25.3.1861 Lilly Steven-Steinheil–LM

Eben hab ich an Emèlie Björkstén
geschrieben, von der ich einen so
herzlichen theilnehmenden Brief erhielt,
und nun will ich Ihnen schreiben
und dancken, daß Sie sich meiner
so freundlich errinnern, ungeachtet
Sie so beschäftigt und nicht bei Stim-
mung sind; in Kummer und Trübsaal
da empfindet man doppelt den
Werth der Freundschaft, und kann
sich das Mitgefühl und die Theil-
nehme selbst nur schriflich äußern
ist es dennoch ein Trost. Sie ent-
schuldigen sich – daß Sie mir nichts
angenehmes, erheiterndes mitzutheilen
haben, ach mein Freund, daßstruket nochtillagt kann
solches, auf mich keinen wohlthuen-
den Einfluß haben, mein Gemüth
ist kranckhaft, reizbaar, nur ein Gegen-
|2| stand feßelt meine Gedancken, denn
Tag für Tag fühl ich mehr und mehr
meinen schmerzlichen Verlust; so
lange die gute Emilie bei uns war,
so ging denn doch die Zeit bei weni-
gem vorwärts; nun will sie aber zum
Abendmahl gehen, woher sie uns hat ver-
laßen müßen; sie war wohl so freund-
lich, und wollte zu Getillagtstern wiederkommen,
doch konnte ich ihr Anerbieten nicht
annehmen, indem sie uns auch schon
hierstruket damit ein Opfer gebracht, da sie
einen ganzen Monat bei uns zuge-
bracht. Meine Eltern und Schwester
finden, daß ich auf einige Zeit aus
Karhusuo wegmüßte, dieses aber will,
und kann, ich nicht, denn wo ich auch
nicht bin, immer hab ich eine Sehnsucht,
eine Unruhe, die mit nichts zu beschwich-
tigen ist, und nur hier bin ich ruhig,
und die größte Zerstreuung für mich
wenn ich mich an Maiko ihren Schranck
setze und ihre SpielSachen beseh und wieder
in Ordnung stelle, ich versetze mich dann
|3| so ganz in die Zeit wo meine lieb-
liche Maiko mein größtes Spielzeug war;
wohl ist das Erwachen aus diesem
Traume, ein schmerzliches, doch ich weine
aus und suche mit Ergebung in das
Unvermeidliche mich zu fügen.
Warum ich Karhusuo nicht verlaßen
kann geschieth deshalb, weil ja N: dann
allein bliebe, und dieses darf weniger
als je geschehen; der unglückliche
Mensch steth nun wieder auf dem
alten Punct und nichts vermag ihn
aus seiner Betäubung herauszureißen,
ich hoffte so viel von dieser Prüfung,
die ja auch so schmerzlich für ihn war;
doch meine Hoffnung war, wie so oft schon,
auf Sand gebaut; und dennoch, geb
ich mich jetzt wieder, einer Hoffnung
hin, und vielleicht abermahls vergeblich;
Sie kennen wohl den Magister Mal-
linen; (da er Sie zu kennen schien);
deßen Bekanntschaft machte Nicolay
auf einem KüläLuku, (kurz nach
Maiko ihrem Tode;) seine Art die Kinder
|4| zu unterweisen, gefiel Nicolay, und
dieses brachte ihn auf den Gedancken
ihm den Vorschlag zu machen, hier
eine VolckSchule einzurichten und als
Lehrer Derselben bei uns zutillagt wohnen. Er ging
auch darauf ein, nur muß man erst
die Erlaubniß des Consistoriums dazu
haben, und dann will er auch die Zu-
sicherung haben, daß ihm die Dienst-
Jahre angerechnet werden. So viel ich
Mallinen nach dem einen Tag beur-
theilen kann, so glaub ich daß seine
Gesellschaft für N: eine Gute wäre,
denn ein solider braver Mann soll
er sein, streng religiös, doch kein
Pietist, und sehr beliebt bei der Gemeinde,
die ihn als Redner nicht genug preisen
kann. Sehr würde es mich freuen wenn
dieser Plan zu Stande käme denn
so lange schon ist dieses mein Wunsch
gewesen. Ihr Oncel der die Bittschrift ans
Konsistorium aufsetzt, meint aber, daß es
noch im weiten Felde wäre, indem die
hohe Geistlichkeit immer so viele Schwie-
rigkeiten macht. Sehr würde ich das Mißlingen
bedauern.
|5| Schreiben Sie mir ihre Meinung hie-
rüber und wenn Sie sich Mallinen errin-
nern, wie er Ihnen gefällt? Bei uns
würde M wohnen, und drei mal wächent-
lich, tourweise in Karhusuo, Sküttälä,
und Pero würde der Unterricht statt-
finden; die Gage würden theilweise
die Bauern als Nicolay geben welche
ungefähr 200 Rb ausmachen würde.
Ich wünschte auch noch daß er mit Pocku
bisweilen sich abgeben würde, sonst
ist die Alte im Stande ihm einen
Lehrer zum Sommer zu nehmen, undstruket
damit er nur bei ihr bliebe; sie sagt
wohl, daß er im Sommer abwechselnd
eine Woche bei ihr, und die andre,
bei uns, zubringen soll; aus Erfah-
rung aber weiß ich, wie die Woche,
bei ihr, sich zu Wochen verlängert,
und wohl wäre es nothwendig daß
Pockus wieder eine längere Zeit bei
uns bliebe; denn dieser eine Monat
den er bei und mit der Großmutter
zugebracht, hat wieder den guten Einfluß
|6| von Emeleus verwischt; wir hoffen
daß er nach Ostern schon zum Lehrer
ziehen kann; heute erwart ich ihn nach
Hause, und bleibt er bei uns bis Freitag
wo ihn die Alte nach Saarela nimmt.
Ich weiß nicht wie ich den armen
Jungen amüsieren soll, denn draußen
regnet es forwährend, und daher so schmut-
zig, daß es kein Vergnügen ist herumzu-
laufen, und in den Zimmern ver-
mißt er sehr die Schwester, die mit
ihren Wärterinnen immer an seinen
Spielen theilnahm, wärend ihm jetzt
nur Johan zu Gebothe steth; auch
greift mich alles noch zu sehr an was
an Maiko errinnert, und muß sich der
arme Pockus daher nur mit erntillagtsten Be-
schäftigungen begnügen; daher ist es
wohl auch nicht zu verwundern
daß er lieber in Saarela ist, wo er
in jeder Hinsicht seine Freiheit genießt
das Mutter Herz fühlt sich aber doch belei-
digt und zurückgesetzt und läßt sich
von keinen VernunftGründen beschwichtigen.
|7| Sie werden wohl die OsterFeierTagen
nicht bei ihren Eltern zubringen können
da die Bahn im Abgehen ist; ich
hoffte im Stillen, daß Sie auch uns
dann, vielleicht einen kurzen Besuch
hätten machen können! Ihre Familie
hat also auch eine sorgenvolle Zeit
durchgemacht! Gott lob daß einiges
überstanden, und wollen hoffen daß
mit der Zeit auch dem Mangel, ab-
geholfen wird; es kann einem wohl
wehe thun, daß Ihre guten achtungs-
werthen Eltern selbst im Alter noch
damit zu kämpfen haben!

Ist Ihr Bruder Torsten noch in Fridrichs-
haven und hat Emèlie Helsingfors besucht?
Wie freu ich mich daß Sie in Idestam
einen wahren Freund gefunden; mög-
te diese Freundschaft Bestand haben,
und durch nichts getrübt werden!
hoffentlich ist Avellan in der Beßerung?
hier wurde erzählt daß er in Helsing-
fors Line Toll sehr den Hof gemacht,
ist sie die Auserkohrene? Tolls hab ich
|8| nicht so neulich gesehen, indem sie nach
Säkjärwi gereist, ich kann mich nicht besinnen
ob ich Ihnen geschrieben, daß ich sie nach
unserm Trauer Fall schon besucht.
Welch ein trauriges Wiedersehen war das!
Madame Toll ging schon auf, kann aber
gar nicht zu Kräften kommen, da der
Kummer sie so daniederdrückt; sie sind
überhaupt Alle noch tief betrübt und können
sich noch gar nicht in ihren schweren Verlust
finden; wie wäre daß auch möglich! denn
nun fangen ja erst die Sorgen an; Kajan-
der suchte ihnen ein kleines Quartier; unter
andern wollte er die zwei Zimmer als
Küche bei meiner Schwiegermutter für sie
miethen; sie bewohnt sie aber selbst, und war
es vielleicht eben so gut, daß er sie nicht erhielt!
später sollen Möbeln als verschiedenes andre
verkauft werden. Wenn man sich in
die Lage dieser unglücklichen Menschen
denckt,tillagt da muß man unwilkührlich sich gestehen
”wie gering ist dein Kummer gegen den
ihrigen”. Gott erhalte nur die arme Mutter,
dann haben die Kinder doch ein Stüze!

Daß wird im Sommer ein trauriger Besuch
|9| in Wiburg für Sie werden. Bei allen
Ihren Freunden, so traurige Verände-
rungen, und überall nur Trähnen zum
bewillkommnen; und doch freud ich mich
so sehr darauf, und bin immer Angst
daß irgend ein Hinderniß mich vielleicht
auch um diese Freude bringt! Gott erhalte
Sie nur gesund, und verlieren Sie nicht
den Muth wenn auch nicht allestillagt so geth, wie man
es wünschte! Zum Schluß füg ich noch hinzu:
mögte die Bekanntschaft mit A. zu einem guten
Ende führen, und es zu einer wirklichen Verlobung
sich gestalten, dann soll aber erst die Liebe sich einfinden.
Von meinen Eltern als Rothes soll ich Sie viel-
mals grüßen, bei Letzteren geth es schon viel beßer.
Fritz bittet ebenfalls um seinen Gruß so wie
auch Nicolay. Leben Sie wohl und schreiben
Sie bald Ihrer treuen Freundin