälle gegen fremde Mächte u. dgl. vorkommen; es steht dann der erwähnten Direktion zu, zu entscheiden, ob die Schrift freigegeben oder definitiv sequestrirt, bezw. gerichtliche Klage angestellt werden soll. – Warnungen können den Herausgebern periodischer Schriften vom Chef der Civil-Expedition ertheilt werden. – Die solchermaßen der Preßverwaltung übertragene Befugniß darf jedoch nicht willkürlich ausgeübt werden: es heißt in der betr. Verordnung ausdrücklich, daß der finnische Staatsbürger berechtigt ist, mit Beobachtung der geltenden Vorschriften, seine Gedanken über jeglichen Gegenstand des menschlichen Wissens durch den Druck an die Oeffentlichkeit zu bringen.

Die unter der Aegide der Universität erscheinenden wissenschaftlichen Schriften sind der Kontrolle Seitens der Preßbeamten nicht unterworfen.

Der Buchdruckerei- und Buchhandlungsbetrieb darf nicht ohne die Erlaubniß der Direktion der Preßangelegenheiten unternommen werden.

Ausländische Literatur ist ebenfalls der präventiven Kontrolle unterworfen196Verordnungen vom 31. Mai 1867 und 1. Mai 1871..

V. Die amtliche Statistik wird hauptsächlich von dem statistischen Central- Bureau in Helsingfors bearbeitet. Einige Theile der Statistik (Gefängnißwesen, Schulwesen, Industrie, Eisenbahnwesen) werden jedoch unmittelbar von den betreffenden Be|309|hörden systematisch bearbeitet. Außer den systematischen Arbeiten umfaßt die amtliche Statistik die Jahresberichte mehrerer centralen Behörden und der Gouverneure197V. O. vom 4. November 1884..

VI. In den Geschäftskreis der Civil-Expedition gehören ferner: solche Sachen der Kommunalverwaltung, welche der Prüfung des Senats vorbehalten sind; – Vorschläge wegen der Anlage neuer Städte und Kaufplätze – und die auf die Provinzverwaltung sich beziehenden Angelegenheiten, sowie Organisation der Provinzialregierungen, die amtliche Bezirkseintheilung u. s. w. Ferner noch das Paßwesen, bezüglich dessen zu erwähnen ist, daß in St. Petersburg unter der Aufsicht des Staatssekretariats eine besondere ”Finnische Paßexpedition” besteht, deren Aufgabe es ist, eine Kontrolle über die Ausweise der zahlreich dort ankommenden finnischen Arbeiter auszuüben und die von denselben während ihres dortigen Aufenthalts an Finland zu entrichtenden Steuerabgaben zu erheben.

Verwaltungszweige der Kanzlei-Expedition.

VII. Das Postwesen. Der Postbetrieb ist dem Staate ausschließlich vorbehalten. Die Postdirektion besteht aus drei Abtheilungen, der Kanzlei, der Trafikund der Rechnungsabtheilung, deren Vorsteher die Sachen dem Generalpostdirektor vortragen; er übt allein das Entscheidungsrecht aus, welches der Postdirektion innerhalb der durch Etat und Instruktionen gezogenen Grenzen zukommt. Die lokalen Postämter sind theils Postkomptoirs, theils Postexpeditionen und Poststationen. – Die Korrespondenz der staatlichen Behörden wird in der Regel unentgeltlich befördert198Verordnungen vom 15. März 1881 und 7. Februar 1888.. – Die mit Zustimmung der Stände unter der Garantie des Staates eingerichtete Postsparbank steht unter der Leitung einer besonderen Direktion, in welcher der Generalpostdirektor den Vorsitz führt. Die Beamten des Postwesens besorgen die lokalen Geschäfte der Postsparbank199V. O. vom 24. Mai 1886..

VIII. Der Telegraph ist nicht Gegenstand der finnischen Staatsverwaltung. Mit Ausnahme der zu den Eisenbahnen gehörenden Telegraphenlinien ist das Telegraphennetz in Finland von der russischen Regierung angelegt. Den finnischen Behörden gegenüber ist die rechtliche Stellung der Beamten, welche den Telegraphen verwalten, deßhalb analog derjenigen, welche dem Personal einer privaten Telegraphengesellschaft zukäme. Das Verhältniß des finnischen Eisenbahntelegraphen zu dem Rußland gehörenden Telegraphennetze in Finland ist durch besondere Verabredung regulirt. – Zur Anlage von Telephonleitungen, welche nicht gänzlich über den eigenen Boden des Anlegers für seinen privaten Bedarf gezogen sind, ist eine Konzession vom Senate zu erwirken. In der Konzession wird dem Staate das Einlösungsrecht nach dem Verlauf einer gewissen Zeit vorbehalten.

IX. Die allgemeinen Landstraßen nebst Brücken zu bauen und unterhalten, ist eine Obliegenheit sämmtlicher Inhaber ländlicher Grundstücke und industrieller Anlagen auf dem Lande; auch der Staat ist für seine Domänengüter und Forsten an dieser Last betheiligt. Das Gebiet eines jeden Gerichtssprengels bildet einen Verband für diesen Zweck. Sowohl eigene Arbeit als Entreprise kann in Anwendung kommen. In jedem Falle wird die fragliche Last nach dem Mantal (der ländlichen Steuereinheit) vertheilt. – Soll die Anlage eines neuen Weges unternommen werden, wird die Frage, nachdem das Gutachten der betr. Kommunen eingeholt worden, vor dem Kreisgericht einer vorbereitenden Prüfung unterworfen, wonach der Gouverneur die Sache entscheidet.|310| Die Kosten für größere Brückenanlagen können vom Gouverneur auf ein weiteres Gebiet, bezw. die ganze Provinz, vertheilt werden200A. G. von 1734, B. B.Kap. 25. Gesetz vom 15. Januar 1883..

An den allgemeinen Landstraßen sollen Herbergen mit Postpferden wegen der Beförderung der Reisenden und der Post unterhalten werden. Die per Pferd und Kilometer zu zahlende Abgabe wird durch Verordnung festgestellt. Das Entreprisensystem ist das vorherrschende. Auch diese Leistung ruht auf dem ländlichen Grundbesitze, jedoch sind die privilegirten Güter (vgl. oben § 7, III, c und § 10, I, a) davon befreit. Die Vertheilung der Kosten, bezw. Zustellung von Pferden in natura, geschieht nach der Grundsteuereinheit. Jede Vogtei bildet einen Verband für diese Angelegenheit, deren schließliche Regulirung dem Gouverneur zukommt201A. G. von 1734, B.B.Kap. 28. – Gesetz und Verordnung vom 12. November 1883 und 20. December 1888..

X. Die öffentlichen Gebäude des Staates. Sowohl Neubauten als Reparaturen werden von der Direktion der öffentlichen Bauten besorgt. Jede Expedition des Senats gibt der Baudirektion die auf ihre Verwaltungszweige bezüglichen Aufträge. Die Aufsicht über die Thätigkeit der Direktion und die von derselben zu befolgenden allgemeinen Vorschriften gehören aber dem Ressort der Kanzlei-Expedition zu. Die Entwürfe zu den Bauten sollen vom Senate, oder, wenn es kleinere Arbeiten gilt, von der betreffenden Expedition bestätigt werden, ehe sie zur Ausführung gelangen. – Das Gutachten der Direktion wird vom Senate eingeholt über vorgeschlagene Aenderungen der Stadtpläne, städtische Bau-Ordnungen und andere dgl. Sachen. – Dem Chef der Direktion, Oberdirektor genannt, kommt allein das Beschlußrecht zu. Das Personal besteht im Uebrigen aus 16 Architekten, von welchen 8 als Vorsteher der Baukomptoirs der Provinzen angestellt sind.

XI. Gefängnißwesen. Den Anforderungen des lange vorbereiteten neuen Strafgesetzes entsprechend bestehen gegenwärtig: zwei Zuchthäuser und eine Arbeits- oder Korrektionsanstalt für Männer, ein Zuchthaus nebst Korrektionsanstalt für Frauen und acht Provinzgefängnisse für die einfache Gefängnißstrafe und für die Verhafteten, welche ihr Urtheil abwarten. Alle Gefängnisse sind mit Zellen versehen. Die Eröffnung einer besonderen ländlichen Anstalt für jugendliche Verbrecher wird bald erfolgen. Es giebt außerdem kleine Bezirksgefängnisse für das temporäre Aufbewahren der vor die Kreisgerichte geladenen Verhafteten, wie auch von den Städten unterhaltene Gefängnisse. Es ist sowohl für den geistigen Unterricht als für die strenge Uebung der Verurtheilten in gewerblicher Arbeit gesorgt. Die Leitung des gesammten Gefängnißwesens ist der centralen Gefängnißdirektion in Helsingfors übertragen, jedes Gefängniß hat aber seine besondere Direktion, aus dem Vorsteher, dem Prediger und dem Arzt der Anstalt bestehend. Der Gouverneur beaufsichtigt das Provinzgefängniß in seiner Residenzstadt und ordnet die Transporte der Verhafteten an.

XII. Das Staatsarchiv. Laut einer Bestimmung des Friedensvertrages vom 17. September 1809 wurden bald darauf eine Menge Finland betreffender Urkunden aus den schwedischen Archiven an die finnische Regierung überliefert. Diese Urkunden nebst anderen später aus Schweden empfangenen und den in Finland aus der Zeit vor 1809 bewahrten Verwaltungsurkunden, bilden die ältern Sammlungen des Staatsarchivs. Der neue Theil besteht aus den Aktenstücken, welche von den Regierungs- und Verwaltungsbehörden des Landes fortwährend geliefert werden. – Die Sammlungen sind im Allgemeinen der Forschung zugänglich. In zweifelhaften Fällen entscheidet der Senat, ob Abschriften zum Zwecke der Veröffentlichung gemacht werden dürfen. – Das Archiv wird von|311| einem Staatsarchivar mit Gehülfspersonal verwaltet. – Die Hofgerichte und die Gerichte erster Instanz bewahren, ein jedes in eigenem Archiv, die bei denselben entstandenen Aktenstücke.

§ 41. Finanzverwaltung. Die zum Geschäftskreise der Finanz-Expedition gehörenden Verwaltungsaufgaben sind wesentlich auf die Verwirklichung der für den Staatshaushalt festgesetzten Normen gerichtet und beziehen sich also auf folgende Gegenstände:

I. Steuerwesen. Die direkten Steuern sind:

a) Die Grundsteuer. Die Besteuerung des ländlichen Grundbesitzes stammt aus dem Mittelalter. Das jetzige System datirt hauptsächlich aus dem 17. Jahrhundert, ist aber allmählich in manchen Stücken revidirt worden. Das Steuerobjekt ist nicht die Parzelle, sondern das ganze katastrirte Grundstück, die sog. Heimath (hemman). Das Schätzungsund Katastrirungswesen fällt unter die Kameralverwaltung (s. den nachfolgenden §). Die an den Staat zu zahlende Grundsteuer ist zweierlei Art: die sog. ordentliche Rente und der Kronzehnte202Der von der katholischen Kirche eingeführte Zehnte ward nach der kirchlichen Reformation zu ⅔ für Rechnung des Staates in Anspruch genommen.. Der Steuerbetrag jeder Heimath ist zum kleineren Theil in Geld, zum größeren Theil in Getreide berechnet und kann auch theilweise in Getreide entrichtet werden. Bei Zahlung in Geld geschieht die Evaluirung nach dem Durchschnitt der Normalpreise des Getreides in den letzten zehn Jahren; die Normalpreise werden für jedes Jahr von Vertretern der vier Stände vor dem Gouverneur vorgeschlagen und vom Senate bestätigt. – Die Grundsteuer ist eine Quotitätssteuer: einmal gesetzlich festgestellt, darf das Steuermaß einer Heimath nicht wegen gesteigerten Bodenertrages erhöht werden. Die Reallasten aber, wie z. B. der Landstraßenunterhalt, sind Gegenstand der Repartition je nach dem wechselnden Bedürfniß203Die Quellen sind zu zahlreich, um hier angeführt werden zu können.. b) Die Personenbesteuerung oder Kopfsteuer traf früher die verschiedenen Klassen in ungleichem Maße, ist aber nunmehr, ohne Privilegirung der höheren Stände, zum gleichen, und zwar erniedrigten, Betrage von allen Personen zwischen 15 und 64 Altersjahren zu zahlen, jedoch so, daß die Frauen nur die Hälfte zahlen204Gesetz vom 20. Febr. 1865.. – Als Beitrag zur Besoldung der Kreisrichter wird außerdem von Allen, welche auf dem Lande eine selbständige Haushaltung haben, eine besondere persönliche Abgabe, nach einer gewissen Abstusung, erhoben.

c) Die Apotheker und die auf dem Lande etablirten Kaufleute zahlen jährliche Abgaben; sonst ist die gewerbliche Thätigkeit nicht für Rechnung des Staates direkt besteuert.

Die Erhebung der direkten Steuern wird unter der Leitung des Gouverneurs und des Landkomptoirs einer jeden Provinz durch die Beamten der Vogtei bewerkstelligt. Für die Empfangnahme des Getreides sind eine Menge Speicher eingerichtet; von diesen stehen die größeren unter der Aufsicht besonderer sog. Magazinsverwalter, die kleineren unter der Aufsicht der Kronvögte.

Von den indirekten Steuern ist

d) die Zollabgabe die wichtigste, indem sie ⅓ bis ²/₅ sämmtlicher Staatseinnahmen ergiebt. Der gegenwärtige Zolltarif datirt von 1869, allerdings im Laufe der Zeit theilweise verändert. Die leitenden Grundsätze des finnischen Zollsystems sind: Zollfreiheit oder geringe Abgaben für nothwendige Lebensmittel und wichtige Rohstoffe der Industrie, auf Beförderung der einheimischen Industrie berechnete Verzollung industrieller Gegenstände, und hohe Besteuerung der als Luxuswaaren betrachteten Artikel. – Der Zoll|312|tarif hat jedoch überhaupt nicht Anwendung auf russische Erzeugnisse. Als bald nach der Vereinigung Finlands mit Rußland eine Zollbewachung längs der Landgrenze zwischen den beiden Ländern eingerichtet wurde, galt es anfänglich nur die freie Einfuhr ausländischer Waaren aus oder über Finland nach Rußland und vice versa zu verhindern. Später wurde aber, und namentlich im Jahre 1835, die zollfreie Einfuhr finnischer Erzeugnisse nach Rußland bedeutend eingeschränkt. Im Jahre 1858 ward eine neue Vereinbarung getroffen. Als Grund derselben ist in den hierüber in beiden Ländern erlassenen gleichlautenden Verordnungen angegeben, daß der Kaiser ”eine größere Reciprocität in den Handelsverhältnissen zwischen Rußland und Finland nöthig gefunden”. Durch diese Verordnungen und spätere Ergänzungen zu denselben wurde bestimmt: daß ausländische Waaren gegenseitig der Verzollung unterliegen; daß die Einfuhr von Branntwein gegenseitig verboten ist; daß sämmtliche russische Erzeugnisse mit Ausnahme von Zucker, Wein, Salz, Tabak und Bier zollfrei nach Finland eingeführt werden können; daß Zollfreiheit bei der Einfuhr nach Rußland allen deßhalb besonders verzeichneten finnischen Erzeugnissen zukommt, manchen Fabrikwaaren jedoch nur bis zu einer bestimmten Quantität, wogegen die in diesen, allerdings recht umfassenden Verzeichnissen nicht aufgenommenen Artikel zollpflichtig sein sollen. Nachdem die bereits früher vorhandene Ungleichheit der russischen und finnischen Zolltarife dem Auslande gegenüber durch die seit 1880 in Rußland stattgefundenen Zollerhöhungen gesteigert worden, ward von russischer Seite eine Revision der erwähnten Vereinbarung angeregt. Hieraus resultirte im Jahre 1885 eine Verfügung, laut welcher die Erzeugnisse verschiedener finnischer Industrien bei der Einfuhr nach Rußland Zollabgaben unterworfen wurden, deren Grund die Ausgleichung der Differenz zwischen den russischen und den finnischen Zollsätzen für ausländische Rohstoffe sein sollte.

Das centrale Organ für die Verwaltung des Zollwesens ist die kollegial organisirte Zolldirektion. In allen Seestädten, mehreren Binnenstädten und an der Landgrenze gegen Rußland sind wegen der Zollbehandlung und Zollsteuererhebung Zollämter eingerichtet205In St. Petersburg besteht auf dem Bahnhofe der finländischen Staatsbahn ein finnisches Zollamt, hauptsächlich für die Zollbehandlung des Gepäcks der nach Finland Reisenden.. Außerdem werden die Landgrenzen durch besondere Zolldiener und die Küsten vermittelst der Dampfer und Segelboote der Zollverwaltung überwacht.

Außer den Zöllen werden durch die Zollverwaltung folgende Abgaben erhoben: Die temporär bewilligte additionelle Tabakssteuer, die auf der Ausfuhr der Holzwaaren lastende Steuer und die Tonnen-Abgabe, welche für den Unterhalt der Leuchtthürme erhoben wird.

e) Die Branntwein-Accise soll von den Fabrikanten an die Provinzialkasse eingeliefert werden, ehe über die Waare für den Verkauf disponirt werden darf; ebenso die Accise für Malzgetränke. Weil diese Steuern eine spezielle Reglementirung und Kontrolle der Fabrikation und des Verkaufes der genannten Waaren erheischen, fällt die Handhabung der hierauf bezüglichen Angelegenheiten in den Geschäftskreis der Handels- und Industrie-Expedition.

f) Die Stempelsteuer ist gemischter Natur, indem sie theils als direkte Vermögenssteuer, z. B. bei der Legalisirung der Nachlaßinventare, theils mittelbar wirkt, wie oft mit der Stempelabgabe für Forderungsurkunden der Fall ist, theils auch mit den gerichtlichen Gebühren zusammenfällt. Die Legalisirung der im Privatverkehr bleibenden Geschäftspapiere (Wechsel, Verträge, Rechnungen u. dgl.) ist in Finland nicht geboten; nur bei der Eingabe derselben an gerichtliche oder andere Behörden müssen solche Aktenstücke gestempelt sein. – Ein unter die Aufsicht der Finanz-Expedition gestelltes Stempel|313|komptoir besorgt die auf diese Steuer bezüglichen Geschäfte. Der Verkauf der Stempelmarken wird gegen Kaution privaten Agenten überlassen.

II. Die kapitalisirten Fonds des Staates werden durch das Staatskomptoir verwaltet und verwerthet. Bei einigen dieser Fonds, wie namentlich dem Staatsreservefonds, wird der Zinsertrag zur Vergrößerung des Kapitals innebehalten, von andern werden die Zinsen für das jährliche Budget in Verwendung genommen. Der größte dieser Fonds ist derjenige, aus welchem Darlehen an Kommunen und für industrielle Anlagen, sowie auch für den Schiffsbau bewilligt werden.

III. Die Verwaltung der Staatsschuld ist auch dem Staatskomptoir übertragen. Das System der Staatsrenten ist in Finland nicht angenommen; sämmtliche Anleihen werden nach halbjährlichen Verloosungen amortisirt206Die Staatsschuld ist theils einheimisch, theils ausländisch. Die gegenwärtig ausständigen einheimischen Anleihen sind ausschließlich wegen der in sozialer Hinsicht bedeutungsvollen Einlösung der sog. Donationsgüter in der Provinz Wiburg emittirt worden. In dieser Provinz waren, vor der im Jahre 1811 stattgefundenen Wiedervereinigung derselben mit dem übrigen Finland, bedeutende Ländereien als Lehensgüter an vornehme Personen verschenkt worden. Als es nach 1811 galt, die rechtliche Stellung der auf diesen Gütern ansässigen Bauern in Einklang mit den Verhältnissen im übrigen Lande zu bringen, entstanden manche Schwierigkeiten. Schließlich hat der Kaiser und Großfürst, mit der Zustimmung der Stände, den Senat ermächtigt, sämmtliche Lehensgüter für Rechnung des Staates zurückzukaufen. Im Verlaufe der letzten 20 Jahre ist diese Operation im Wege der freiwilligen Kaufverträge durchgeführt worden, und die Güter werden, je nachdem die erforderliche Feldmessung und Katastrirung es erlaubt, an die Bauern gegen eine mäßige Annuitätenzahlung wiederverkauft. Wo der Einkaufspreis zu hoch war, hat der Staat den Verlust auf sich genommen. – Die erwähnten Staatsanleihen (circa 8 Millionen) werden indessen beinahe vollständig durch die Zahlungen der Bauern gedeckt.
Die als ausländische bezeichneten Anleihen sind sowohl in Finland als im Auslande (und zwar in Deutschland) untergebracht worden. Sie haben alle die Entwickelung der Verkehrsmittel bezweckt. Zum Belege dessen mag erwähnt werden, daß diese Anleihen zu Ende des Jahres 1888 ungefähr 61 Millionen finnische Mark, also nicht die Hälfte der auf ungefähr 145 Millionen sich belaufenden Anlagekosten der fertigen Eisenbahnen und Kanäle des Staates ausmachten..

IV. Kassen- und Rechnungswesen. Sämmtliche Steuereinnahmen, sowie auch die aus den Forsten und übrigen Domänen fließenden Erträge werden in die betreffende Provinzialkasse eingeliefert. Diese Kasse steht unter der besonderen Aufsicht des Gouverneurs. Aus derselben werden die im Bereiche der Provinz laut den Etats zu bestreitenden Staatsausgaben bewerkstelligt. Die Gouverneure senden die in den Provinzialkassen entstehenden Ueberschüsse an das Staatskomptoir oder beantragen bei der Finanz-Expedition die Zusendung von Mitteln, wenn Zuschuß erforderlich ist. Das Kassenwesen der Staatseisenbahnen und der Post ist bei den Direktionen derselben in der Hauptstadt konzentrirt, und hier werden die Ueberschüsse unmittelbar an das Staatskomptoir geliefert.

Die Finanz-Expedition empfängt von den Landkomptoirs, den Zoll- und Postdirektionen und dem Staatskomptoir monatliche Abrechnungen und Jahresabschlüsse; sie hat den jährlichen Rechnungsabschluß des Staates herzustellen. An die Finanz-Expedition werden auch von den verschiedenen Verwaltungszweigen alle die speziellen Berechnungen geliefert, welche zum Zweck der Ausarbeitung des jährlichen Budgetentwurfs erforderlich sind.

V. Das Münzwesen. Laut dem § 44 der R. F. sind die Stände an der Feststellung des Münzwesens betheiligt. Bei dem Landtage in Borgo 1809 wurde von den Ständen der russische metallische Rubel als Hauptmünze für Finland angenommen. Die geschichtlichen Phasen des finnischen Geldwesens hier darzustellen, verbietet der Raum. Aus derselben Ursache wie in einigen andern Staaten – der Werthverminderung des Silbers im Verhältniß zum Golde – ward in den 70er Jahren der Ueber|314|gang zur Goldwährung nöthig befunden. Durch das Gesetz vom 9. August 1877 wurde das Münzwesen Finlands auf Gold als alleinigen Werthmesser gegründet. Die Rechnungseinheit heißt Mark, in 100 Penni getheilt207Diese Rechnungseinheit war bereits 1859 eingeführt worden.. Hauptmünzen sind die Goldmünzen von 10 und 20 Mark (welche genau den 10- und 20-Francsstücken des französischen Münzsystems208Von dem französischen Münzwesen unterscheidet sich das finnische dadurch, daß der Bimetallismus vermieden und dem Silbergelde eine bloß sekundäre Stellung angewiesen ist. entsprechen). Nur das Goldgeld ist gesetzliches Zahlungsmittel. Die Silbermünzen sind Scheidemünzen.

Ein Jeder ist berechtigt, Gold zur Ausprägung an die Münze des Staates zu liefern, und wird ihm der Werth in Goldgeld erstattet, ohne andern Abzug als ¹/₈ Prozent für die Prägungskosten. Die Prägung der Scheidemünzen findet aber nur für Rechnung des Staates statt.

Die Münze in Helsingfors wird unter der Oberaufsicht der Finanz-Expedition von einem Direktor und einem Unterdirektor verwaltet.

VI. Das Bankwesen. Den ersten Platz in dem finnischen Bankwesen nimmt die Staatsbank, ”Finlands Bank”, ein. Von dem übrigen Verwaltungsorganismus unterscheidet sich dieses Institut insofern, als dasselbe, wie bereits angeführt worden209S. oben § 28 c., laut einer Bestimmung der R. F. unter der Obhut und Garantie der Stände steht. Es ist die Aufgabe der Bank, ”das Geldwesen des Landes fest und sicher zu erhalten und den Geldumlauf zu fördern und erleichtern”. Dabei hat die Bank gewöhnliche Bankgeschäfte zu betreiben. Die Zettelemission ist nunmehr der Staatsbank allein vorbehalten; ihre Zettel werden in sämmtlichen Komptoirs der Bank gegen finnische Goldmünzen eingewechselt. Die Summe der in Umlauf gebrachten Zettel darf nicht mit mehr als höchstens 30 Millionen Mark den Betrag der metallischen Kasse und der im Besitz der Bank befindlichen in Gold realisirbaren ausländischen Valuten übersteigen210Gesetz vom 27. Juni 1878, das Statut der Bank enthaltend, nebst späteren Abänderungsgesetzen..

Die Bank hat ihren Hauptsitz in Helsingfors und Filialkomptoirs in elf andern Städten des Landes und in St. Petersburg. Die eigentliche Verwaltung der Bank wird von der aus einem Präsidenten und zwei Mitgliedern bestehenden Direktion gehandhabt; die Hauptleitung aber, d. h. die Feststellung aller wichtigeren Bestimmungen, die in dem Geschäftsbetriebe der Bank zu beobachten sind, und die Ueberwachung des Geschäftsganges, steht den vier Delegirten (Bevollmächtigten) der Stände zu. – Die jährliche Revision der Bank wird durch die von den Ständen gewählten vier Revisoren bewerkstelligt.

Das Verhältniß der Bank zu der Regierung ist auf gewisse in dem Statut der Bank bezeichnete Angelegenheiten beschränkt. Dem Kaiser und Großfürsten selbst ist es vorbehalten, interimistische Abänderungen des Bankstatuts zu erlassen211Vgl. oben § 30 VI. und die Direktoren zu ernennen. Dem Senat (Departement der Oekonomie) kommt es zu, die Einrichtung neuer, bezw. Einziehung bestehender Filialkomptoire, sowie die für die Filialen zu erlassenden Instruktionen zu bestätigen und die Vorsteher derselben zu ernennen. Geschäftliche Beziehungen zwischen der Regierung und der Bank sind selbstverständlich nicht ausgeschlossen, sie können aber nicht von der Regierung vorgeschrieben werden, sondern nur im Wege der gegenseitigen Verabredung, wie zwischen zwei selbständigen Parteien, zu Stande kommen212Die Staatsbank hat sich in der That an der Uebernahme der meisten finnischen Staatsanleihen betheiligt. – Bis zu der im Jahre 1875 erfolgten Einrichtung des Staatskomptoirs besorgte die Direktion der Bank die Verwaltung der Staatsfonds und der Staatsschuld, jedoch als einen gesonderten Zweig ihrer Aufgaben..

Der private Bankbetrieb ist, sobald derselbe bezweckt vom Publikum gegen Depositenscheine oder durch Emission von Obligationen Geld aufzunehmen, besondern gesetzlichen Bestimmungen unterworfen. Privatbanken können sowohl von Aktiengesellschaften, als von offenen, aus wenigstens zehn namhaften, solidarisch verantwortlichen Personen bestehenden Gesellschaften eingerichtet werden. Die Konzession zur Einrichtung einer Bank soll beim Senat nachgesucht werden und wird nicht verweigert, sofern der Gesellschaftsvertrag oder das Statut der Bank den Bestimmungen des Gesetzes entspricht und sonst kein Grund zur Verweigerung vorliegt. Mit dem Bankgeschäft darf ein industrielles Unternehmen oder der Handel mit andern als den zum Bank- und Kreditgeschäft gehörenden Gegenständen nicht verbunden sein. Die Zettelemission ist den Privatbanken untersagt. Zur Ausfertigung von Obligationen soll die besondere Erlaubniß des Senats erwirkt werden; die Obligationen sollen mittelst einer Hypothek sichergestellt werden. Durch einen vom Senat für jede Bank ernannten öffentlichen Kontrollanten wird die Beobachtung des Bankgesetzes und des Statuts der Bank beaufsichtigt213Gesetz vom 10. Mai 1886. – In dem älteren Gesetze über die Privatbanken, vom 15. Januar 1866, war diesen Anstalten eine begrenzte Zettelemission gestattet..

Bodenkreditvereine (sog. Hypothekenvereine) können entweder ausschließlich auf die gegenseitige Haftpflicht der an dem Verein betheiligten Grundbesitzer oder auch daneben auf ein Aktienkapital basirt sein214V. O. vom 25. Mai 1859.. – Es giebt bis weiter nur einen Bodenkreditverein für das ganze Land, mit Filialen in sämmtlichen Provinzen.

Die Sparbanken sind nicht Gegenstand der allgemeinen Gesetzgebung geworden. Die Gouverneure sind berechtigt, Sparbanken zu oktroyiren und die Statuten derselben festzustellen215V. O. vom 30. August 1887..

§ 42. Kameralverwaltung. Der Geschäftskreis der Kammer-Expedition schließt sich großentheils den Aufgaben des Staatshaushalts an.

I. Die Feldmessung hat, außer den wegen privater Rechtsfragen und in Angelegenheiten der Landeskultur zu leistenden Verrichtungen, bei der Durchführung des Grundsteuersystems und den behufs desselben erforderlichen nachträglichen Regulirungen mitzuwirken. Weil das Steuerobjekt nicht die Parzelle, sondern das gesammte Grundstück, die sog. Heimath (hemman) ist, soll bei der Bodentheilung der Besitz einer jeden Heimath an Acker, Wiese, Weide, Wald und Fischrecht bestimmt werden. Die Steuerquote soll überhaupt zum Ertragswerthe proportionirt sein, jedoch hat die hierauf bezügliche Schätzung nicht in allen Provinzen nach derselben Methode stattgefunden. Seit etwas mehr als hundert Jahren gilt als allgemeinste Methode die Schätzung nach der totalen Fläche des schätzbaren Bodens. Die Besteuerung der Grundstücke war in den östlichen und nördlichen Theilen des Landes und ist in einigen Gegenden noch jetzt provisorisch, bis die Hand in Hand mit der definitiven Bodentheilung fortschreitende Feststellung des Steuermaßes durchgeführt worden ist. Während des Provisoriums sind die Wälder Gemeingut der angrenzenden Heimathen oder Dörfer, bezw. auch des Staates, gewesen. Wo die Waldfläche das Maß übersteigt, welches laut den Bestimmungen der Gesetze den Heimathen im Verhältniß zu ihrem übrigen Boden als Einzelwald zuerkannt werden soll, gehört der Ueberschuß dem Staate. Bei der definitiven Bodentheilung haben auch die Staatswälder allmählich ihre bestimmten Grenzen erhalten.

Ein volles Steuermaß (1 mantal) wird überhaupt der Heimath auferlegt, deren schätzbare Bodenfläche von 300 bis 600 Hektaren ausmacht; jedoch können in den nörd|316|lichen Gegenden bis zu 2 000 Hektaren hierzu erforderlich sein. Kleinere Heimathen tragen verhältnißmäßige Bruchtheile des ganzen Steuermaßes. In den südwestlichen Landestheilen, wo die Kultur schon alt ist und die Besteuerung früher geregelt worden, herrscht aber ein anderes Verhältniß, indem das volle Steuermaß sogar Heimathen von nur 50 Hektaren auferlegt worden.

Bei den vom Feldmesser geleiteten Verrichtungen behufs der definitiven Bodentheilung und Schätzung sind die interessirten Grundbesitzer berechtigt, ihre Ansprüche zu melden und ihr Gutachten abzugeben. Streitigkeiten, welche im Verlaufe der Bodentheilungsprozedur entstehen, werden von einem kompromissarischen Gerichte, dem sog. Bodentheilungsgerichte, entschieden. Dieses Gericht besteht aus einem Vorsitzer und zwei Mitgliedern, alle von den Grundbesitzern der betreffenden Kommune gewählt. Der Vorsitzende muß ein Jurist sein. Mit Fragen, welche laut den Gesetzen der allgemeinen Gerichtsbarkeit zukommen, dürfen die Bodentheilungsgerichte sich nicht befassen. Die Thätigkeit dieser Gerichte wird von den Hofgerichten überwacht; gegen die Entscheidungen derselben kann aber bei dem Departement der Justiz des Senats Beschwerde angeführt werden.

Das Steuermaß jeder Heimath wird vom Feldmesser vorgeschlagen und vom Gouverneur der Provinz bestimmt. Die Entscheidung des Gouverneurs soll aber dem Departement der Oekonomie des Senats zur Prüfung und Feststellung unterbreitet werden216Hauptquelle für die hier behandelten Fragen ist die Verordnung, das Feldmessungswesen betreffend, vom 15. Mai 1848..

Jegliche Heimath, deren Besitzthum und Steuermaß in angeführter Weise geregelt worden und welche also als katastrirt zu bezeichnen ist, kann in zwei oder mehrere Heimathen getheilt werden. Eine selbständige Heimath darf jedoch nicht kleiner sein, als daß drei Personen durch die Bewirthschaftung derselben existiren können. Es können auch von einer Heimath Parzellen abgesondert werden. Von diesen soll eine durch den Gouverneur festzustellende jährliche Abgabe als Beitrag zur Steuerzahlung an die Heimath entrichtet werden. Die Parzellen sind also nicht in kameraler Hinsicht, wenngleich in privatrechtlicher, selbständige Grundstücke217Gesetze vom 19. Februar 1883, 1. März 1886 u. A..

Die Direktion der Feldmessung kontrollirt die oben erwähnten Arbeiten, begutachtet die von andern Behörden zu bestätigenden Vorschläge der Feldmesser, leitet die Arbeiten an dem Kartenwerk des Landes u. s. w. Die Direktion besteht aus einem Oberdirektor, als Chef, seinem Adjoint und einer Anzahl Ingenieure. In jeder Provinz wird die Ausführung der lokalen Aufgaben von einem Provinzial-Feldmessungskomptoir und einer größern oder geringern Anzahl Feldmessern besorgt. Es steht den Gouverneuren zu, die Feldmesser mit Verrichtungen jeglicher zu ihrem Dienste gehörenden Art zu beauftragen.

II. In jeder Vogtei wird von dem Vogteischreiber ein kamerales Grundbuch (jordebok) geführt, worin sämmtliche in der Vogtei gelegenen Grundstücke oder Heimathen verzeichnet sind nebst Angabe aller solcher Umstände, welche hinsichtlich der Grundsteuer von irgend welcher Bedeutung sind. Alle vorkommenden Veränderungen, sowie Theilungen, Parzellirungen, Herabsetzung des Steuermaßes (welche nach gesetzlichen Gründen ausnahmsweise gestattet werden kann) werden hier eingetragen. Das Landkomptoir der Provinzialregierung kontrollirt diese Grundbücher. – Von besonderer Bedeutung in Bezug auf die Steuerpflicht ist die auf historischen Verhältnissen beruhende kamerale Natur der Grundstücke. Es giebt in dieser Hinsicht verschiedene Kategorien. 1. Die vollständig steuerpflichtigen Heimathen, von welchen die große Mehrzahl Privat|317|eigenthum sind (skattehemman), ein Theil aber Eigenthum des Staates (kronohemman). Letztere, welche nicht mit den Domänen zu verwechseln sind, werden von den Inhabern mit erblichem Recht besessen. Der Inhaber (”Kronbauer”) zahlt keine Pacht, nur die Steuer, er ist berechtigt, gegen ein durch das Gesetz bestimmtes Lösegeld das Eigenthumsrecht zu erwerben. Seine Stellung unterscheidet sich von derjenigen der Grundbesitzer nur darin, daß seine Bewirthschaftung beaussichtigt wird, daß er kein Holz verkaufen darf und die Heimath nicht verpfänden kann. Bei gesetzwidriger Bewirthschaftung verliert er den Besitz, und wird vom Gouverneur ein neuer Kronbauer angenommen. 2. Die privilegirten, d. h. mehr oder weniger steuerfreien Güter. Den Haupttheil dieser Kategorie bilden die ehemaligen adeligen Residenz- und Nebengüter, welche ursprünglich nur Edelleuten gehören konnten, deren Erwerb aber nunmehr einem Jeden offen steht218Vgl. oben § 7 III c) und § 10 I.. Ferner sind die den lutherischen Geistlichen zum Wohnsitz und als Beitrag zu ihrer Besoldung angewiesenen Heimathen der vollen Grundsteuerpflicht nicht unterworfen. 3. Die Domänengüter, worüber sofort das Nähere.

III. Die Staatsdomänen sind:

a) Staatswälder219Die totale Fläche der Staatsforsten beträgt ungefähr 14 160 000 Hektare, wovon jedoch der größte Theil, ungefähr 12 600 000 Hektare, in der nördlichsten Provinz gelegen ist. Der Mangel an Arbeitern und Verkehrsmitteln erlaubt dort noch nicht eine genaue Bewirthschaftung und Exploitation der Wälder.. Sie werden unter der Leitung der Forstdirektion von Oberund Revierforstmeistern verwaltet. Das ausgestempelte reife Holz wird durch Versteigerung verkauft; die Angebote sind der Prüfung des Senats (Departement der Oekonomie) vorbehalten. – Im Bereiche der Staatswaldungen können, wo der Boden zum Ackerbau tauglich ist, Ansiedelungen erlaubt werden. Die auf die Anlage solcher ”neuen Heimathen” bezüglichen Angelegenheiten gehören zunächst zum Geschäftskreise der Gouverneure, jedoch unter Mitwirkung der Forstverwaltung. Es besteht in der Provinz Tavastehus ein Forstinstitut, welches sowohl höhern als elementären Unterricht in der Forstwirthschaft ertheilt.

b) Landgüter. Zu Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Unterhalt des Heeres auf den Grundbesitz basirt (Indelningsverket). Zu diesem System gehörte, daß die Offiziere und Unteroffiziere ein Grundstück als Wohnsitz und Beitrag zur Besoldung innehaben sollten. Es wurden hierzu theils alte königliche Domänengüter, größtentheils aber verfügbare ”kronohemman” (s. oben II) angewiesen. Diese Güter sind zufolge der mit dem Militärwesen stattgefundenen Veränderungen schon längst nicht mehr für den erwähnten Zweck in Anspruch genommen, sondern werden durch Verpachtung für Rechnung der Staatskasse verwerthet220Vgl. oben § 37 III.. Die Verpachtung geschieht auf je 50 Jahre. Die Bewirthschaftung ist durch besondere Vorschriften geregelt und wird von landwirthschaftlich gebildeten Beamten, den Domänenaufsehern, welche den Gouverneuren untergeordnet sind, überwacht221V. O. vom 26. April 1871.. Die Kammer-Expedition prüft und bestätigt die Pachtverträge. Eine kleinere Anzahl Güter, welche früher Civil-Beamten zur Benutzung angewiesen waren, werden nunmehr in ähnlicher Weise durch Verpachtung verwerthet; so auch etliche der vom Staate in der Provinz Wiburg eingelösten sog. Donationsgüter, die nicht gänzlich von den Bauern übernommen worden (vgl. oben S. 313, Note 1).

c) Das Fischrecht in den größeren Flüssen und Strömen ist seit alten Zeiten als ein jus regale betrachtet worden. Die Staatsfischereien werden in der Regel auf je|318| 6 Jahre verpachtet. Die Aufsicht über dieselben wird von dem Fischereiinspektor gehandhabt. Dieser Beamte soll auch für die Förderung des privaten Fischereigewerbes und die Beobachtung der hierüber erlassenen Gesetze thätig sein.

IV. Das Maß- und Gewichtsystem. Durch ein Gesetz vom 16. Juli 1886 ist vorgeschrieben, daß das metrische System in Finland gelten und im Verlaufe der Jahre 1887–1891 allmählich sowohl bei den Staatsbehörden als im Einzelverkehr zur ausschließlichen Anwendung gebracht werden soll. Mit der Durchführung und Aufrechterhaltung des neuen Maß- und Gewichtsystems ist eine besondere sog. Justirungskommission, aus dem Oberdirektor der Feldmessungsdirektion, dem Justirungsinspektor und einem konsultativen Mitgliede bestehend, beauftragt. In jeder Provinz ist der Provinzialfeldmesser zugleich Justirungskontrolleur, und überwacht die Thätigkeit der untergeordneten Justirungsbeamten.

V. Die Revision der Staatsrechnungen findet in dem Revisionskomptoir statt. Die Kammer-Expedition leitet die Staatsrevision und hat im Senate die bezüglich der Kontrolle in den verschiedenen Verwaltungszweigen erforderlichen Maßregeln vorzuschlagen. – In der Kammer-Expedition wird das Inventar über sowohl die feste als die bewegliche Habe des Staates geführt.

§ 43. Das Heerwesen222Hauptquelle: das Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht vom 27. Dezember 1878.. I. Jeder finnische Staatsbürger ist der Wehrpflicht unterworfen.

Das Heer besteht aus: 1. den aktiven Truppen, die in ständigem Dienst sind, 2. der Reserve, deren hauptsächliche Aufgabe es ist, die aktiven Truppen im Fall des Krieges zu ergänzen, und 3. der Landwehr, bestehend aus allen denen, welche den Dienst in der Reserve vollendet haben.

Das jährliche Kontingent umfaßt alle die jungen Leute, welche vor dem 1. Januar des laufenden Jahres das Alter von 21 Jahren erreicht haben.

Dieses Kontingent wird durch das Loos zwischen den aktiven Truppen und der Reserve vertheilt.

Wer wegen eines entehrenden Verbrechens verurtheilt worden, ist vom Militärdienst ausgeschlossen.

II. Die Dauer der Dienstzeit in der aktiven Truppe ist in der Regel drei Jahre; danach folgt ein zweijähriger Dienst in der Reserve.

Diejenigen, welche unmittelbar in die Reserve eintreten, gehören derselben während 5 Jahren an. Während der drei ersten Jahre werden die Reservisten zu Uebungen einberufen. Die Uebungszeit ist, für die drei Jahre zusammengenommen, 90 Tage. Es sind für diesen Zweck 32 Uebungslager in den verschiedenen Theilen des Landes eingerichtet.

Jedes Jahreskontingent bildet eine Klasse in den Registern des Heeres.

Die Wehrpflichtigen, welche ihren Dienst in der Reserve beendet haben, werden in die Landwehr eingeschrieben und gehören derselben bis zum Alter von 40 Jahren zu.

Die Landwehr kann nur bei feindlichem Einbruch in das Land mobilisirt werden. Sie wird dann in Landwehrbataillone formirt, deren Kadres von Reservisten gebildet werden, welche in den wegen des Krieges errichteten besonderen Depottruppen geübt worden.

III. Befreiung von der Wehrpflicht oder Aufschub der Diensterfüllung wird theils wegen physischer Ursachen – Mißbildung oder Krankheit – theils wegen der im Gesetze angegebenen Familienverhältnisse – einziger Sohn und dgl. – bewilligt. Auch wegen|319| wirthschaftlicher Verhältnisse oder um den Abschluß eines Studienkursus zu ermöglichen, kann eine Frist vergönnt werden.

Die Dauer der aktiven Dienstzeit wird verkürzt: um ein Jahr für diejenigen, welche die höhere Volksschule durchgemacht haben, um anderthalb Jahre für die Abiturienten der Lyceen (höhere Mittelschulen) und der höhern gewerblichen Lehranstalten, um zwei Jahre für die Studenten der Universität.

Die Geistlichen sind der Wehrpflicht enthoben; die Aerzte und Schullehrer sowie auch die in der Ausübung ihres Berufes begriffenen Schiffer, Seeleute und Lootsen sind nur in Kriegszeit dienstpflichtig.

Jünglinge von wenigstens 17 Jahren, welche eine höhere Lehranstalt durchgemacht oder eine besondere Prüfung bestanden haben, können, jedoch nur in begrenzter Anzahl, als Freiwillige auf ein Jahr in die aktiven Truppen eintreten. Dieses Dienstjahr wird ihnen als Erfüllung der aktiven Dienstpflicht berechnet. Unter gewissen Bedingungen können auch Leute, die nicht durch das Loos zum aktiven Dienste verpflichtet worden, auf Grund freiwilliger Meldung als Soldaten enrollirt werden; sie werden als Volontaire bezeichnet.

IV. Die mit den Militärersatzangelegenheiten beauftragten Behörden sind:

a) Die Ersatzkommissionen, eine oder zwei für jede Provinz, welche wiederum in eine Anzahl Aushebungsbezirke von je 15 000 bis 50 000 Einwohnern eingetheilt ist. An der Spitze der Kommission steht der vom Senat ernannte Kriegskommissar; sein Sekretär, welcher Jurist sein muß, ist zugleich ständiges Mitglied derselben. In der Zeit zwischen dem 15. April und 24. Juni tagt die Ersatzkommission in den Aushebungsbezirken; sie ist dann von einem Offizier als Militärmitglied und von drei Vertretern der im Bezirke bestehenden kommunalen Behörden verstärkt; auch ist ein Arzt ihr beigeordnet. Während der Sitzungen in den Bezirken finden die wegen der Enrolirung des Jahreskontingents erforderlichen Verrichtungen statt, sowie die sanitäre Untersuchung der Wehrpflichtigen, die Ziehung der Loose, die Prüfung der Gesuche wegen Befreiung oder Aufschub. – Die übrige Zeit des Jahres widmet die Ersatzkommission der Führung der Register, der amtlichen Korrespondenz u. s. w.

b) Die zweite Instanz in den Wehrpflichtssachen ist die Provinzkommission, in welcher der Gouverneur den Vorsitz führt und als deren Mitglieder der Landsekretär, ein vom Befehlshaber der Truppen beorderter älterer Offizier und zwei vom Gouverneur berufene Vorsitzer der Kommunalräthe in der Provinz fungiren.

Diese Kommission übt die allgemeine Aufsicht über die Wehrpflichtsangelegenheiten in der Provinz aus, prüft die Beschwerden über die Entscheidungen der Ersatzkommission und behandelt unmittelbar gewiße im Gesetz angegebene, die Wehrpflicht betreffende Sachen.

Das Departement der Justiz des Senats ist die höchste Instanz in Sachen, die das Recht des einzelnen Wehrpflichtigen betreffen.

V. Die Friedensstärke des aktiven Heeres ist durch das Gesetz bestimmt223Gegenwärtig 5 600 Mann, Gesetz vom 11. Februar 1889; die Zahl der jährlich in Kompagnieformation geübten 3 Klassen von Reservisten beträgt ungefähr 19 000 Mann..

Die Zusammensetzung des Heeres, die Vertheilung desselben auf die verschiedenen Waffengattungen und die Dislokation der Truppen werden vom Kaiser und Großfürsten auf Vorschlag des Senats festgestellt224Bis auf Weiteres nur Infanterie und, von 1890 an, Kavallerie..

Die Zusammenziehung der Truppen zu größeren gemeinsamen Uebungen geschieht laut Beschluß des Senats und des Generalgouverneurs.

Die Aufgabe des finnischen Heeres ist, laut dem Gesetze, ”den Thron und das Vaterland zu wehren und dadurch auch zur Vertheidigung des Kaiserthums beizutragen.”

VI. Das Oberkommando über die Truppen Finlands steht dem Generalgouverneur zu. Nächst ihm steht an der Spitze sämmtlicher Truppen der ”Besehlshaber”, in der Regel Generallieutenant; zu der ”Befehlshaberbehörde” gehören ein Stabschef, zwei Adjutanten, ein mit der Inspektion der Waffen beauftragter Offizier, sowie auch der Oberarzt des Militärs, der das Sanitätswesen der Truppen leitet und beaufsichtigt.

Als Offiziere, Civilbeamte und Unterbefehl bei den finnischen Truppen können nur finnische Staatsbürger angestellt werden.

Die Ausbildung für den Offiziersberuf geschieht in der Kadettenschule, welche als Internat eingerichtet ist, aber in den höchsten Klassen auch Freiwillige als externe Schüler aufnimmt. Von den Lehrern der Kadettenschule wird ein besonderer Kursus gehalten für diejenigen Freiwilligen, welche nur den Grad eines Fähnrich in der Reserve erzielen wollen.

Die Offiziere werden vom Kaiser ernannt. Sowohl die Fragen wegen Besetzung der Offiziersstellen als sonstige Kommandosachen gehen vom Generalgouverneur an den auch für Finland fungirenden Kriegsminister Rußlands225Vgl. oben § 19 II..

VII. Die Militär-Expedition des Senats vertritt in der Regierung die Angelegenheiten des Heerwesens, welche sich auf die Organisation, die Ausrüstung und die ökonomischen Bedürfnisse beziehen, sei es daß diese Angelegenheiten Gesetzgebungsakte oder Verwaltungsvorschriften erheischen.

Die Intendantur, von einem Oberintendanten geleitet, besorgt die Bewaffnung, Bekleidung und Verpflegung der Truppen und die Auszahlungen an dieselben. Bei der Intendantur ist außer andern Beamten ein Aufseher der Militärgebäude angestellt.

In Kriegszeit sind die Hausbesitzer in den Städten wie auf dem Lande verpflichtet, den Truppen unentgeltlich Quartier einzuräumen; in Friedenszeiten ist diese Leistung auf durchziehende Truppen beschränkt. Stehende Einquartierung kann in Friedenszeiten nur gegen volles Miethsgeld stattfinden. Die kommunalen Behörden besorgen die Ausführung der Quartierrequisitionen226V. O. vom 18. Januar 1882..

VIII. Die Militärgerichte sind:

als erste Instanz das bei jeder abgetheilten Truppe fungirende Kriegsgericht, welches aus vier Offizieren und dem Auditeur zusammengesetzt ist;

das Oberkriegsgericht in Helsingfors, bestehend aus einem vom Kaiser und Großfürsten ernannten Vorsitzenden und vier Mitgliedern, nämlich drei vom Generalgouverneur für je zwei Jahre berufene Offiziere und dem Oberauditeur, welcher auf Antrag des Departements der Justiz des Senats vom Kaiser ernannt wird.

Die Militärgerichte sind in Friedenszeit zuständig für alle laut dem militärischen Strafgesetz strafbaren Handlungen solcher Personen, die dem genannten Gesetz untergeordnet sind, in Kriegszeit auch für die übrigen von solchen Personen begangenen Verbrechen.

Das Oberkriegsgericht entscheidet über Beschwerden gegen Erkenntnisse der Kriegsgerichte, behandelt aber als erste Instanz gewisse im Gesetz angegebene wichtigere Sachen.

Das Departement der Justiz des Senats bildet auch in der militärischen Gerichtsbarkeit die höchste Instanz227Strafgesetz für das finnische Militär vom 16. Juli 1886..

§ 44. Kirchen- und Schulwesen. Die Verwaltungsaufgaben, welche in der Kultus-|321|Expedition des Senats zusammenlaufen, bilden zwei wesentlich verschiedene Gebiete. Früher stand das allgemeine Unterrichtswesen, mit Ausnahme der Universität, unter der Obhut der Kirche, wenigstens insofern daß die lutherischen Kirchenbehörden auch die Schulen zu beaufsichtigen hatten. Nunmehr ist die Fürsorge für die geistige Ausbildung der Staatsgenossen eine weltliche Angelegenheit geworden, jedoch ohne die im Interesse des Religionsunterrichts erforderliche Betheiligung der Geistlichkeit an der Beaufsichtigung der Volksschulen auszuschließen. Das Verhältniß der Staatsverwaltung zu diesen zwei Gebieten ist übrigens auch darin verschieden, daß hauptsächlich nur rechtliche und wirthschaftliche Angelegenheiten der Kirche, in den im Gesetze bezeichneten Fällen, an die weltlichen Behörden gelangen, während dagegen die Pflege des Unterrichtswesens sich in positiven Verwaltungsmaßregeln äußert.

1. Die Stellung der Kirchen im Staate.

I. Die evangelisch-lutherische Kirche nimmt zwar nicht mehr die exklusive Stellung ein, welche ihr früher zugesichert war, indem die R.-F. von 1772 im 1 bestimmte, ”daß alle Beamten und Unterthanen dieser Kirche zugehören sollten”; nunmehr erlaubt nämlich das Kirchengesetz den Austritt aus der lutherischen Kirche, und Bekenner anderer Religionen sind nicht mehr von der Betheiligung am Staatsleben vollständig ausgeschlossen. Die lutherische Kirche ist aber fortwährend nicht bloß die allgemeine Landeskirche, da nur etwa 2 Prozent der Bevölkerung andern religiösen Gemeinschaften zugehören228Hiebei ist doch zu bemerken, daß die Anzahl der im Schooße der lutherischen Kirche entstandenen protestantischen Dissidenten noch nicht von der Statistik besonders angegeben ist.; sie hat auch die Stellung einer Staatskirche beibehalten. Die hauptsächliche Rechtsurkunde der lutherischen Kirche in Finland, das von den gesetzgebenden Organen des Staates geschaffene Kirchengesetz vom 6. Dezember 1869, welches an die Stelle des Kirchengesetzes von 1686 trat, enthält, ebenso wie dieses, nicht nur Bestimmungen über das Verhältniß der Kirche zum Staate und die Organisation der kirchlichen Behörden, sondern auch die Grundzüge des kirchlichen Glaubensbekenntnisses nebst vollständigen Vorschriften, den Gottesdienst und die sonstige amtliche Thätigkeit der Geistlichkeit betreffend. Die staatskirchliche Stellung der lutherischen Kirche geht ferner daraus hervor, daß die lutherische Geistlichkeit als solche an der Volksvertretung besonders betheiligt ist229S. oben § 24 II., daß die dieser Kirche und Geistlichkeit in älteren Zeiten gewährten Privilegien, welche sich größtentheils auf ökonomische Rechte und Immunitäten beziehen, fortwährend grundgesetzlich garantirt sind, daß die theologische Fakultät der Universität nur die Ausbildung lutherischer Geistlichen zur Aufgabe hat und daß der Staat für den lutherischen Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen Sorge trägt.

Die Organisation der lutherischen Kirche ist in ihren Hauptzügen folgende:

a) Das Land ist in drei Bisthümer (Stifte) eingetheilt. Die Bischöfe, von welchen der in Abo Erzbischof titulirt ist, stehen, ein jeder in seinem Bisthum, an der Spitze der kirchlichen Verwaltung; sie überwachen die Thätigkeit der Geistlichen und machen zu diesem Zwecke jährliche Visitationsreisen, wobei auch die Religionsverhältnisse der Gemeinden beobachtet werden. Der Bischof führt den Vorsitz in dem Konsistorium (Domkapitel). Die Mitglieder desselben sind: der Domprobst der Stiftsstadt, zwei von den Geistlichen des Bisthums auf je drei Jahre gewählte Pastoren und ein juristisch gebildeter ständiger Beamter, welcher zugleich als Mitglied und Sekretär fungirt. Das Konsistorium ist die oberste Verwaltungsbehörde für die kirchlichen Angelegenheiten des Stifts und der Disciplinargerichtshof für Amtsvergehen der Geistlichen.

Die Besetzung des Bischofsamtes geschieht in der Weise, daß nach angestellter Wahl von drei Kandidaten, an welcher sämmtliche Inhaber geistlicher Aemter in dem betreffenden Bisthum sich zu betheiligen berechtigt sind, die drei Kandidaten, welche die Mehrzahl der Stimmen erhalten haben, von dem Konfistorium durch die Vermittelung des Senats dem Kaiser und Großfürsten gemeldet werden; der Kaiser ernennt dann einen der drei zum Bischof. An der Wahl der Kandidaten zum Erzbischofsamte sind auch die Bischöfe und Konsistorien der beiden anderen Stifte betheiligt.

Die Besoldung der Bischöfe und der konsistorialen Beamten wird aus Staatsmitteln bestritten.

b) Die Geistlichkeit besteht aus Pastoren, Kapellanen und Adjunkten. Der Pastor (Kyrkoherde = Kirchenhirt) ist als der Vorsteher der Gemeinde für die Aufrechthaltung des Gottesdienstes und die Besorgung der übrigen kirchlichen Verrichtungen verantwortlich; er führt die vorgeschriebenen kirchlichen Bücher und beaufsichtigt die Pflege der Kirche und deren Inventar. Der Kapellan ist ihm in der Amtsübung behilflich; in manchen kleineren Gemeinden ist jedoch kein Kapellan angestellt. Die Adjunkte haben nicht ein ordentliches Amt, sie sind nur Gehülfen. – Es giebt außerdem Militärprediger und Gefängnißprediger.

Befähigt zu einem ordentlichem Amte in der Kirche ist nur derjenige, welcher von der theologischen Fakultät der Universität entlassen worden und nach wenigstens zweijähriger außerordentlicher Dienstübung eine besondere Prüfung pro munere vor dem Konsistorium bestanden hat. Zum Pastorsamte ist ein Alter von mindestens 28 Jahren erforderlich. Um das zu besetzende Amt wird beim Konfistorium nachgesucht. Von den Bewerbern werden die drei bestbefähigten der betreffenden Gemeinde als Kandidaten vorgeschlagen. Die Gemeinde wählt einen von den Kandidaten, kann aber unter Umständen auch für einen vierten stimmen. Wer die höchste Stimmenzahl erhalten, wird von dem Konsistorium zum Amte bevollmächtigt, sofern die Gemeinde nicht zu der recht zahlreichen Kategorie der sog. imperiellen Gemeinden gehört, deren Pastoren vom Kaiser ernannt werden, nachdem der Senat sein Gutachten über die Kandidaten abgegeben. In diesem Falle ist die Ernennung nicht an das Wahlresultat gebunden.

Die Besoldung der Geistlichen ist eine Obliegenheit der Gemeinden. Die Mittel hierzu werden erstens durch eine Grundsteuer, den Zehnten, ferner durch persönliche Besteuerung der Gemeindemitglieder entweder per Kopf oder nach Klassen zusammengebracht. Außerdem gehört zum Gehalte des Geistlichen ein größeres oder kleineres Grundstück (boställe), welches er während seiner Amtszeit bewohnt und bewirthschaftet. So in Betreff der Landgemeinden. In den Stadtgemeinden ist die Besoldung Gegenstand der Vereinbarung zwischen der Gemeinde und den Geistlichen230Die Geistlichkeit ist durch die Privilegien von 1723 gegen jegliche Schmälerung ihres Einkommens gesichert. Ein Gesetz vom 5. August 1886 hat aber das Besoldungssystem vereinfacht und erforderliche Regulirungen ermöglicht..

Die amtliche Thätigkeit der Pastoren wird in gewisser Hinsicht auch für andere als kirchliche Zwecke in Anspruch genommen, indem es ihnen obliegt, das Civilstandsregister zu führen, Angaben zur Bevölkerungsstatistik zu liefern und verschiedene in den Wehrpflichtangelegenheiten erforderliche Notizen mitzutheilen.

Von den Pastoren der Gemeinden, welche zusammen eine Probstei bilden, wird Einer vom Konsistorium zum Kontraktsprobste ernannt. Er inspicirt die Gemeinden im Auftrage des Bischofs und des Konsistoriums, leitet die Wahlen, an welchen die Geistlichen sich zu betheiligen haben u. dgl. Die Zahl der Probsteien ist 45.

c) Den kirchlichen Gemeinden ist durch das Gesetz die Befugniß zuertheilt, ihre|323| gemeinsamen Angelegenheiten durch eigene Organe zu verwalten. Diese Organe sind: die aus den mündigen Mitgliedern bestehende Gemeindeversammlung als berathendes und entscheidendes Organ; der Kirchenrath, welcher die Beschlüsse der Versammlung bewerkstelligt und die Verwaltung im engeren Sinne handhabt; und der ”Kirchenwirth”, welcher mit der Pflege des Kirchenguts beauftragt ist. Die Mitglieder des Kirchenrathes und der Kirchenwirth werden von der Gemeindeversammlung gewählt. Der Vorsitz sowohl in der Versammlung als in dem Rathe gehört dem Pastor oder seinem Stellvertreter. – Die Beschlüsse der Gemeindeversammlung sollen in etlichen Sachen dem Senat zur Bestätigung unterbreitet werden, so namentlich wenn sie die Entäußerung oder Verpfändung von Gemeindegrundstücken oder die Aufnahme einer Anleihe auf mehr als zehn Jahre betreffen. Will die Gemeinde ein neues Predigeramt einrichten oder ein bestehendes aufheben, erfordert der Beschluß die Bestätigung des Konsistoriums. – Beschwerden gegen Entscheidungen der Gemeindeversammlung sind in wirthschaftlichen Sachen bei dem Gouverneur, in kirchlichen bei dem Konsistorium anzubringen.

d) Alle fünf Jahre soll die Geistlichkeit eines jeden der Stifte vom Bischof zusammenberufen werden wegen gemeinschaftlicher Verhandlung sowohl theologischer als praktisch religiöser Fragen.

e) Jedes zehnte Jahr, oder öfter im Fall es nöthig wäre, soll eine allgemeine Synodalversammlung der lutherischen Kirche abgehalten werden. Die Regierung bestimmt den Tag und den Ort. Die Dauer der Versammlung ist auf einen Monat beschränkt.

Die Synodalversammlung, welche einen repräsentativen Charakter hat, besteht aus den Bischöfen, 30 gewählten Vertretern der Geistlichkeit in den Stiften und 45 weltlichen Mitgliedern, welche von den Gemeinden jeder Probstei durch Elektoren gewählt werden; außerdem sind der Senat, die Hofgerichte, die theologische und die juristische Fakultät der Universität von je einem Delegirten vertreten. Den Vorsitz führt der Erzbischof.

Die Synodalversammlung hat das Recht der Initiative in der kirchlichen Gesetzgebung; die von derselben angenommenen Entwürfe sollen aber den gesetzgebenden Organen des Staates – dem Souverain und den Ständen – zur Prüfung und Bestätigung anheimgestellt werden. Sie hat die Befugniß, neue Pfalmen- und Evangelienbücher, Kirchenhandbuch, Katechismus und Bibelübersetzung anzunehmen. Die Regierung holt das Gutachten der Synodalversammlung ein über Fragen, welche sich auf das Verhältniß der lutherischen Kirche zum Staate oder zu anderen religiösen Gemeinschaften beziehen; es können in solchen Fragen auch Petitionen an die Regierung von der Versammlung gerichtet werden231Hauptquelle dieser Darstellung ist das Kirchengesetz vom 6. Dezember 1869..

II. Die griechisch-orthodoxe Kirche. In den der russischen Grenze naheliegenden Gegenden der heutigen Provinzen Wiburg und Kuopio hat ein Theil der Bevölkerung seit früheren Zeiten die griechisch-orthodoxe Religion angenommen. In den übrigen Landestheilen sind durch Einbürgerung russischer Unterthanen allmählich in etlichen Städten Gemeinden dieser Kirche entstanden232Die ganze Anzahl der finnischen Unterthanen, welche die griechisch-orthodoxe Religion bekennen, betrug im Jahre 1886 circa 41 000. Von dieser Anzahl wohnten in den Provinzen Wiburg und Kuopio 39 500..

Die finnischen Staatsbürger griechisch-orthodoxer Konfession genießen in jeder Hinsicht dieselben Rechte wie die Angehörigen der lutherischen Landeskirche233Wahlrecht und Wählbarkeit zum Landtage und zu kommunalen Aemtern, Zutritt zum Staatsdienste..

Die Verwaltungsangelegenheiten der griech.-orthod. Gemeinden sind überhaupt in ähnlicher Weise geordnet wie diejenigen der lutherischen. Die Landgemeinden besolden ihre Priester selbst, den Priestern in den Stadtgemeinden wird aber, wegen der geringen Anzahl der Gemeindemitglieder, von der Staatskasse ein festes Gehalt gezahlt. Die Oberbehörde der griechisch-orthodoxen Kirche in Finland ist die, ebenfalls von der finnischen Staatskasse besoldete ”Geistliche Direktion” in Wiburg, welche in den Beziehungen der Kirche zum Staate die finnischen Gesetze und die Vorschriften des Senats und der Kultus-Expedition desselben zu befolgen hat, in kirchlicher Hinsicht aber der Heiligen dirigirenden Synode in St. Petersburg subordinirt. Die Synode ernennt die Priester der griechisch-orthodoxen Gemeinden in Finland. Es ist vorgeschrieben, daß diese Priester mit der schwedischen oder finnischen Sprache, je nach dem Orte ihrer Anstellung, vertraut sein sollen. – Zöglinge griechisch-orthodoxer Konfession in den öffentlichen Schulen werden auf Kosten des Staates in ihrer Religion unterrichtet234Verordnungen vom 24. Januar 1824, 29. Mai 1867, 5. März 1883 u. A..

Der Heiligen Synode, als der höchsten Behörde der griechisch-orthodoxen Kirche, ist auch insofern ein Einfluß auf die Wahrung der Interessen dieser Kirche in Finland eingeräumt, daß das Gutachten der Synode eingeholt wird, ehe der Kaiser und Großfürst vom Senate beantragte Verordnungen, die fraglichen Angelegenheiten betreffend, erläßt.

Die griechisch-orthodoxe Kirche nimmt also in Finland eine vor allen andern nicht-lutherischen Kirchen bevorzugte Ausnahmestellung ein.

III. Andere Kirchen. Die Rechte fremder Glaubensbekenner fußten bis jetzt hauptsächlich auf den Gesetzen von 1741 und 1781, durch welche zwar das Prinzip der Toleranz, nicht aber die Religionsfreiheit zur Geltung kam. Es ward den Bekennern anderer Religionen als der lutherischen, welche vom Auslande einwanderten, gestattet, ihre Religion frei auszuüben – jedoch ohne das Recht, Klöster zu gründen und Prozessionen zu veranstalten; – sie konnten auch das Staatsbürgerrecht erwerben, jedoch nur in beschränktem Sinne, denn der Zutritt zum Staatsdienste war ihnen versagt und nur den Reformirten und den Anglikanern war das politische Wahlrecht eingeräumt. Die Bestimmung des Allgem. Gesetzes von 1734, laut welcher der Abfall von der lutherischen Kirche mit der Strafe der Expatriation bedroht war, verblieb in geltender Kraft.

Erst durch das Kirchengesetz von 1869 ist diese Bestimmung aufgehoben worden. Durch die Erklärung dieses Gesetzes, daß, wer aus der lutherischen Kirche austreten und zu einer andern religiösen Gemeinschaft übergehen will, von der Kirche daran nicht gehindert werden soll, hat das Prinzip der Religionsfreiheit in der finnischen Gesetzgebung Anerkennung gewonnen. Diesem Prinzip huldigt auch die im selben Jahre erlassene Landtagsordnung, indem sie das politische Wahlrecht nicht von dem Glaubensbekenntniß abhängig macht235S. oben § 24 V..

Das solchermaßen ausgesprochene Prinzip war aber ohne praktische Bedeutung, so lange es an Gesetzesbestimmungen, die Gründung anderer religiösen Gemeinschaften und die rechtliche Stellung der Dissidenten betreffend, mangelte. Nachdem wiederholte Vorlagen an die Stände ohne Resultat geblieben, sind von dem jüngst (i. J. 1888) versammelten Landtage zwei diese Verhältnisse regelnde Gesetzesentwürfe angenommen worden. Da die Promulgation derselben als Gesetze bevorstehend ist, dürfte es keine unberechtigte Anticipation sein, den Inhalt dieser Gesetze hier in Kürze anzuführen. Das eine ver|325|fügt, daß religiöse Gemeinschaften, welche, obgleich von der lutherischen Kirche abweichend, protestantisch sind, d. h. auf dem Grunde der Bibel und des apostolischen Bekenntnisses stehen, berechtigt sind, Gemeinden im Lande einzurichten und ihre Religion öffentlich auszuüben. Die Personen, welche von diesem Rechte Gebrauch machen wollen, sollen sich die Erlaubniß des Senats erwirken. Die Dissidentengemeinde wählt selbst ihren Prediger und Vorsteher. Der Vorsteher, welcher beim Gouverneur der Provinz zur Genehmigung gemeldet werden soll, ist verpflichtet, das Civilregister zu führen und statistische Verzeichnisse an die betreffenden Behörden zu liefern. Ohne die Erlaubniß der Regierung dürfen diese Gemeinden nicht andere Grundstücke erwerben als die für Kirche und Gottesacker nöthigen Plätze. Das Gesetz enthält ferner Bestimmungen über die Ehen der Dissidenten unter sich oder mit Lutheranern, es befreit die Kinder der Dissidenten von dem gemeinsamen Religionsunterricht in den Schulen, u. s. w. – Der nächste Zweck dieses Gesetzes ist, den im Lande entstandenen protestantischen Sekten eine geregelte Existenz zu ermöglichen. Das zweite der erwähnten neuen Gesetze eröffnet sämmtlichen christlichen Glaubensbekennern den Zutritt zum Staatsdienste.

Israeliten können in Finland das Staatsbürgerrecht nicht erwerben. Auch der Aufenthalt im Lande ist den Bekennern der mosaischen Religion nur unter gewissen einschränkenden Bedingungen gestattet.

2. Unterrichtswesen; Pflege der Wissenschaften und Künste.

I. Die Volksschule. In rechtlicher Hinsicht sind die Volksschulen kommunale Einrichtungen; die Organisation des heutigen Volksschulwesens in seiner Totalität wurde aber durch eine Verordnung der Regierung festgestellt, nachdem die Stände dem allgemeinen Plan dieser Organisation beigestimmt und Mittel zur Durchführung desselben bewilligt hatten236Beschluß der Stände vom 14. April 1864, Verordnung vom 11. Mai 1866..

Der Staat sorgt für die Ausbildung von Lehrern. Es bestehen zu diesem Zwecke vier Volksschullehrer-Seminare237In den Städten Jyväskylä, Sordavala, Nykarleby und Ekenäs., zwei mit finnischer Unterrichtssprache, in welchen sowohl Lehrer als Lehrerinnen herangebildet werden, und zwei, in welchen schwedisch unterrichtet wird und von denen das eine nur männliche, das andere nur weibliche Zöglinge aufnimmt. Sämmtliche Seminare sind als Internate organisirt.

Die Stadtkommunen sind verpflichtet, Volksschulen in der Ausdehnung einzurichten, daß alle Kinder, welche nicht in andern Anstalten ihren Unterricht erhalten, vom 8. bis zum 15. Jahre die Schule besuchen. Die Volksschulen in den Städten sind deshalb theils niedere, theils höhere Volksschulen. Aus den von den Ständen für das Volksschulwesen bewilligten Mitteln wird jeder Stadt, nach der Prüfung des Senats, ein Beitrag zum Unterhalt ihrer Volksschulen gegeben, in der Regel 25 Procent der gesammten Ausgaben der Stadt für diesen Bedarf.

In den Landkommunen ist der erste Unterricht – (Fertigkeit im Lesen und Elemente der Religion) – eine Aufgabe der Familie. Die Kinder, welchen dieser Unterricht fehlt, werden von Wanderlehrern unterrichtet. Es steht den Pastoren zu, für die Anstellung solcher Lehrer, bezw. auch für die Einrichtung fester Primärschulen, Sorge zu tragen. Die eigentliche Volksschule auf dem Lande ist deshalb als höhere Volksschule bezeichnet; sie ist für Kinder von 10 bis 16 Jahren berechnet. Die Kommunen sind nicht durch das Gesetz verpflichtet, solche Schulen einzurichten, wohl aber berechtigt, sobald sie dazu schreiten und die Erfüllung der vorgeschriebenen Bedingungen nachweisen,|326| vom Staate einen gesetzlich festgestellten jährlichen Beitrag zur Besoldung der Lehrer und Lehrerinnen zu erhalten238Gegenwärtig 800 Mark für den Lehrer, 600 Mark für die Lehrerin. Im Lehrjahre 1886–1887 war die ganze Anzahl der Volksschulen 929, wovon 210 in den Städten und 719 auf dem Lande. Es gab noch 97 Landkommunen, welche keine höhere Volksschule eingerichtet hatten, gegen 364, wo eine bis acht solcher Schulen in Thätigkeit waren. Es möge bemerkt werden, daß der Besuch der höheren Volksschule nicht obligatorisch ist. Solchen Schulzwang einzuführen, verbietet einstweilen der Mangel an Dichtheit der Bevölkerung. Dagegen erstreckt sich auch auf dem Lande der primäre Unterricht auf alle Kinder. Dieses kontrollirt die Geistlichkeit, indem Niemand zum Abendmahl zugelassen werden kann, der nicht das Lesen und die Elemente der Religion gelernt hat..

In jeder Kommune ist eine von der Kommunalversammlung gewählte Direktion mit den Angelegenheiten der Volksschule beauftragt.

Wegen der Beaufsichtigung der Volksschulen sind vom Staate 8 Inspektoren, einer für jede Provinz, angestellt. Die Oberaussicht gehört aber dem Oberinspektor der Volksschulen und der Seminare, welcher als Mitglied der Oberdirektion des Schulwesens die Angelegenheiten des Volksschulwesens in dieser Behörde vertritt und vorträgt, unter der Mitwirkung eines ihm beigeordneten, Volksschuleninspektor benannten Beamten.

II. Die höheren Lehranstalten. Für die männliche Jugend sind in den größern Städten Lyceen von 8 Klassen, in den kleinern Städten Elementarschulen von 2 bis 4 Klassen, den ersten Klassen der Lyceen entsprechend, eingerichtet. Von den zur Zeit bestehenden 18 Lyceen sind 4 Real-Lyceen, d. h. ohne Unterricht in den alten Sprachen, die übrigen humanistische. Von diesen wiederum dienen zwei als Normalanstalten; die Lehramtskandidaten sind verpflichtet eine gewisse Zeit dem Unterricht in denselben beizuwohnen und haben ihre praktischen Proben vor den Oberlehrern der Normallyceen abzulegen. Die Unterrichtssprache ist in einem Theil der Lyceen und Elementarschulen die schwedische, in den übrigen die sinnische. Es gehört aber zum System, daß in jedem Lyceum die andere Landessprache gründlich erlernt werden soll239Verordnungen vom 8. August 1872 und 23. August 1883..

Für die weibliche Jugend unterhält der Staat 11 höhere Mädchenschulen von 5 Klassen. Das Aufnahmsalter ist mindestens 11 Jahre, der vorbereitende Unterricht ist der privaten Fürsorge überlassen; nur bei den beiden Mädchenschulen in der Hauptstadt (die eine mit schwedischer, die andere mit finnischer Unterrichtssprache) sind auch zwei vorbereitende Klassen eingerichtet. Jeder der beiden erwähnten Schulen schließt sich eine sog. Fortbildungsanstalt an, mit zweijährigem Kursus in drei verschiedenen Richtungen. Diese Anstalten bezwecken höhere Studien überhaupt und namentlich die Vorbereitung zum Lehrberufe240V. O. vom 27. November 1885..

Die unmittelbare Leitung und Verwaltung der höheren Schule für die männliche Jugend steht dem Rektor zu, welcher vom Senat unter den Lehrern der Schule ausersehen wird. Ein entsprechendes Amt ist in der Mädchenschule das der Vorsteherin, welche von der Oberdirektion des Schulwesens ernannt wird. Dem Rektor und der Vorsteherin steht das Lehrerkollegium zur Seite.

Der für jede öffentliche Schule von der Kommune gewählte Schulrath ist mit der unmittelbaren Aufsicht über die Schule betraut241V. O. vom 24. November 1869..

Die Schulen werden Seitens der Oberdirektion des Schulwesens von den als Mitglieder dieser Direktion angestellten drei Oberinspektoren der Schulen inspizirt.

Die Oberdirektion unterbreitet dem Senat, bezw. der Kultus-Expedition, solche das Schulwesen betreffende Sachen, deren Entscheidung nicht in ihrer eigenen Befugniß liegt, so namentlich Veränderung des Lehrprogrammes, Erhöhung des Etats, außerordentliche Ausgaben.

Private Lehranstalten, die in ihrem Plan im Wesentlichen mit den öffentlichen Schulen übereinstimmen, können vom Staate eine Subvention erhalten242V. O. vom 11. Dezember 1884.. Auch die private Schule wird von der Kommune durch einen Schulrath und vom Staate durch die Oberdirektion des Schulwesens beaufsichtigt.

III. Die Universität243Hauptquelle: die Statuten vom 1. Oktober 1852.. Im Jahre 1640 gegründet, hatte die Universität ihren Sitz in Abo, bis diese alte Stadt im Jahre 1827 von einer Feuersbrunst verheert wurde, wonach die Universität nach der Hauptstadt Helsingfors übergeführt ward. Es wurde ihr bei dieser Gelegenheit der Name ”Alexanders-Universität” gegeben244Manifest vom 21. Oktober 1827..

Die Universität, deren Aufgabe es ist, ”die Fortschritte der Wissenschaften in Finland zu befördern und die Jugend zur Geschicktheit für den Dienst des Souverains und des Vaterlandes auszubilden”, umfaßt 4 Fakultäten: die theologische, die juristische, die medizinische und die philosophische Fakultät, die letztere in zwei Sektionen, die historisch-philologische und die physisch-mathematische Sektion, getheilt.

Das Lehrpersonal besteht aus 32 ordentlichen Professoren, einer unbestimmten Anzahl außerordentlicher Professoren und Dozenten, drei theologischen Hülfslehrern, fünf Lektoren für die neueren Sprachen, sowie einer Anzahl Lehrer der Zeichenkunst, Musik, Gymnastik und Fechtkunst.

Vorsteher der Bibliothek, welche zugleich als Nationalbibliothek fungirt, ist der Bibliothekar, vom Vicebibliothekar und mehreren Amanuensen assistirt. Bei den übrigen wissenschaftlichen Instituten der Universität sind Amanuensen, Assistenten u. s. w. angestellt.

Die Beamten des Kanzlei- und Rechnungswesens sind: Sekretär, Kämmerer, Kassier, Anwalt, Notar.

Die Verwaltung der Universität, sowohl in wirthschaftlicher Hinsicht, als was die allgemeinen Aufgaben der Hochschule betrifft, wird von dem Consistorium academicum und dem Rektor gehandhabt. Das Konsistorium besteht in der Regel aus zwölf Professoren, nämlich den sechs im Dienste ältesten Professoren der philosophischen, und den zwei ältesten einer jeden der übrigen Fakultäten. Als Consistorium majus treten sämmtliche ordentliche Professoren zusammen, wenn es die Besetzung einer Professur, die Vergebung wissenschaftlicher Reisestipendien oder die Wahl des Rektors und Prorektors gilt. Alle übrigen Sachen werden in dem engeren Konsistorium behandelt. Das Entscheidungsrecht des Konsistoriums in Verwaltungssachen bewegt sich in den durch die Statuten und den Etat gezogenen Grenzen. Dem Konsistorium steht auch die Befugniß eines Gerichtes zu, indem es über Dienstverfehlungen der Universitätsbeamten zu erkennen hat.

Der Rektor führt den Vorsitz im Konsistorium, leitet die Oekonomie unter Mitwirkung der von dem Konsistorium gewählten Oekonomie-Division, überwacht die Pflege der wissenschaftlichen Einrichtungen und des gesammten Vermögens der Universität, und widmet namentlich dem Verhalten der Studenten seine Aufmerksamkeit, wobei ihm theils allein, theils unter Mitwirkung der Disciplinarkommission ein Bestrafungsrecht zusteht. Der Prorektor vertritt den Rektor, wenn dieser an der Ausübung des Amtes gehindert ist.

Die Fakultäten verhandeln unter dem Vorsitze des Dekans Fragen, die sich auf den Unterricht, die Prüfungen der Studirenden und die wissenschaftlichen Lehrerprüfungen beziehen. Das Urtheil der Fakultät über die akademischen Specimina ist endgültig. Die Examenszeugnisse der Fakultäten sind für die Befähigung zu den meisten Zweigen des Staatsdienstes entscheidend.

Die höchste Behörde der Universität ist der Kanzler. Der Kaiser Alexander I. ernannte im Jahre 1816 seinen Bruder, den Großfürsten Nikolai, zum Kanzler der finnischen Hochschule. Seit 1826 ist der jeweilige Thronfolger Inhaber des Kanzleramtes gewesen und wird in der Ausübung desselben vom Minister-Staatssekretär assistirt. An den Kanzler, bei welchem ein besonderer Sekretär angestellt ist, gelangen theils die Universitätssachen, welche der Entscheidung des Kaisers und Großfürsten vorbehalten sind, Ernennung der ordentlichen Professoren und des Bibliothekars, Abänderung der Statuten, Erhöhung des Etats, theils die Sachen, welche der Kanzler entscheidet, wie die Ernennung der übrigen Lehrer, des Rektors, der Dekane und der den Studentenabtheilungen (Korporationen) vorstehenden Inspektoren, die Bestätigung verschiedener Verwaltungsinstruktionen. Jeglicher Ernennung liegt ein Antrag oder Vorschlag, bezw. eine Wahl des Konsistoriums zu Grunde.

Eine vermittelnde Behörde zwischen dem Konsistorium und dem Kanzler ist der in Helsingfors residirende Vizekanzler, dem auch ein Entscheidungsrecht in gewissen wirthschaftlichen und Ordnungsfragen zusteht.

Wie aus dem Angeführten ersichtlich ist, nimmt die Universität eine von dem übrigen Behördenorganismus abgesonderte Stellung ein. Der Senat hat die Thätigkeit der Universität weder zu leiten noch zu überwachen. Die Angelegenheiten der Universität sind jedoch dem Einfluße des Senats nicht gänzlich entzogen: Anträge auf Erhöhung des Etats der Universität und Entwürfe zu Veränderungen der Statuten werden dem Kaiser nicht unterbreitet, ehe der Senat ein Gutachten darüber abgegeben. Die Aufrechthaltung der Universität ist durch das Gesetz garantirt245Privilegien der Geistlichkeit von 1723., es steht aber dem Kaiser und Großfürsten zu, im Verordnungswege die nähere Organisation der Universität festzustellen.

IV. Pflege der Wissenschaften und Künste. Abgesehen von der Universität und deren hervorragender Bedeutung auch für das rein wissenschaftliche Leben, hat der Staat sich auf die Unterstützung etlicher durch die Initiative einzelner Personen entstandenen wissenschaftlichen und literarischen Vereine beschränkt. Die ältesten und bedeutendsten dieser Vereine sind: der Wissenschaftliche Verein Finlands (Societas scientiarum Fenniae), welcher u. A. mit der Leitung der vom Staate unterhaltenen meteorologischen Centralanstalt beauftragt ist und für seine wissenschaftlichen Publikationen eine jährliche Subvention genießt, und die ”Finnische Literaturgesellschaft”, welche wegen ihrer ausgedehnten Thätigkeit für die Entwickelung der Literatur in finnischer Sprache aus Staatsmitteln unterstützt wird. Die übrigen für ähnliche Zwecke gegründeten Vereine, von welchen mehrere eine sehr rege Thätigkeit an den Tag gelegt, müssen hier übergangen werden. Als eine im Interesse der Wissenschaft getroffene Maßregel ist hervorzuheben, daß der Staat nunmehr die unbeweglichen Alterthümer in seinen Schutz genommen. Ein eigens besoldeter Staatsarchäolog und eine von wissenschaftlichen Vereinen gewählte archäologische Kommission sind mit der Pflege der historischen Alterthümer beauftragt246V. O. vom 17. Juni 1884..

Für die bildenden Künste wirkt seit langer Zeit, sowohl durch Kunstschulen, als durch Ausstellungen der finnische Kunstverein, welcher seine bedeutendsten materiellen Mittel vom Staate erhält. In ähnlichem Verhältnisse zum Staate steht der Musikverein und das von demselben eingerichtete Musikinstitut oder Konservatorium. Stipendien für Studien im Auslande werden jährlich vom Senate, und zwar besonders auf die Befürwortung der erwähnten Vereine, jungen Künstlern zuertheilt. Sowohl die schwedische als die finnische Schaubühne in der Hauptstadt erhalten Subventionen aus Staatsmitteln.

§ 45. Verkehrsanstalten und Gewerbe. Dieser Gegenstand ist, im Anschluß an die für die Expeditionen des Senats geltende Geschäftstheilung, in zwei Abtheilungen zu behandeln.

Verwaltungszweige der Landwirthschafts-Expedition.

I. Verkehrsanstalten: a) Sowohl die Kanäle als die Eisenbahnen des Staates werden in der Regel unter der Leitung der Oberdirektion der Weg- und Wasserbauten angelegt. Diese Behörde besteht aus einem technisch gebildeten Oberdirektor, zwei Oberingenieuren und einem juristischen Mitgliede. 20 Ingenieure, von welchen 6 als festangestellte Bezirksingenieure in verschiedenen Theilen des Landes ihren Sitz haben, sind der Oberdirektion beigegeben. Wenn größere Arbeiten es erheischen, kann sowohl die Direktion selbst als auch das Ingenieurpersonal zeitweilig verstärkt werden247Letzte Instruktion vom 6. August 1887..

Die Kanäle, durch welche eine Menge Binnenseeen unter sich und das größte Binnenwassersystem mit dem Meere verbunden werden, sind namentlich für den Güterverkehr von großer Bedeutung. Die erwähnte Oberdirektion verwaltet die Kanäle, für welche je nach ihrer Größe ein oder mehrere Beamte zum Behuf der Erhebung der Kanalabgaben und der im Uebrigen nöthigen Aufsicht angestellt sind.

b) Die Eisenbahndirektion verwaltet sämmtliche im Betrieb befindlichen Staatseisenbahnen. Der Generaldirektor hat die Befugniß, in manchen Sachen allein zu entscheiden, die wichtigeren Fragen sind aber Gegenstand kollegialer Berathung. Die Direktionsmitglieder sind: der Bureauchef und die Direktoren der Trafik-, der Bahn- und der Maschinenabtheilungen248Instruktion vom 31. August 1888..

Die Bahn, welche Helsingfors mit St. Petersburg verbindet, läuft selbstverständlich auch durch russisches Gebiet, ist aber, auf Grund einer Vereinbarung mit der russischen Regierung, in ihrer ganzen Ausdehnung von dem finnischen Staate gebaut, und auch der in Rußland gelegene Theil wird von der finnischen Eisenbahndirektion verwaltet, unter Beobachtung der im Kaiserthum für Privateisenbahnen geltenden Bestimmungen249V. O. vom 9. Dezember 1867.. Ein Adjoint des Generaldirektors mit dem Sitz in Petersburg leitet die Verwaltung der erwähnten Bahnstrecke und vertritt die Eisenbahndirektion den russischen Behörden gegenüber.

Das Eisenbahnnetz des Staates wird als Ganzes verwaltet, ist aber für die Zwecke der unmittelbaren Verkehrsleitung in gewisse Hauptstrecken eingetheilt, für welche je ein Assistent des Trafikdirektors angestellt ist.

Die Tarife und Betriebsregeln für den Personen- und Güterverkehr sollen dem Senate, die Fahrpläne der Landwirthschafts-Expedition zur Prüfung und Bestätigung unterbreitet werden. Die Eisenbahndirektion ist ermächtigt, unter gewissen Umständen eine Ermäßigung des Gütertarifs zu bewilligen.

Aus der Thatsache, daß die Staatseisenbahnen gegenwärtig eine Länge von 1 553 Kilometer einnehmen250Eine neue Staatsbahn von 280 Kilom. wird in diesem Jahre dem Betrieb eröffnet und in den nächsten Jahren kommen drei neue Linien von ungefähr 520 Kilom. zur Ausführung., während es im Lande nur eine Privatbahn von 33 Kilometer giebt, ist ersichtlich, daß auf die Entwickelung dieses Verkehrsmittels durch private Unternehmungen wenig zu rechnen war. Hierbei ist jedoch in rechtlicher Hinsicht hervorzuheben, daß der Staat das Eisenbahnwesen nicht für sich monopolisirt hat. Es steht einzelnen Gesellschaften frei, durch Gesuch bei der Regierung die Konzession zu Eisenbahnanlagen zu erwerben. Die hierbei zu beobachtenden Bestimmungen, sowie die Rechte,|330| welche durch die Konzession erworben werden, sind durch ein besonderes Gesetz festgestellt.

II. Pflege der Landwirthschaft. Die Fürsorge des Staates für die Landwirthschaft und die anschließenden Nebengewerbe: die Viehzucht und die Milchwirthschaft, äußert sich hauptsächlich in Einrichtungen und Maßregeln zur Verbreitung und Hebung der für diese Fächer erforderlichen Kenntnisse251Die auf der agrarischen Gesetzgebung beruhenden Verwaltungsaufgaben fallen in den Geschäftskreis der Kammer-Expedition, vgl. oben § 42..

Wissenschaftlicher Unterricht wird, im Verein mit praktischen Arbeiten, in dem landwirthschaftlichen Institut zu Mustiala, theoretischer und praktischer Unterricht in zehn mittleren und niederen Schulen ertheilt. Alle diese Anstalten sind auf Landgütern gelegen; der Unterricht umfaßt auch Viehzucht und Milchwirthschaft. Außerdem wird in einer Menge eigens dazu eingerichteter Schulen in der Milchwirthschaft besondere Unterweisung ertheilt.

Außer einem sog. Staatsagronomen, dessen Thätigkeit sich auf das ganze Land erstreckt, sind in jeder Provinz ein oder mehrere Agronomen angestellt, um den Landwirthen, auf ihr Ansuchen, bei dem Betriebe ihrer Wirthschaft mit Rath und Vorschlägen behülflich zu sein. Vom Staate besoldet, erhalten sie von den Einzelnen keine Entschädigung. In ähnlicher Weise wirken vom Staate angestellte Fachbeamte für Hebung der Milchwirthschaft.

Die seit mehr als einem Jahrhundert bestehende ”Finnische wirthschaftliche Gesellschaft” in Abo und die in den verschiedenen Provinzen allmählich entstandenen landwirthschaftlichen Vereine beziehen aus Staatsmitteln jährliche Subventionen zur Förderung ihrer Thätigkeit im Interesse der Landeskultur. Die Direktionen dieser Vereine wirken thatsächlich wie Organe der Staatsverwaltung, jedoch unentgeltlich; nur die Sekretäre derselben sind besoldet.

Es besteht keine besondere Centralstelle für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten. Die Landwirthschafts-Expedition des Senats hält selbst die Fäden derselben zusammen und bedient sich für die Ausführung oder Vermittelung der Maßregeln und für die Inspektion der Schulen theils der Gouverneure, theils der Direktionen der landwirthschaftlichen Vereine, bezw. auch der oben erwähnten Fachbeamten.

III. Wasserableitungen sind in dem moorerfüllten Lande von besonderem Gewicht für die Entwickelung der Kultur. Es ist eine der Hauptaufgaben der oben sub I erwähnten Bezirksingenieure, für die Trockenlegung der Sumpfländer thätig zu sein. Arbeiten dieser Art werden gewöhnlich auf das Verlangen der interessirten Grundbesitzer vorgenommen. Der Senat prüft, ob und wieweit der Staat dazu beitragen solle. Solche Arbeiten können aber auch, wenn sie von umfassender Bedeutung sind, von Seite des Staates angeregt werden. Die technische Prüfung der Pläne findet in der Oberdirektion der Weg- und Wasserbauten statt. – Die Rechtsverhältnisse, welche mit Wasserarbeiten jeglicher Art zusammenhängen, sind durch das Gesetz normirt252Gesetz vom 23. März 1868..

Verwaltungszweige der Handels- und Industrie-Expedition.

IV. Handel und industrielle Gewerbe. Nachdem die Aufhebung des Zunftwesens durch Uebergangsgesetze vorbereitet worden war, wurde das System der Gewerbefreiheit durch das Gesetz vom 31. März 1879 eingeführt253Vgl. oben § 7, IV, c).. Mit Ausnahme etlicher Gewerbe, welche aus besonderen Gründen nur nach erwirkter obrigkeitlicher Erlaubniß betrieben werden dürfen und von welchen einige, aus polizeilichen Rücksichten, in ihrem|331| Betriebe selbst zur Beobachtung besonderer Vorschriften gehalten sind254Diese Gewerbe sind S. 255 Note 3 aufgezählt. – Die für das Bankgeschäft geltenden rechtlichen Bestimmungen sind im § 41, VI angeführt., bewegt sich die gewerbliche Thätigkeit, in wirthschaftlicher und technischer Hinsicht, frei ohne Reglementirung Seitens der Gesetzgebung, ohne irgend welche Einschränkung oder Bevormundung durch korporative Organisationen.

Der Staat verhält sich jedoch dem gewerblichen Leben gegenüber nicht passiv. Die Pflege der gewerblichen Interessen äußert sich theils als Förderung der nationalen Produktion, theils in Maßregeln zur Entfernung gesundheitsschädlicher Einflüsse bei der industriellen Arbeit.

Für die Verbreitung technischer Kenntnisse und gewerblicher Geschicklichkeit wirken:

a) Höhere oder niedere Handwerksschulen in den Städten. Diese als Abendschulen organisirten, hauptsächlich für die Lehrlinge der Handwerker berechneten Anstalten werden zur einen Hälfte von der betreffenden Kommune, zur andern Hälfte aus Staatsmitteln unterhalten. Die vollständigste Anstalt dieser Kategorie ist die ”Centralschule für den Kunstfleiß des Landes” in Helsingfors, welche neben der Ausbildung der Handwerker zur Aufgabe hat, Lehrer für die übrigen Handwerksschulen vorzubereiten. Mit derselben ist ein kunstindustrielles Museum verbunden. Die Direktion des ”Vereins für den Kunstfleiß” ist von der Regierung mit der Verwaltung der Centralschule beauftragt. Die Ausgaben für dieselbe werden größtentheils aus Staatsmitteln bestritten. – Alle diese Schulen nehmen sowohl männliche als weibliche Alumnen auf.

b) Sowohl in einigen Städten als auch auf dem Lande bestehen praktische Schulen für Webekunst, Holzbearbeitung u. s. w. In einigen Provinzen sind, zur Hebung des Hausfleißes, Wanderlehrer für das Kleingewerbe angestellt. Die hier berührten Angelegenheiten werden von den Direktionen der landwirthschaftlichen Vereine wahrgenommen, der Staat bestreitet aber die Kosten.

c) In fünf ”Industrieschulen” erhalten Arbeiter den für Baumeister, Werkmeister, Maschinenführer u. dgl. nöthigen theoretischen Unterricht. Diese vom Staate eingerichteten Schulen stehen unter der unmittelbaren Aufsicht eigens hierzu berufener lokaler Direktionen.

Die Industriedirektion in Helsingfors ist mit der Hauptleitung sämmtlicher oben erwähnten Lehranstalten beauftragt.

d) Die Spitze des technischen Unterrichtswesens bildet das Polytechnische Institut zu Helsingfors. Diese Hochschule umfaßt fünf Fachschulen, nämlich für Architektur, Ingenieurwesen, Maschinenbaukunde, chemische Technologie und Feldmessungskunst. Für den Eintritt in das polytechnische Institut sind ungefähr dieselben Vorstudien erforderlich wie für die Universität. Der Direktor des Instituts verwaltet die Angelegenheiten desselben; in wichtigeren Fragen hat er sich mit dem Lehrerkollegium zu berathen. Zum Direktor und Prodirektor ernennt der Senat zwei der drei Kandidaten, welche die Lehrer des Instituts selbst aus ihrer Mitte wählen, auf je drei Jahre. Der Oberintendant (Chef) der Industriedirektion fungirt als Inspektor des Instituts. Die Industriedirektion vermittelt die Beziehungen zum Senate und zur Handels- und IndustrieExpedition, welcher letzteren u. A. es zusteht, die jährlichen Lehrprogramme des Instituts festzustellen255Statuten vom 16. Januar 1879..

e) In sechs Städten wirken Handelsschulen, theils von der Kommune, theils von Privatpersonen eingerichtet. Die meisten derselben werden vom Staate subventionirt.

Die auf den Schutz der industriellen Arbeiter gerichteten Maßregeln sind hauptsächlich folgender Art.

Bei der Anwendung von Dampfmaschinen in der Industrie (wie auch für andere Zwecke) sollen die zur Verhütung von Explosionen erlassenen Vorschriften beobachtet werden. Um dies zu kontrolliren, sind besondere Aufseher, überall wo es erforderlich ist, angestellt. Diese, von dem Gouverneur der betreffenden Provinz für je drei Jahre ernannten Aufseher erhalten ihre näheren Instruktionen von der Industriedirektion, an welche sie über ihre Thätigkeit Bericht erstatten. Die Aufseher sind berechtigt, die Benützung eines Dampfkessels, der den Vorschriften nicht entspricht, zu verbieten. Beschwerden über das Verfahren der Aufseher werden von der Industriedirektion endgültig geprüft256V. O. vom 11. April 1888..

Fabriken und andere Arbeitsräume sollen so eingerichtet sein, daß sie den hygienischen Forderungen entsprechen und daß die Arbeiter gegen Beschädigung durch Maschinen sichergestellt sind. Kinder unter 12 Jahren dürfen nicht mit industrieller Arbeit beschäftigt werden. Für Arbeiter zwischen 12 und 18 Jahren ist die Arbeitszeit begrenzt, Frauen und Kinder dürfen für gewisse Beschäftigungen gar nicht verwendet werden. Die industrielle Beschäftigung soll den Schulbesuch der Kinder nicht hindern. – Um die Beobachtung dieser Bestimmungen zu kontrolliren, find besondere Inspektoren angestellt, welchen der Zutritt zu allen gewerblichen Anstalten offen stehen soll. Der Inspektor ist jedoch nicht berechtigt, in die Geschäftsverhältnisse der von ihm besuchten Fabriken einzudringen. Die Inspektoren sind der Industriedirektion untergeordnet, deren Mitglieder (Intendanten) ebenfalls berechtigt sind, die Fabriken zu inspiziren257Das Gewerbegesetz von 1879 enthielt allgemeine Bestimmungen über den oben berührten Gegenstand. Eine weitere Entwickelung derselben wird ein demnächst in Kraft tretendes neues Gesetz bringen, welches das eigentliche Fabrikinspektorat einführen wird..

Als Centralstelle für die gewerblichen Angelegenheiten ist die Industriedirektion mit der Verwaltung des Patentwesens und mit der Registrirung von Fabrikmarken beauftragt. Es steht ihr auch zu, Gesuche um Ausbeutung von Erzgängen oder erzführenden Gewässern zu prüfen. Die Industriedirektion bearbeitet die Gewerbestatistik. Sie veranstaltet gewerbliche Ausstellungen.

Zum Zwecke der Pflege ihrer gemeinsamen Angelegenheiten sollen die Gewerbetreibenden der Städte als Vereine zusammenwirken. Dieser Vereine können es an jedem Orte höchstens drei sein, nach den Hauptgruppen: Handel, Großindustrie und Handwerk; es kann aber auch von sämmtlichen Gruppen nur ein Verein gebildet werden. Die Verwaltung der Angelegenheiten der Vereine wird durch Delegirte derselben gehandhabt. Die Delegirten sollen namentlich dafür thätig sein, daß jugendliche Arbeiter Unterricht erhalten; sie ertheilen den Arbeitern, welche ihre Geschicklichkeit öffentlich beglaubigt wünschen, einen Gesellen- oder Meisterbrief; sie sollen sich um die Ausgleichung von Streitigkeiten zwischen Arbeitsgebern und Arbeitern bemühen. Die Delegirten werden für die Behandlung der letzterwähnten Fragen durch Vertreter der Arbeiter verstärkt. Die Delegirten sind verpflichtet, auf Verlangen der betreffenden Staatsbehörden, ihr Gutachten in Fragen, welche die gewerblichen Interessen berühren, abzugeben. – Es ist zur Praxis geworden, daß periodische Versammlungen von Vertretern der Gewerbevereine und namentlich der Handelsvereine zur Berathung gemeinschaftlicher Angelegenheiten abgehalten werden. Diese Versammlungen bringen ihre Wünsche durch Petitionen zur Kenntniß der Regierung.

V. Die Seefahrt. Das Seegesetz vom 9. Juni 1873 normirt die auf die|333| Seefahrt bezüglichen Rechtsverhältnisse. Der Inhalt dieses Gesetzes ist selbstverständlich größtentheils privatrechtlicher Natur; etliche Bestimmungen desselben fallen aber in das Gebiet des öffentlichen Rechts.

Befehlshaber eines finnischen Schiffes kann nur ein Finländer sein, welcher die hierfür vorgeschriebene Befähigung erworben. Zur Ausbildung von Befehlshabern und Steuermännern sind vom Staate sieben Navigationsschulen eingerichtet. Sie stehen unter der unmittelbaren Leitung besonders bestellter Direktionen, in welchen der Vorsitz dem betreffenden Gouverneur zukommt, und unter der Oberleitung der Handels- und Industrie-Expedition.

In jeder Hafenstadt besteht ein sog. Seemannshaus, dessen von den Rhedern, den Schiffsbefehlshabern und Seeleuten gewählte Direktion mit der Führung der SeefahrerListen und der Ertheilung von Unterstützungen an nothleidende Seeleute und deren Familien beauftragt ist; die Mittel zu diesen Unterstützungen und zu den Verwaltungskosten fließen aus den besonderen durch das Gesetz bestimmten Abgaben, welche von Rhedern und Seeleuten erhoben werden. Die Direktionen sind verpflichtet, statistische Berichte an die Handels- und Industrie-Expedition jährlich einzusenden258V. O. vom 30. April 1874..

Durch Einzahlung gewisser jährlicher Prämien erwerben die Seeleute aller Grade ein Recht auf Pension für sich und ihre Wittwen und Kinder. Die Verwaltung der zu diesem Zwecke eingerichteten allgemeinen Pensionsanstalt wird von einer Direktion gehandhabt, deren Vorsitzender vom Senate ernannt wird; die vier Mitglieder derselben werden von den Direktionen sämmtlicher Seemannshäuser gewählt. Der Staat hat bis jetzt dieser Pensionsanstalt eine jährliche Subvention gezahlt259V. O. vom 28. März 1879..

Die oben erwähnte Kontrolle der Dampfkessel erstreckt sich ganz besonders auch auf die Dampfschiffe. Die für den Personenverkehr bestimmten Dampfschiffe dürfen ihre Fahrten im Frühjahr nicht beginnen, ehe ihr guter Zustand von der betreffenden Aufsichtskommission auf Grund einer Inspektion und Probefahrt bescheinigt worden ist. Es können nur solche Maschinisten auf den Dampfern angestellt werden260V. O. vom 19. Februar 1879., welche im Besitz eines von einer Industrieschule ausgefertigten Befähigungsnachweises sind.

VI. Lotsenwesen und Leuchtthürme. Mit der Verwaltung der Angelegenheiten, welche sich auf die Sicherstellung der Navigation in den finnischen Gewässern beziehen, ist die Direktion des Lotsenwesens und der Leuchtthürme beauftragt. Chef dieser Behörde, mit alleinigem Entscheidungsrecht, ist der ”Lotsendirektor”, welchem ein Adjoint unterstellt ist. Diesen Beamten, welche höheren Offiziersgrad haben, sind außer Kanzlei- und Rechnungsbeamten 16 Offiziere und 2 Ingenieure beigeordnet. Von den Offizieren fungiren sechs als Chefs der Distrikte, in welche das Küstenfahrwasser eingetheilt ist, einer verwaltet die Anstalten in den größten Binnengewässern, die übrigen sind theils mit der Verwaltung des Seekartenwerks, theils mit der Seevermessung beauftragt, theils auch als Befehlshaber von Inspektions-Dampfern angestellt. Auf jedem größeren Leuchtthurm und jedem Leuchtschiff (gegenwärtig 24) wird, unter der Kontrolle des betreffenden Distriktsoffiziers, der Dienst von einem Leuchtmeister nebst Gehülfen versehen. Die Zahl der Lotsen beträgt ungefähr 730. Für Verletzung ihrer Dienstpflichten werden die Lotsen entweder von ihren Vorgesetzten im Disciplinarweg bestraft oder auch, in schwereren Fällen, vor Gericht gestellt.

In den mit der militärischen Organisation der Lotsenbehörde zusammenhängenden Angelegenheiten ist diese Behörde dem Generalgouverneur, im Uebrigen dem Senat, bezw. der Handels- und Industrie-Expedition untergeordnet. – Wegen der Bedeutung|334| des finnischen Fahrwassers für die russische Kriegsmarine werden alle Vorschläge, welche die Einrichtung neuer oder Veränderung bestehender Sicherheitsanstalten in dem finnischen Meeresgebiete betreffen, dem Marineminister des Kaiserthums zur Begutachtung mitgetheilt, ehe dieselben vom Senate entweder entschieden oder dem Kaiser und Großfürsten unterbreitet werden. Aus demselben Grunde wird bei den finnischen Seevermessungsarbeiten in technisch-wissenschaftlicher Hinsicht das in Rußland angenommene System befolgt. Der Lotsendirektor ist berechtigt, in Sachen, welche besondere Schleunigkeit erheischen, unmittelbar mit dem Marineministerium zu korrespondiren261Verordnungen vom 9. Mai 1870, 17. Februar 1879 u. A..

VII. Hafenbauten, Vertiefung von Fahrwassern. Die Städte sind verpflichtet, ihre Häfen in Stand zu erhalten. Wenn aber aus besonderen Gründen die Anlage oder Verbesserung eines Hafens auf Kosten des Staates unternommen wird, so ist diese Angelegenheit in der Handels- und Industrie-Expedition zu behandeln und die Arbeit durch die Oberdirektion der Weg- und Wasserbauten auszuführen. Dieser Oberdirektion bedient sich die Regierung auch für Arbeiten zur Vertiefung des Fahrwassers, welche von der Lotsendirektion als nothwendig nachgewiesen werden.

VIII. Die geologische Untersuchung des Landes nebst Herstellung eines geologischen Kartenwerkes geschieht durch eine aus fest angestellten, wissenschaftlich vorgebildeten Beamten bestehende Kommission. Diese Kommission ist, weil ihre Forschungen auch auf die Entdeckung nutzbarer Mineralien gerichtet sind, der Industriedirektion beigeordnet.

IX. Fabrikation und Verkauf von Branntwein und Malzgetränken262Vgl. oben § 41, I e.. Die restriktiven Vorschriften, welchen diese Gewerbezweige unterworfen sind, bezwecken sowohl die Sicherstellung der Accise, als namentlich den unmäßigen Konsum durch erschwerten Zugang zu diesen Getränken zu verhindern. Auf dem Lande können Branntweinfabriken nicht ohne die Erlaubniß der Kommune angelegt werden und ist weder Detailverkauf von Branntwein, noch Schankwirthschaft zugelassen. In den Städten sind sowohl die Detailverkaufsstellen als die Schenken auf eine von den Stadtbehörden festgestellte Anzahl begrenzt; es kann dieser Betrieb auch in die Hände einer einzigen Gesellschaft gelegt werden, welche sich verpflichtet, strenge Ordnung zu halten und den Reingewinn für gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Der Handel mit Bier ist ähnlichen Bestimmungen unterworfen, die Anlage von Brauereien erfordert aber keine besondere Erlaubniß.

Die Branntweinfabriken und Destillationsfabriken werden von Kontrolleuren überwacht; so auch der Handel mit Branntwein. Die von den Gouverneuren ernannten Kontrolleure werden in jeder Provinz von einem ”Oberkontrolleur”, welchen der Senat ernennt, beaufsichtigt. Die Oberkontrolleure geben ihre amtlichen Berichte unmittelbar an die Handels- und Industrie-Expedition ab. Bei den Bierbrauereien sind besondere unter der Aufsicht der Gouverneure stehende Kontrollbeamte angestellt263Gesetze vom 2. April 1883, 29. Dezember 1885 und 16. Juli 1886..

X. Das Versicherungswesen. Im Wege der Gesetzgebung sind bisher nur in Bezug auf die Brandversicherung der ländlichen Gebäude und in Bezug auf die Seeversicherung Normen erlassen worden264A. G. von 1734 B. B. Kap. 24 u. Gesetz vom 4. April 1864. Seegesetz von 1873.. Indessen sind allmählich Gesellschaften im Lande gegründet worden, welche sämmtliche Zweige des Versicherungswesens vertreten. Die Statuten dieser Gesellschaften sind von dem Senate festgestellt, sie sind so zu sagen leges in casu, stehen dabei selbstverständlich auf der Grundlage des allgemeinen Rechts.|335| Der Senat ernennt für jede Versicherungsgesellschaft, deren Organisation nicht eine genügende Kontrolle Seitens der Betheiligten selbst zusichert, einen öffentlichen Kontrolleur, durch den die Handels- und Industrie-Expedition die Thätigkeit der Gesellschaft überwacht.

XI. In den Geschäftskreis der Handels- und Industrie-Expedition fallen ferner: die Gesuche um Bestätigung der Statuten für Aktiengesellschaften; Sachen, die sich auf die Anwendung von Wasserkraft für industrielle Zwecke beziehen und Angelegenheiten, welche die Thätigkeit der zur Förderung des finnischen Handels in Rußland angestellten öffentlichen Agenten betreffen.

B. Die Selbstverwaltung der Kommunen.

§ 46. Die Stadtkommunen. Der Ursprung der städtischen Selbstverwaltung ist bis auf die erste rechtliche Organisation der Städte in Schweden und Finland zurückzuführen. Berechtigt an der Verwaltung oder an der Berathung der öffentlichen Angelegenheiten der Stadt theilzunehmen waren aber, bis in die neueste Zeit, nur die eigentlichen Bürger, d. h. diejenigen, welche in Uebereinstimmung mit den Grundsätzen des Zunftwesens als Ausüber eines bürgerlichen Gewerbes in der Stadt eingeschrieben waren. Die übrigen Elemente der Stadtbevölkerung waren von jeglichem Einfluß auf die Verwaltung ausgeschlossen, – ein Mißverhältniß, welches um so fühlbarer wurde, je mehr diese Elemente durch ihre Anzahl und sonstige sociale Bedeutung hervortraten. Als die Reform der städtischen Organisation auf die Tagesordnung kam, galt es daher weniger, die Stellung der Staatsverwaltung gegenüber zu ändern, als eine Emanzipation aus dem engen Korporationssystem durchzuführen. Die Reform fand, ehe noch das Zunftwesen gänzlich aufgehoben war, durch das Gesetz vom 8. Dezember 1873 statt. Dieses Gesetz ist die Quelle der nachfolgenden Darstellung.

I. Organisation der Stadtkommune. Jede Stadt bildet mit dem ihr zugehörigen Gebiete eine besondere Kommune. Mitglied der Stadtkommune ist ein jeder, welcher im Bereiche derselben ein bürgerliches Gewerbe betreibt oder ein Haus oder Grundstück besitzt, oder dessen gesetzlicher Heimathsort die Stadt ist.

Das Beschlußrecht der Stadtkommunen wird von den stimmberechtigten Mitgliedern entweder in der Rathhausversammlung oder durch gewählte sog. Stadtbevollmächtigte ausgeübt. Die Verwaltung (im engeren Sinne des Wortes) wird, unter der Aufsicht des Magistrats, von der Finanzkammer und besonders gewählten Kommissionen oder Direktionen gehandhabt.

In Städten mit mehr als 2 000 Einwohnern ist das repräsentative System, d. h. die Uebertragung des Beschlußrechts der Kommune auf Stadtbevollmächtigte, obligatorisch. In kleineren Städten entscheidet die Rathhausversammlung, ob diese Uebertragung stattfinden soll oder nicht.

Berechtigt, an den Berathungen und Beschlüssen der Rathhausversammlung Theil zu nehmen, sind sowohl die männlichen als die weiblichen steuerpflichtigen Mitglieder der Kommune, welche das finnische Staatsbürgerrecht genießen, dispositionsfähig sind, nicht für mehrjährige unbezahlte Kommunalsteuer haften, nicht in privater Dienstabhängigkeit stehen und nicht des bürgerlichen Vertrauens für verlustig erklärt sind. Auch Aktiengesellschaften können durch einen Vertreter der Direktion dieses Recht ausüben.

Das Stimmrecht steht im Verhältniß zu der Anzahl Steuereinheiten, zu welcher ein jeder taxirt ist, jedoch mit der Begrenzung, daß Niemandem mehr als 25 Stimmen zukommen.

Die Anzahl der Stadtbevollmächtigten beträgt, je nach der Einwohnerzahl|336| der Stadt, mindestens 12, höchstens 60. Die normale Anzahl soll bei der Behandlung außerordentlicher, im Gesetz bezeichneter, Finanzfragen um 50 % verstärkt werden. Nur Männer sind wählbar.

Der dritte Theil der Stadtbevollmächtigten wird jährlich durch neue Wahlen ersetzt.

Die Stadtbevollmächtigten wählen jährlich unter sich einen Vorsitzenden und einen Vize-Vorsitzenden. – Die Verhandlungen sind öffentlich. Der Bürgermeister, oder ein Stellvertreter für ihn, ist verpflichtet den Sitzungen beizuwohnen, hat aber nur berathende Stimme.

In den Städten, wo Stadtbevollmächtigte fungiren, wird eine Rathhausversammlung nur zur Vornahme der Wahlen abgehalten, in den übrigen Städten aber sowohl an den im Gesetz bestimmten Zeiten des Jahres als auch wenn der Magistrat es nöthig findet oder der Gouverneur eine Berathung fordert. Der Bürgermeister leitet die Verhandlungen der Rathhausversammlung.

Der Magistrat überwacht die finanzielle Verwaltung der Stadt und trägt dafür Sorge, daß die von den Stadtbevollmächtigten, bezw. der Rathhausversammlung in gesetzlicher Ordnung gefaßten Beschlüsse von den betreffenden Verwaltungsorganen vollzogen werden. Findet der Magistrat einen Beschluß gesetzwidrig, hat er der Ausführung desselben sich zu widersetzen; hierüber kann beim Gouverneur Beschwerde geführt werden.

Das Recht der Initiative in Angelegenheiten der Stadt steht dem Magistrate offen. Der Magistrat vermittelt die Beziehungen der Stadt zu den Staatsbehörden.

Die Stellung und die Aufgaben des Magistrats als öffentlicher Behörde sind durch das Kommunalgesetz von 1873 nicht verändert worden. (Ueber die Zusammensetzung des Magistrats s. oben S 20. b.)

II. Finanzen. In jeder Stadt ist eine Finanzkammer, deren Mitglieder von den Stadtbevollmächtigten bezw. der Rathhausversammlung gewählt werden, mit der Verwaltung der Finanzen beauftragt.

Einnahmequellen der Städte sind: verpachtete Grundstücke, indirekte Besteuerung, d. h. Abgaben welche auf Grund gesetzlicher Bestimmungen und nach erwirkter Bestätigung des Senats (städtischer Zollzuschlag, Hafentaxen u. dgl.) dem Verkehr auferlegt sind, und verschiedene nach den Ortsverhältnissen wechselnde Objekte; auch Beiträge aus Staatsmitteln, in der Regel nur für die Volksschulen. Was außer diesen Einnahmen zur Deckung der jährlichen Ausgaben erforderlich ist, wird durch die städtische Einkommensteuer aufgebracht. Zu diesem Zwecke wird jedes zahlungsfähige Mitglied der Kommune jährlich von einer gewählten Taxirungskommission, in welcher sowohl die Gewerbetreibenden als die Hausbesitzer und übrigen Kategorien der Einwohner vertreten sind, nach seinem Einkommen zu einer gewissen Anzahl Steuereinheiten (skattöre) geschätzt. Die Steuereinheit entspricht einem bestimmten Einnahmebetrage. Beschwerden über die Taxirung werden bei der ebenfalls aus der Wahl hervorgegangenen Prüfungskommission angebracht.

Es ist die Aufgabe des Magistrats, für jedes Jahr, nach stattgefundener Vorbereitung in der Finanzkammer, einen Budgetentwurf aufzustellen. Die Feststellung des Budgets steht den Stadtbevollmächtigten, bezw. der Rathhausversammlung zu265Die Spezialetats für das Rathhausgericht und den Magistrat können nicht durch den Budgetbeschluß beliebig geändert werden; diese Etats sind nämlich der Prüfung des Senats vorbehalten..

Die von der Finanzkammer geführten Rechnungen werden jährlich von eigens gewählten Revisoren geprüft.

III. Die Aufgaben und Grenzen der städtischen Selbstverwaltung. Neben der selbstverständlichen Begrenzung der kommunalen Befugnisse auf das eigene Gebiet der Kommune ist zu bemerken, daß die Organe der städtischen Verwaltung nicht in die Sphäre der auf diesem Gebiet wirkenden lokalen Staatsbehörden eingreifen dürfen. Alles aber, was dem Gedeihen der Stadt förderlich sein kann, ist Gegenstand der kommunalen Thätigkeit. Was die Kommune in solcher Hinsicht leistet, hängt überhaupt von ihrem freien Ermessen ab, ist aber zum Theil auch durch das Gesetz gefordert, wie z. B. die Fürsorge für die Armen und das Volksschulwesen. Das Prinzip ist: der Staat greift nicht in die Sphäre der lokalen Interessen und Angelegenheiten ein; er fordert aber die Mitwirkung der Kommune für gewisse das Gemeinwohl bezweckende Angelegenheiten, zu deren Handhabung die kommunalen Organe geeignet und bei welchen die besondern Verhältnisse der verschiedenen Orte zu berücksichtigen sind.

Den von den Stadtbevollmächtigten oder der Rathhausversammlung in gesetzlicher Ordnung gefaßten Beschlüssen kommt überhaupt ohne Weiteres geltende Kraft zu. Die Beschlüsse aber, welche die Veräußerung oder Verpfändung von Grundstücken, die der Stadt für besondere Zwecke geschenkt wurden, oder die Aufnahme von Anleihen auf längere Zeit als zwei Jahre oder auch die Besteuerung des Verkehrs betreffen, sollen dem Senat (Departement der Oekonomie) zur Bestätigung unterbreitet werden, und die Beschlüsse, welche das Erlassen von Vorschriften für die verschiedenen Zweige des Polizeiwesens bezwecken, sind der Prüfung des Gouverneurs vorbehalten. Ein Recht zur Beschwerde über die Beschlüsse der Stadtbevollmächtigten bezw. der Rathhausversammlung ist nur dann vorhanden, wenn nachgewiesen werden kann, daß der Beschluß nicht in gesetzlicher Ordnung zu Stande gekommen oder an und für sich gesetzwidrig ist; hinsichtlich der Zweckmäßigkeit oder Nützlichkeit können die städtischen Beschlüsse also nicht angefochten werden. Die Beschwerdeinstanz ist der Gouverneur.

§ 47. Die Landkommune. In der ländlichen Gemeinde, dem territorialen Kirchspiel, wurden früher sowohl kirchliche als weltliche Angelegenheiten, soweit die letztern nicht von der Fürsorge der Staatsbehörden abhingen, unter dem Vorsitz und der Leitung des Pastors verhandelt und verwaltet. Erst durch das Gesetz vom 6. Februar 1865 ist die heutige bürgerliche Landkommune geschaffen worden.

I. Organisation der Landkommune. In der Regel ist das Gebiet einer kirchlichen Gemeinde auch das einer Kommune; es können aber zwei oder mehrere Kirchspiele zu einer Kommune vereinigt sein.

Mitglied einer Landkommune ist ein jeder, welcher in derselben ein Grundstück besitzt oder bewirthschaftet oder ein Gewerbe betreibt oder sonst seinen Wohnsitz hat.

Das Beschlußrecht der Kommune wird in der Kommunalversammlung ausgeübt. Für die Berechtigung, daran theilzunehmen, gelten dieselben Bedingungen wie in der Stadtkommune.

Die Versammlung wählt selbst zum Vorsitzenden ein Mitglied der Kommune. Der Kronvogt, der Kommissar und die Polizeidiener sind nicht wählbar.

Die Stimmen werden in der Kommunalversammlung nach der Anzahl der Steuereinheiten jedes Abstimmenden berechnet.

Die verwaltende und vollziehende Behörde ist der Kommunalrath, welcher aus dem Vorstand, dem Vize-Vorstand und wenigstens fünf Mitgliedern besteht; sie werden sämmtlich von der Kommunalversammlung gewählt. Der Kreisrichter und die oben erwähnten Staatsbeamten können nicht in den Kommunalrath gewählt werden. – Für besondere Zweige der Verwaltung, wie z. B. das Volksschulwesen, werden in der Regel besondere Direktionen eingesetzt.

Es steht den Landkommunen frei, ihr Beschlußrecht einer Anzahl Kommunalbevollmächtigten zu übertragen; von diesem Rechte ist aber kaum Gebrauch gemacht worden.

II. Finanzen. Auch in der Landkommune ist die Steuereinschätzung der Mitglieder der gesetzliche Ausweg die aus andern Quellen etwa fließenden Mittel nach dem Bedarf zu ergänzen. Bei der Einschätzung werden den Mitgliedern Steuereinheiten auferlegt, jedoch nicht wie in den Städten nach den Grundsätzen der Einkommensteuer, sondern nach einer den Vermögensverhältnissen nur ungefähr angepaßten Klassifizirung. Die Einschätzung wird entweder von einer besonders gewählten Kommission oder von dem verstärkten Kommunalrath bewerkstelligt. Die Kommunalversammlung selbst prüft die Einwendungen, welche gegen die Einschätzung erhoben werden.

Der Kommunalrath hat jährlich im Herbst der Kommunalversammlung das Budget des folgenden Jahres zur Prüfung vorzulegen. Der Rath verwaltet die Finanzen in Uebereinstimmung mit dem Budget und besorgt, in der Regel durch besonders angestellte Personen, die Führung der Rechnung, welche für jedes Jahr von den in der Kommunalversammlung gewählten Revisoren geprüft wird.

III. Aufgaben und Grenzen der Selbstverwaltung der Landkommunen. In Bezug auf die Sphäre der selbständigen Verwaltung und die Fälle, in welchen die Beschlüsse der Kommunalversammlung dem Senat, bezw. dem Gouverneur, zur Bestätigung unterbreitet werden müssen, gilt im Wesentlichen, was oben § 46 III angeführt worden ist. Ein Unterschied ist jedoch darin vorhanden, daß der Gouverneur, weil in der Landkommune keine dem Magistrat entsprechende öffentliche Behörde besteht, die Ausführung des Beschlusses der Kommunalversammlung verbieten kann, wenn die Gesetzwidrigkeit desselben durch den Beschwerdeführer nachgewiesen worden, sowie darin, daß die in der Kommunalversammlung stattfindende Prüfung der Einwendungen gegen die Einschätzung nicht wie diejenige der städtischen Prüfungskommission endgültig ist, sondern beim Gouverneur und in letzter Instanz bei dem Senat angefochten werden kann.

C. Justizverwaltung.

§ 48. Verwaltungsangelegenheiten des Justizwesens. Aus der Darstellung der Staatsbehörden im II. Kap. des dritten Abschnittes ist bereits ersichtlich gewesen, daß die Justizverwaltung in Finland nicht durch ein besonderes, einem Justizministerium entsprechendes Organ vertreten ist. Die oberste Leitung der Rechtspflege, die Anregung zu Justizreformen, die Ertheilung formeller Dienstvorschriften an die Gerichte, die Besetzung richterlicher Aemter, – alle diese Angelegenheiten gehören zu den Aufgaben des Departements der Justiz des Senats. In dem engern Plenum des Senats266S. oben S. 269 aa. werden die Etats der Justizbehörden und andere dem übrigen Verwaltungssystem näher stehende Geschäfte der Justizverwaltung erledigt. Der Prokurator übt die Aufsicht über die formelle Geschäftsbehandlung der Gerichte und die gesetzliche Vollziehung der Strafen aus. Aber auch die Gerichte zweiter Instanz, die Hofgerichte (s. oben § 20 II), sind nicht ausschließlich auf die richterliche Thätigkeit beschränkt; es steht ihnen zu, sowohl die Gerichte erster Instanz als die Exekutivbehörden zu beaufsichtigen267R. F. § 15.. Die Hofgerichte wachen über die unverzögerte und gesetzmäßige Ausübung der Rechtspflege bei den Untergerichten und haben gegen Versäumnisse oder Unordnungen einzuschreiten, selbstverständlich ohne die richterliche Unabhängigkeit der Untergerichte zu beeinträchtigen.

Die oberste Exekutivbehörde in jeder Provinz ist der Gouverneur und zwar nicht nur als Vollstreckungsbeamter, sondern auch mit der Befugniß für unbestrittene civile Forderungen die Auspfändung anzuordnen. – Beschwerden über die Entscheidungen des Gouverneurs als Exekutivbehörde sind beim Hofgerichte zu erheben.

§ 49. Verwaltungsgerichtsbarkeit. Mit Ausnahme des Revisionsgerichtes bestehen in Finland keine besonderen Organe der Verwaltungsrechtspflege. Es gilt seit alten Zeiten als oberster Grundsatz der Verwaltung, daß sie nach den Gesetzen gehandhabt werden soll. Die höhern Behörden sollen die ihnen untergeordneten Amtsstellen zur Beobachtung der Gesetze anhalten; ihnen steht deßhalb auch die Rechtssprechung zu, wenn über Abweichung vom Gesetze geklagt wird.

Alle Sachen der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind sog. Beschwerdesachen. Wenn Jemand, sei es eine einzelne Person, ein Verein, eine Kommune oder eine Gemeinde, durch die Entscheidung oder Verfügung einer Verwaltungsbehörde in seinem Rechte verletzt wurde, so steht es ihm frei, bei der vorgesetzten Behörde die Aufhebung oder Abänderung jener Entscheidung oder Verfügung zu verlangen. Diese Beschwerde soll Rechtsbeschwerde sein; es muß behauptet werden können, daß die betreffende Behörde nicht in Uebereinstimmung mit geltenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen gehandelt oder ihre gesetzliche Befugniß überschritten hat.

Zu den vielseitigen Aufgaben des Gouverneursamtes gehört auch ein bedeutender Antheil an der Verwaltungsrechtspflege; deßhalb ist es geboten, daß der vortragende Rath des Gouverneurs, der Landsekretär, ein erprobter Jurist sei.

Der Gouverneur ist als Verwaltungsgerichtsinstanz zuständig für Beschwerden gegen Entscheidungen: 1) der kommunalen Behörden; 2) der Magistrate, sei es in Sachen der Kommunalverwaltung oder der dem Magistrate zustehenden polizeilichen Jurisdiktion; 3) der kirchlichen Gemeindeversammlung in Sachen, welche die wirthschaftlichen Angelegenheiten der Gemeinde betreffen; 4) der lokalen Beamten, welche entweder in ihrer ganzen Amtsthätigkeit oder in gewissen Theilen derselben dem Gouverneur untergeordnet sind.

Die Stiftskonsistorien verhandeln und beschließen als Gericht in den vom Kirchengesetz angezeigten Fällen.

Die centralen Verwaltungsbehörden (s. oben § 21) entscheiden über Beschwerden gegen Verfügungen der ihnen untergeordneten lokalen Behörden oder Beamten.

Das Departement der Oekonomie des Senats entscheidet in letzter Instanz über Beschwerden gegen die Entscheidungen oder Verfügungen der Gouverneure, der Konsistorien und der centralen Verwaltungsbehörden.

Dem Revisionsgericht steht die Rechtsprechung auf dem Gebiete des öffentlichen Rechnungswesens zu. Es entscheidet über die Einwendungen, welche von dem Revisionskomptoir gegen die Rechnungslegung der Steuererheber und Kassenverwalter gemacht werden. Hierbei wird die strafrechtliche Untersuchung, zu welcher entdeckte Veruntreuungen Veranlassung geben, den ordentlichen Gerichten überwiesen. Das Revisionsgericht bestimmt in solchen Fällen, wie auch in Sachen, wo es sich zwar um Kassendefekt und Rechnungsfehler, nicht aber um Veruntreuung handelt, den Betrag der Ersatzleistung, welche dem Rechner auferlegt werden soll. Wenn bedeutende Summen in Frage sind und die Sicherheit der Staatskasse es erfordert, hat das Revisionsgericht unverzüglich im Wege der Vorentscheidung entsprechende Vermögensstücke bei dem Rechner durch Vermittelung des betreffenden Gouverneurs sequestriren zu lassen. – Beschwerden gegen die Entscheidungen des Revisionsgerichts können bei dem Departement der Oekonomie des Senats angebracht werden.

Fünfter Abschnitt. Die rechtliche Stellung des Großfürstenthums Finland zum Kaiserthum Rußland.

§ 50. Aus der vorliegenden Darstellung und den darin angeführten Rechtsquellen ist bereits hervorgegangen:

daß die Verbindung des großfürstlichen Thrones Finlands mit dem russischen Kaiserthrone, d. h. die rechtliche Gemeinsamkeit der Person des Monarchen der beiden Staaten unauflösbar ist;

daß die dem Kaiser von Rußland als Großfürsten von Finland zustehende Ausübung der Staatsgewalt in Finland auf Grundlage der finnischen Staatsverfassung stattfindet, und daß die Grundgesetze, welche diese Verfassung enthalten, nur im Wege der finnischen Gesetzgebung abgeändert werden können; oder anders ausgedrückt: daß Finland eine mit Rußland verbundene, in staatsrechtlicher Hinsicht dem Kaiserthum koordinirte, konstitutionelle Monarchie ist.

Die Verbindung Finlands mit Rußland entspricht also dem Begriffe der Realunion268S. Engelmann, in diesem Handbuch IV, II, 1 S. 12. Vgl. S. Brie, Theorie der Staatenverbindungen, Breslau 1886, S. LXIX u. f. Tschitscherin, O narodnom predstavitelstojä (Ueber die Volksvertretung). Moskwa 1866 S. 184, 185..

Fremden Staaten gegenüber tritt der in der Union begründete staatsrechtliche Dualismus vor dem kollektiven Reichsganzen zurück. Der Kaiser leitet und entscheidet als einheitlicher Vertreter des russischen Reiches die Angelegenheiten der auswärtigen Politik. Die Coexistenz des finnischen Staates neben dem russischen macht sich in den internationalen Beziehungen nur in den Fällen besonders geltend, wo die Verschiedenheit des finnischen Rechts von dem russischen etwa die Einführung hierauf bezüglicher Stipulationen in den Verträgen erheischt269Vgl. oben § 32, V., oder die Interessen Finlands im internationalen Verkehr durch Verabredung besonderer Bestimmungen berücksichtigt werden sollen270Solche besonderen Bestimmungen kommen namentlich in Verträgen vor, welche den Handel und die Schifffahrt betreffen.. Ob und wie weit die Berücksichtigung dieser Interessen statthaft bezw. mit der Reichspolitik verträglich sei, hängt gänzlich von dem Ermessen des Kaisers ab271Es ist hier an die Machtbefugniß zu erinnern, welche in internationalen Angelegenheiten auch nach den Grundgesetzen Finlands dem Kaiser und Großfürsten zusteht. (Vgl. S. 263 f. und Note 8.).

Daß die amtliche Befugniß des russischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten sich auch auf Finland erstreckt, und in welcher Hinsicht eine Mitwirkung Seitens der finnischen Regierungsbehörden in den internationalen Angelegenheiten stattfindet, ist bereits oben, § 19, erörtert worden. – Ebendaselbst wurde auch erwähnt, daß der Kriegsminister des Kaiserthums durch eine Bestimmung des finnischen Gesetzes mit der Funktion bekleidet ist, in der nämlichen Eigenschaft für Finland, dem Kaiser und Großfürsten die die finnischen Truppen betreffenden Kommandosachen vorzutragen. Durch diese Anordnung ist dafür gesorgt, daß die militärische Ausbildung der finnischen Truppen mit derjenigen der russischen übereinstimmen kann, obgleich das Wehrpflichtsystem|341| Finlands von dem russischen verschieden ist. Uebrigens hat die Gemeinschaftlichkeit der Interessen im Kriegswesen sich darin geltend gemacht, daß das Großfürstenthum in dem Vertheidigungssystem des ganzen Reiches einen der sogen. Militärdistrikte bildet, und daß, laut finnischem Gesetze, die russischen Streitkräfte, welche nach Finland verlegt werden können, unter das Kommando des Generalgouverneurs von Finland, zugleich Chefs des finnischen Heeres, gestellt sind272Wehrpfl.-Ges. von 1878, § 19..

Andere staatliche Aufgaben, als die bisher erwähnten, sind nicht Gegenstand der Verwaltung durch gemeinsame Organe.

Die Behandlung solcher Angelegenheiten, welche aus den gegenseitigen Beziehungen der beiden Länder sich ergeben, ist durch besondere in Rußland und in Finland erlassene Vorschriften, bezw. auch durch die Praxis, geregelt worden. Diese Ordnung ist kurz folgende:

Wenn der finnische Senat bei dem Kaiser und Großfürsten eine Verordnung oder Verfügung beantragt, welche die Interssen Rußlands berührt, so wird der Vorschlag des Senats, ehe derselbe dem Souverän unterbreitet wird, von dem Minister-Staatssekretär dem betreffenden russischen Ministerium zur Begutachtung mitgetheilt.

Ein ähnliches Verfahren ist Seitens der russischen Ministerien üblich; das Gutachten des finnischen Senats und Generalgouverneurs wird durch Vermittelung des Minister-Saatssekretärs Finlands eingeholt, wenn russische Verordnungen, welche die Interessen Finlands berühren, in Frage stehen.

In Angelegenheiten, welche mit einander übereinstimmende Vorschriften erheischen, wird, nachdem die erforderliche Vereinbarung zwischen dem betreffenden russischen Ministerium und den finnischen Regierungsbehörden zu Stande gekommen ist, die betreffende Verordnung erst in Rußland erlassen und dann vom Kaiser und Großfürsten, auf Antrag des Minister-Staatssekretärs, eine entsprechende Verordnung für Finland bestätigt273Codex der russischen Grundgesetze, Abtheilung über die Minister, Kap. III. Art. 218, Anm. – Finnische Verordnung vom 17. März 1862, § 14..

Es steht dem Generalgouverneur Finlands offen, im Komite der Minister des Kaiserthums ”die Berathung solcher Angelegenheiten zu beantragen, welche die Regierungen beider Länder nahe berühren und deßhalb eine Prüfung sowohl von der einen als auch von der anderen Seite erheischen”. Die Berathung kann nur unter der persönlichen Betheiligung des Generalgouverneurs stattfinden und ist auf solche Gegenstände eingeschränkt, welche ohne Abänderung finnischer Gesetze erledigt werden können. Die durch diese Berathung veranlaßten Maßregeln erfolgen dann beiderseitig in gewöhnlicher Ordnung274Codex der russischen Grundgesetze, Abtheilung über das Komite der Minister, Art. 15, 33 und 49. Berathungen dieser Art find thatsächlich äußerst selten vorgekommen. – In einzelnen Fällen hat der Kaiser ein außerordentliches, aus Vertretern russischer und finnischer Regierungsorgane zusammengesetztes Komite mit der vorbereitenden Berathung wichtiger, die Interessen beider Länder berührender Fragen beauftragt..

Litteratur-Uebersicht.

J. J. Nordström, Bidrag till den svenska samhälls forfattningens historia, I. II. Helsingfors 1839–40. – J. G. von Bonsdorff, Storfurstendömet Finlands Kameral-Lagfarenhet, I. II. Helsingfors 1833. – Matthiae Calonii opera omnia, appendix. Svenska arbiten, supplementband utgifvnet af Theodor Sederholm. Helsingfors 1870. – J. W. Rosenborg, Om riksdagar. Helsingfors 1863. – F. L. Schauman, Statsrättsliga förhallanden i Finland. Borgo 1876. – Axel Liljenstrand, Finlands jordnaturer och äldre skatteväsende. Helsingfors 1879. – R. Castrén, Skildringar ur Finlands nyare historia. Helsingfors 1881. – J. Tengström, Berättelse om landtdagen i Borgo. Abo 1809. – Edv. Bergh, Var styrelse och vara Landtdagar. Atterblick pa Finlands konstitutionella utveckling inde de senaste tjugu aren. I–XVI. Helsingfors 1883–1888. – R. Montgomery, Notice sur les travaux législatifs de la Diète du Grand-duché de Finlande 1863–1879. Paris 1881. (Extrait de l’Annuaire de la Société de législation comparée). – R. Hermonson, Om Finlands ständer deras förhallande till monarken och till folket. Helsingfors 1884. – L. Mechelin, Précis du droit public du Grand-duché de Finlande. Helsingfors 1886.

Monographien über staatsrechtliche Gegenstände von J. Ph. Palmen, R. Lagus, J. W. Rosenborg, L. Mechelin, R. Hermonson u. A. in den Zeitschriften ”Juridiskt Album” und ”Juridiska Föreningens tidskrift.”

Die Grundgesetze Finlands find mit Einleitung und Noten herausgegeben von L. Mechelin 1877.

Zu den literarischen Quellen sind auch zu zählen die unter dem Titel ”Landtdagshandlingar” erschienenen Regierungsvorlagen, Kommissionsberichte und Beschlüsse der Stände.

Abkürzungen.

A. G. von 1734 = das Allgemeine Gesetz von 1734.

A. L. G. = das Allgemeine Landgesetz von 1442.

L. O. = die Landtagsordnung von 1869.

R. F. = die Regierungsform von 1772.

V. u. S. A. = Vereinigungs- und Sicherheitsakte von 1789.

B. O. = Verordnung.

Wehrpfl. G. = Wehrpflichtgesetz von 1878.